Originalbeitrag
6. Januar 2019


X mal zwei – Fregatten für Ägypten als Industriepolitik

von Otfried Nassauer


Peter Altmeier, Wirtschaftsminister und CDU-Politiker, hat zwischen den Jahren seine Pflicht erfüllt. Er ließ den Bundestag darüber informieren, dass die Bundesregierung kurz vor den Feiertagen ein heikles Rüstungsexportgeschäft abschließend und positiv befasst also genehmigt hat. Das autokratisch regierte Ägypten darf mit einer Fregatte des Typs MEKO A200 von ThyssenKrupp Marine Systems (tkms) beliefert werden. Geplant sind mindestens zwei Fregatten, möglicherweise sogar vier. Jede dürfte um die 500 Mio. € kosten, also etwa die Hälfte dessen, was die Schiffe des gleichen Typs für Algerien gekostet haben. Der Hintergrund: Der Preis für Schiffe Ägyptens ist geringer, weil Ausrüstung wie Bordhubschrauber oder Munition nicht Bestandteil des Vertrages sein sollen.

Diese Genehmigung könnte aus zwei Gründen Prostete auslösen. Teile der SPD werden in ihr einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag sehen. Dieser sieht vor, für Staaten, die unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind, keine neuen Rüstungsexportgenehmigungen mehr zu erteilen. Ägypten ist politisch immer noch Teil der von Saudi-Arabien angeführten Koalition und hat sich in der Vergangenheit an der militärischen Intervention im und gegen den Jemen beteiligt. Gegenwärtig ist das scheinbar nicht mehr der Fall. Die Bundesregierung betrachtet offensichtlich nur zwei Länder als "unmittelbar" am Jemenkrieg beteiligt: Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Für die VAE werden derzeit scheinbar keine völlig neuen Genehmigungen mehr erteilt, die Erfüllung bereits bestehender Verträge wird aber nicht behindert. Bei Saudi Arabien hat die Bundesregierung darüber hinaus die Industrie gebeten, auf die Nutzung bestehender Liefergenehmigungen vorläufig zu verzichten. um den Druck auf das Königreich zu erhöhen, seine Verantwortung für die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khaschoggi einzugestehen und diesen aufzuklären. Widerrufen wurden bestehende Genehmigungen aber offenbar nicht. Berlin will die weitere Entwicklung abwarten und die Lage dann noch einmal neu beurteilen.

Der zweite Grund für Proteste ist die autokratische Regierungsführung des Ägyptischen Präsidenten al-Sisi und dessen von erheblichen Menschenrechtsverletzungen begleitete Politik der harten Hand. 

Im Blick auf die zu erwartende Kritik scheint die Bundesregierung auf ein wohlbekanntes Argumentationsmuster zurückzugreifen: Mit Kriegsschiffen werden äußerst selten Menschenrechte verletzt, deswegen gilt für deutsche Rüstungsexportgenehmigen seit Jahrzehnten immer wieder: "Was schwimmt, geht."

Doch die Motive hinter dieser Genehmigung reichen tiefer. Mit den Exporten nach Ägypten kann europäische Industriepolitik, genauer Marineindustriepolitik gemacht werden. Das nordafrikanische Land war in der jüngeren Vergangenheit vor allem Kunde bei der französischen Naval Group, ehemals DCNS. Ägypten kaufte Frankreich zwei ursprünglich für Russland gebaute Hubschrauberträger der Mistral-Klasse ab, erwarb eine technisch abgespeckte Mehrzweck-Fregatte der FREMM-Klasse aus französischen Marinebeständen und bestellte vier 2.500-Tonnen-Korvetten der Gowind-Klasse bei der Naval Group, von denen die erste in Frankreich und die drei weiteren in Alexandria, Ägypten, gebaut werden. Für zwei weitere Schiffe dieses Typs wurde eine Option vereinbart. Tkms hatte bereits bei dieser Ausschreibung größere Schiffe der MEKO A200-Klasse angeboten, war aber nicht zum Zug gekommen. Allerdings kam auch die deutsche Werft seit 2012 mit Ägypten im Geschäft. Sie baut vier U-Boote der Klasse 209/1400, von denen zwei bereits ausgeliefert sind.

Dass Ägypten nunmehr auch MEKO-Fregatten bauen lassen will und deshalb voraussichtlich auf die zwei optionierten Gowind-Korvetten verzichtet, überrascht viele. Wie andere Länder versucht Kairo offenbar auch, seine Rüstungsbeschaffung im Ausland zu diversifizieren, um nicht von einzelnen Staaten und den tagespolitischen Beziehungen mit diesen zu abhängig zu werden. 

Diesbezügliche Befürchtungen könnte Kairo zurecht hegen. Agypten beteiligt sich zwar derzeit nicht mehr offen sichtbar an der Intervention im Jemen, unterstützt aber immer offener in Libyen die Truppen des oppositionellen Generals Chalifa Belqasim Haftar, der die von den Vereinten Nationen unterstützte Regierung in Tripolis stürzen will.

In Frankreich sind die Gerüchte um den möglichen Fregattenkauf Ägyptens deutlich früher ruchbar geworden als in Deutschland. Dort fürchtete man Kairos Verzicht auf die optionierten zusätzlichen Gowind-Korvetten und ein Wiedererstarken des deutschen Konkurrenten tkms, den man bislang in einer Krise wähnte, die die französische Seite hoffte nutzen zu können, um dem Ziel eines europäischen Marinekonzerns, einer Airbus Navale, näher zu kommen, in der die Naval Group stärkster Partner werden sollte.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS