Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
07. Februar 2009


Israelische oder US-amerikanische Drohne?

Tauziehen um die Beschaffung von millionenteuren Aufklärungssystemen für die Luftwaffe

Andreas Flocken

Experten nennen sie einfach nur UAVs. Diese Abkürzung steht für Unmanned Aerial Vehicles, zu Deutsch: unbemannte Luftfahrzeuge. Mancher spricht auch von Drohnen. Für die Streitkräfte sind diese Systeme in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Denn Drohnen gelten als ein ideales Mittel zur Informationsgewinnung vor und während einer Militäroperation. Durch eingebaute Kameras und andere technische Vorrichtungen können beispielsweise Informationen über den Gegner live in Gefechtsstände übertragen werden. Auf diese Weise kann schnell auf sich plötzlich verändernde Situationen reagiert werden.

Systeme wie die US-Drohne Predator sind inzwischen technisch ausgereift. Diese Drohne wird bereits seit einiger Zeit mit Raketen bewaffnet. Dadurch können erkannte Ziele sofort bekämpft werden. Diese weiterentwickelte Aufklärungsdrohne heißt Predator B oder REAPER. Das ferngesteuerte System ist rund 11 m lang, wiegt knapp 5 Tonnen und hat eine Spannweite von ca. 20 Metern. Die US-Streitkräfte setzen dieses Waffensystem seit einiger Zeit vor allem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ein. Dort nehmen die Drohnen Taliban und Al Qaida-Kämpfer ins Visier, die sich auf die pakistanische Seite zurückgezogen haben. In Afghanistan wird das System inzwischen auch von Großbritannien eingesetzt. „Die Drohne unterstützt sehr erfolgreich die Bodentruppen“, so ist zu hören. Vielmehr mag Wing Commander Andy Jeffrey von der Royal Air Force in der Öffentlichkeit allerdings nicht sagen:

O-Ton Jefferey
„I can not comment on specific operations, but I can confirm that the RAF Reaper has used its weapon systems in support of UK-Units on the ground.”

Die Italiener verfügen ebenfalls über amerikanische Predator-Drohnen - allerdings – anders als die Briten – noch als unbewaffnetes Aufklärungssystem. In Kürze sollen sie am Hindukusch eingesetzt werden, um die vor einigen Wochen nach Afghanistan verlegten italienischen Aufklärungs–Tornados zu entlasten.

Der Trend zu unbemannten Flugzeugen ist von der deutschen Luftwaffe lange nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Luftstreitkräfte ignorierten diese Entwicklung. Zu den Gründen der Rüstungskenner Michael Forster vom Internetdienst Geopowers:

O-Ton Forster
„Weil sie halt meistens Piloten sind, haben sie praktisch diese Drohnengeschichte überhaupt nicht richtig ernstgenommen als zukünftige Geschichte. Und damals, das war 1992, hat die DASA eine Studie erarbeitet, wo es um die Frage ging, inwieweit Kampfdrohnen, also unbemannte Flugzeuge mit Bomben und ähnlichem zum Kampfeinsatz geschickt werden können, inwieweit das sozusagen in der Zukunft aufkommen wird... Das heißt, die Drohnengeschichte ist uralt, und diejenigen, die bei der deutschen Luftwaffe Anfang 2000 das Sagen hatten, haben diesen Trend eindeutig verschlafen.“

Das hat sich inzwischen jedoch geändert. Mittlerweile spricht die Luftwaffe von einer Fähigkeitslücke. Die deutsche Luftwaffen-Führung fordert seit geraumer Zeit ebenfalls Drohnen - unbemannte Flugzeuge, die in der Lage sind, mehr als 500 Kilometer tief in Einsatzgebiete einzudringen. Dort sollen sie dann rund 20 Stunden in der Luft bleiben können, um bestimmte Räume aufzuklären oder zu überwachen. SAATEG, heißt dieses Konzept. Die Abkürzung SAATEG steht für „System zur Abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes“.
Die Luftwaffe hat von Anbeginn das modernisierte amerikanische Modell favorisiert, den Predator B, der in der bewaffneten Version REAPER heißt. Für Michael Forster von Geopowers ist nachvollziehbar, warum man die amerikanische Drohne haben möchte:

O-Ton Forster
„Dieses System mit seinem Vorgänger Predator hat praktisch schon soviel Flugstunden richtig im Einsatz geflogen… Das heißt, dieses System ist heute ein total ausgereiftes, funktionierendes, im Einsatz befindliches System….Das heißt, es geht um ein eindeutig einsatzfähiges System, und deshalb wollen die das haben. Und das ist ein leistungsfähiges System.“

Die Luftwaffe möchte für das kommende Jahr fünf Predator-Drohnen mit entsprechenden Bodenstationen beschaffen - als „Anfangsausstattung“, wie es im Bundeswehrplan 2009 heißt. Die Kosten hierfür werden einschließlich Zubehör mit rund 600 Mio. Euro angegeben.

Die Entscheidung über den Kauf der amerikanischen Drohnen erschien bis vor kurzem noch als reine Formsache - zumal sich der US-Hersteller General Atomics mit der deutschen Rüstungsfirma Diehl für dieses Geschäft zusammengetan hat.

Doch im vergangenen Sommer bekam der Predator B überraschend Konkurrenz: Durch eine israelische Drohne. Die Israelis boten zusammen mit Rheinmetall die HERON TP an. Und – sehr zum Kummer der Luftwaffe - sprach sich das in der Bundeswehr für die Rüstung zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz für das israelische Modell aus. Der Rüstungskenner Thomas Meuter:

O-Ton Meuter
„Hier kam man zu dem Ergebnis, dass die Heron TP in ihrer jetzigen angebotenen Version, billiger ist, auf der einen Seite, und ebenso wie die amerikanische Drohne entsprechende Aufwuchsmöglichkeiten besitzt. Technologische Aufwuchsmöglichkeiten, die wir eventuell billiger realisieren können als mit den Amerikanern. Nun muss man also abwägen, Preis-Leistungsverhältnis auf der einen Seite und auf der anderen Seite das einsatzerfahrene System.“

Der Predator wird bereits seit Jahren in Serie produziert. Die israelische Drohne gibt es dagegen zurzeit lediglich als Prototyp. Von gerade einmal drei Systemen ist die Rede. Die Luftwaffe ist daher über die Empfehlung des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung alles andere als begeistert.

Auch Michael Forster vom Internetdienst Geopowers ist skeptisch. Er hält die israelische Heron TP anders als den amerikanischen Predator für technisch noch nicht ausgereift. Eine Beschaffung dieses Waffensystems sei riskant. Trotzdem würde es den Rüstungsexperten aber nicht verwundern, wenn sich das Verteidigungsministerium letztlich doch für die israelische Drohne entscheidet:

O-Ton Forster
„Mein Eindruck ist, dass bei Rüstungsentscheidungen oft nicht die wirkliche technische militärische Geschichte eines Systems entscheidend ist, also die Verwendbarkeit im Einsatz, die schnelle Verwendbarkeit im Einsatz. Es stehen vielmehr technologisch–industrielle Firmen-Gesichtspunkte stärker im Vordergrund. Und das ist nach meinem Dafürhalten wirklich zu kritisieren.“

Bei der Entscheidung über die Beschaffung der Drohnen geht es offensichtlich auch um die Zukunft der deutsch-israelischen Rüstungskooperation. Die möchte vor allem die Regierung in Jerusalem ausbauen und vertiefen. Denn Israel drängt mit seinen Waffensystemen immer stärker auf den europäischen Rüstungsmarkt. Und die Bundeswehr gilt als Referenzkunde. Kaufen die deutschen Streitkräfte Waffensysteme, so werden auch andere Länder nachziehen, so die Erwartung. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Verkauf von zwei hochmodernen deutschen U-Booten an Israel vor rund vier Jahren. Der Rüstungsexperte Thomas Meuter:

O-Ton Meuter
„Die Israelis haben uns gesagt, wenn wir U-Boote nehmen, möchten wir, dass ihr von unserer Industrie ebenfalls Produkte bekommt, die ihr dann, in der Kooperation mit der deutschen Industrie endfertigen und an eure Streitkräfte ausliefern könnt…Die U-Boote sind sehr, sehr teuer gewesen. 500 Mio. pro Stück…Die U-Boote waren der Schlüssel für die israelische Industrie, hier auf dem deutschen Markt anzubieten.“

Die Bundesregierung hatte sich damals zudem bereit erklärt, den Kauf der zwei Dolphin U-Boote durch Israel mit 333 Millionen Euro zu unterstützen. Diese Summe musste aus dem Etat des Verteidigungshaushalts aufgebracht werden. Die israelische Drohne Heron TP könnte also Teil eines Kompensationsgeschäfts für den Kauf deutscher U-Boote durch Israel werden.

Für die Luftwaffe wäre dies allerdings eine falsche Entscheidung. Denn das US-System wird für zuverlässiger und leistungsfähiger als das israelische gehalten. Bei manchem Luftwaffenoffizier mögen da auch Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit eine Rolle spielen. Denn nicht in jedem Fall haben israelische Produkte das gehalten, was man sich von ihnen versprochen hat. Thomas Meuter:

O-Ton Meuter
„Ein Beispiel war hierfür der Störsender Cerberus, der im Tornado-Einsatz war, und sich nicht als die Lösung erwiesen hat, die man sich eigentlich davon versprochen hatte. Es gab also einige Irritationen. Nichts desto trotz haben die Israelis dennoch in anderen Bereichen gute Produkte abgeliefert.“

So sind die Israelis z.B. beim deutschen Heer gut im Geschäft. Die rund 400 neuen Puma-Schützenpanzer sollen mit dem leichten Lenkflugkörper MELLS bewaffnet werden. Erwartungen gibt es auch an die deutsche Marine. In Jerusalem hofft man, die deutschen Seestreitkräfte werden bei den neuen Fregatten auf israelische Lenkwaffen zurückgreifen. Die israelische Rüstungsindustrie drängt also mit Vehemenz auf den europäischen Markt.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.