Originalbeitrag
24. November 2019
inkl. Nachtrag 09. Februar 2020
inkl. 2. Nachtrag 13. Mai 2020


Nach dem Stop - Bald doch wieder Rüstungsexportgenehmigungen aus Südafrika für Saudi-Arabien und die VAE?

von Otfried Nassauer


Vertreter der Rüstungsindustrie in Südafrika haben sich öffentlich beschwert, dass die südafrikanische Regierung ihnen seit Monaten keine Genehmigungen mehr für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in die Jemenkriegsländer Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate ausstellt. Beide Länder gehören für die südafrikanische Rüstungsindustrie zu den wichtigsten Kunden und haben große Aufträge bei den Betrieben am Kap plaziert. Südafrika liefert unter anderem gepanzerte Fahrzeuge sowie viele Produkte der südafrikanischen Munitionsindustrie.

Die südafrikanische Rüstungsindustrie beklagt nun, dass neue Genehmigungen ausbleiben, weil Südafrika die Erteilung von Genehmigungen wieder verstärkt davon abhängig macht, ob die Empfängerländer so genannten Post-Shipment-Kontrollen zustimmen, mit denen das Lieferland im Empfängerland prüfen kann, ob die gelieferten Waffen auch in der Verfügungsgewalt des Verwenders verblieben sind, der in der Endverbleibserklärung genannt wurde. Die Möglichkeit zu solchen Kontrollen ist in Südafrika seit vielen Jahren gesetzlich vorgesehen. Auf der Zustimmung der Empfängerländer wurde aber nur selten bestanden. Die Industrie berichtet nun, dies sei jetzt der Fall und etliche arabische Empfängerländer seien nicht bereit, solche Kontrollen zu erlauben, weil dies einen Eingriff in ihrer Souveränitätsrechte darstelle. Bereits fertiggestellte Rüstungsgüter könnten deshalb nicht ausgeliefert werden und es drohe, dass der südafrikanischen Industrie künftig Aufträge im Wert von 3-4 Mrd. Dollar entgehen könnten.

Dieses Argument hat jedoch eine Schwäche: Neben Südafrika verlangen auch Staaten wie die Schweiz und vor allem die USA als wichtigster Lieferant Saudi-Arabiens ein Recht zu solchen nachträglichen Verifikationsmaßnahmen für den Verbleib ihrer Rüstungslieferungen. Wer den USA ein solches Recht nicht einräumen will, wird schlicht nicht beliefert. 

Auch die Bundesrepublik hat sich 2017 ein solches Kontrollinstrument geschaffen und wertet derzeit die Erfahrungen der zweijährigen Erprobungsphase aus, um zu entscheiden, ob das Instrument beibehalten, erweitert eingesetzt oder wieder aufgegeben werden soll. Aus einer der Regierungsparteien, der SPD, ist bekannt, dass sie sich für einen erweiterten Einsatz von Post-Shipment-Kontrollen ausspricht.

Der südafrikanische Genehmigungsstopp belastet auch die Geschäfte des deutschen Rheinmetall-Konzerns. Dessen südafrikanische Gemeinschaftsfirma Rheinmetall Denel Munition exportiert im großem Stil Munition in die Emirate und inzwischen auch nach Saudi-Arabien. RDM gehört schon seit Wochen zu jenen Firmen in Südafrika, die sich über die derzeitige Genehmigungspolitik Südafrikas beschweren und mit einer Entlassung Hunderter Mitarbeiten drohen. Rheinmetall, dessen Lieferungen an Saudi-Arabien und die VAE wegen des Jemenkriegs heftig kritisiert werden, droht nunmehr eine Belastung des wirtschaftlichen Jahresergebnisses 2019. Neben Südafrika hat nämlich auch Italien die Genehmigung von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien im Sommer gestoppt. Die Exporte aus beiden Ländern an die am Jemenkrieg beteiligten Staaten waren für Rheinmetall im letzten Jahr mit hohen Gewinnmargen verbunden.


Nachtrag, 9. Februar 2020

Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bemüht sich Südafrika inzwischen um einen diplomatischen Ausweg aus dem Konflikt. Da Rüstungsexporte im Gesamtwert von etwa 15 Mrd. Rand (rd. € 910 Mio.) von den der verweigerten Zustimmung der wichtigen Empfängerländer in der MENA-Region betroffen sein sollen habe das NCACC (National Conventional Arms Control Comittee ) beschlossen, die strittige Passage in der südafrikanischen Endverbleibserklärung abzuschwächen und künftige nicht mehr eine Zustimmung zu Vorortkontrollen durch einen Inspekteur, der durch den Verteidigungsminister [Südafrikas] bestimmt wird, zu verlangen, sondern durch Vortortkontrollen, durchgeführt durch einen diplomatischen Prozess. Ob dies den Konflikt mit den Kunden in der MENA-Region löst, die in solchen Post-Shipment-Kontrollen einen Eingriff in ihre Souveränitätsrechte sehen, kann bezweifelt werden. Diese werden eher auf einen völligen Verzicht auf Vorortkontrollen auf ihrem Territorium drängen. Da große Teile der Rüstungsindustrie Südafrikas in einer schweren Krise stecken, kommt den substantiellen Aufträgen aus der MENA auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Zu jenen Kundenländern, die die Zustimmung zu Vorortkontrollen verweigern, gehören Algerien, Saudi-Arabien, Oman und die VAE.  

2. Nachtrag, 13. Mai 2020

Am 11. Mai 2020 hat die Regierung Südafrikas die eine Neufassung der von Südafrika geforderten Endverbleibserklärung der Empfängerländer im Gesetzes- und Verordnungsblatt des Landes veröffentlicht. Post-Shipment-Kontrollen sollen also jetzt – wie im Februar schon angekündigt - in der Form eines „diplomatischen  Prozesses“ durchgeführt werden, wie auch immer dieser konkret umgesetzt werden soll. Die Industrie glaubt, dass sie jetzt wieder Genehmigungen zur Lieferung erhalten wird, weil die Empfängerländer aus dem arabischen Raum bereit sein werden, so formulierte Endverbleibserklärungen zu unterzeichnen. Bei RDM und anderen Rüstungsbetrieben geht man also davon aus, in Kürze auch wieder an Länder liefern zu dürfen, die am Jemenkrieg beteiligt sind. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, bleibt abzuwarten. Südafrika erklärt ja auch mit der neuen Regelung keinen völligen Verzicht auf die im südafrikanischen Recht vorgesehene Möglichkeit Post-Shipment-Kontrollen durchzuführen. Es wird also darauf ankommen, wie dieser „diplomatische Prozess“ letztlich in die Praxis umgesetzt wird und ob die arabischen Länder mit dieser Regelung leben können und wollen. Dies bleibt insbesondere im Blick auf klassische Verbrauchsgüter eines Krieges wie Munition abzuwarten.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS