Israelische oder US-amerikanische Drohne?
Tauziehen um die Beschaffung von millionenteuren Aufklärungssystemen
für die Luftwaffe
Andreas Flocken
Experten nennen sie einfach nur UAVs. Diese Abkürzung steht für
Unmanned Aerial Vehicles, zu Deutsch: unbemannte Luftfahrzeuge. Mancher
spricht auch von Drohnen. Für die Streitkräfte sind diese Systeme
in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Denn Drohnen gelten
als ein ideales Mittel zur Informationsgewinnung vor und während
einer Militäroperation. Durch eingebaute Kameras und andere technische
Vorrichtungen können beispielsweise Informationen über den Gegner
live in Gefechtsstände übertragen werden. Auf diese Weise kann
schnell auf sich plötzlich verändernde Situationen reagiert
werden.
Systeme wie die US-Drohne Predator sind inzwischen technisch ausgereift.
Diese Drohne wird bereits seit einiger Zeit mit Raketen bewaffnet. Dadurch
können erkannte Ziele sofort bekämpft werden. Diese weiterentwickelte
Aufklärungsdrohne heißt Predator B oder REAPER. Das ferngesteuerte
System ist rund 11 m lang, wiegt knapp 5 Tonnen und hat eine Spannweite
von ca. 20 Metern. Die US-Streitkräfte setzen dieses Waffensystem
seit einiger Zeit vor allem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ein.
Dort nehmen die Drohnen Taliban und Al Qaida-Kämpfer ins Visier,
die sich auf die pakistanische Seite zurückgezogen haben. In Afghanistan
wird das System inzwischen auch von Großbritannien eingesetzt. „Die
Drohne unterstützt sehr erfolgreich die Bodentruppen“, so ist zu
hören. Vielmehr mag Wing Commander Andy Jeffrey von der Royal Air
Force in der Öffentlichkeit allerdings nicht sagen:
O-Ton Jefferey
„I can not comment on specific operations, but I can confirm that the
RAF Reaper has used its weapon systems in support of UK-Units on the
ground.”
Die Italiener verfügen ebenfalls über amerikanische Predator-Drohnen
- allerdings – anders als die Briten – noch als unbewaffnetes Aufklärungssystem.
In Kürze sollen sie am Hindukusch eingesetzt werden, um die vor einigen
Wochen nach Afghanistan verlegten italienischen Aufklärungs–Tornados
zu entlasten.
Der Trend zu unbemannten Flugzeugen ist von der deutschen Luftwaffe lange
nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Luftstreitkräfte ignorierten
diese Entwicklung. Zu den Gründen der Rüstungskenner Michael
Forster vom Internetdienst Geopowers:
O-Ton Forster
„Weil sie halt meistens Piloten sind, haben sie praktisch diese Drohnengeschichte
überhaupt nicht richtig ernstgenommen als zukünftige Geschichte.
Und damals, das war 1992, hat die DASA eine Studie erarbeitet, wo es
um die Frage ging, inwieweit Kampfdrohnen, also unbemannte Flugzeuge
mit Bomben und ähnlichem zum Kampfeinsatz geschickt werden können,
inwieweit das sozusagen in der Zukunft aufkommen wird... Das heißt,
die Drohnengeschichte ist uralt, und diejenigen, die bei der deutschen
Luftwaffe Anfang 2000 das Sagen hatten, haben diesen Trend eindeutig
verschlafen.“
Das hat sich inzwischen jedoch geändert. Mittlerweile spricht die
Luftwaffe von einer Fähigkeitslücke. Die deutsche Luftwaffen-Führung
fordert seit geraumer Zeit ebenfalls Drohnen - unbemannte Flugzeuge, die
in der Lage sind, mehr als 500 Kilometer tief in Einsatzgebiete einzudringen.
Dort sollen sie dann rund 20 Stunden in der Luft bleiben können,
um bestimmte Räume aufzuklären oder zu überwachen. SAATEG,
heißt dieses Konzept. Die Abkürzung SAATEG steht für „System
zur Abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes“.
Die Luftwaffe hat von Anbeginn das modernisierte amerikanische Modell
favorisiert, den Predator B, der in der bewaffneten Version REAPER heißt.
Für Michael Forster von Geopowers ist nachvollziehbar, warum man
die amerikanische Drohne haben möchte:
O-Ton Forster
„Dieses System mit seinem Vorgänger Predator hat praktisch schon
soviel Flugstunden richtig im Einsatz geflogen… Das heißt, dieses
System ist heute ein total ausgereiftes, funktionierendes, im Einsatz
befindliches System….Das heißt, es geht um ein eindeutig einsatzfähiges
System, und deshalb wollen die das haben. Und das ist ein leistungsfähiges
System.“
Die Luftwaffe möchte für das kommende Jahr fünf Predator-Drohnen
mit entsprechenden Bodenstationen beschaffen - als „Anfangsausstattung“,
wie es im Bundeswehrplan 2009 heißt. Die Kosten hierfür werden
einschließlich Zubehör mit rund 600 Mio. Euro angegeben.
Die Entscheidung über den Kauf der amerikanischen Drohnen erschien
bis vor kurzem noch als reine Formsache - zumal sich der US-Hersteller
General Atomics mit der deutschen Rüstungsfirma Diehl für dieses
Geschäft zusammengetan hat.
Doch im vergangenen Sommer bekam der Predator B überraschend Konkurrenz:
Durch eine israelische Drohne. Die Israelis boten zusammen mit Rheinmetall
die HERON TP an. Und – sehr zum Kummer der Luftwaffe - sprach sich das
in der Bundeswehr für die Rüstung zuständige Bundesamt
für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz für das israelische
Modell aus. Der Rüstungskenner Thomas Meuter:
O-Ton Meuter
„Hier kam man zu dem Ergebnis, dass die Heron TP in ihrer jetzigen angebotenen
Version, billiger ist, auf der einen Seite, und ebenso wie die amerikanische
Drohne entsprechende Aufwuchsmöglichkeiten besitzt. Technologische
Aufwuchsmöglichkeiten, die wir eventuell billiger realisieren können
als mit den Amerikanern. Nun muss man also abwägen, Preis-Leistungsverhältnis
auf der einen Seite und auf der anderen Seite das einsatzerfahrene System.“
Der Predator wird bereits seit Jahren in Serie produziert. Die israelische
Drohne gibt es dagegen zurzeit lediglich als Prototyp. Von gerade einmal
drei Systemen ist die Rede. Die Luftwaffe ist daher über die Empfehlung
des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung alles andere als
begeistert.
Auch Michael Forster vom Internetdienst Geopowers ist skeptisch. Er hält
die israelische Heron TP anders als den amerikanischen Predator für
technisch noch nicht ausgereift. Eine Beschaffung dieses Waffensystems
sei riskant. Trotzdem würde es den Rüstungsexperten aber nicht
verwundern, wenn sich das Verteidigungsministerium letztlich doch für
die israelische Drohne entscheidet:
O-Ton Forster
„Mein Eindruck ist, dass bei Rüstungsentscheidungen oft nicht die
wirkliche technische militärische Geschichte eines Systems entscheidend
ist, also die Verwendbarkeit im Einsatz, die schnelle Verwendbarkeit
im Einsatz. Es stehen vielmehr technologisch–industrielle Firmen-Gesichtspunkte
stärker im Vordergrund. Und das ist nach meinem Dafürhalten
wirklich zu kritisieren.“
Bei der Entscheidung über die Beschaffung der Drohnen geht es offensichtlich
auch um die Zukunft der deutsch-israelischen Rüstungskooperation.
Die möchte vor allem die Regierung in Jerusalem ausbauen und vertiefen.
Denn Israel drängt mit seinen Waffensystemen immer stärker auf
den europäischen Rüstungsmarkt. Und die Bundeswehr gilt als
Referenzkunde. Kaufen die deutschen Streitkräfte Waffensysteme, so
werden auch andere Länder nachziehen, so die Erwartung. Eine wichtige
Rolle spielt dabei der Verkauf von zwei hochmodernen deutschen U-Booten
an Israel vor rund vier Jahren. Der Rüstungsexperte Thomas Meuter:
O-Ton Meuter
„Die Israelis haben uns gesagt, wenn wir U-Boote nehmen, möchten
wir, dass ihr von unserer Industrie ebenfalls Produkte bekommt, die
ihr dann, in der Kooperation mit der deutschen Industrie endfertigen
und an eure Streitkräfte ausliefern könnt…Die U-Boote sind
sehr, sehr teuer gewesen. 500 Mio. pro Stück…Die U-Boote waren
der Schlüssel für die israelische Industrie, hier auf dem
deutschen Markt anzubieten.“
Die Bundesregierung hatte sich damals zudem bereit erklärt, den
Kauf der zwei Dolphin U-Boote durch Israel mit 333 Millionen Euro zu unterstützen.
Diese Summe musste aus dem Etat des Verteidigungshaushalts aufgebracht
werden. Die israelische Drohne Heron TP könnte also Teil eines Kompensationsgeschäfts
für den Kauf deutscher U-Boote durch Israel werden.
Für die Luftwaffe wäre dies allerdings eine falsche Entscheidung.
Denn das US-System wird für zuverlässiger und leistungsfähiger
als das israelische gehalten. Bei manchem Luftwaffenoffizier mögen
da auch Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit eine Rolle spielen.
Denn nicht in jedem Fall haben israelische Produkte das gehalten, was
man sich von ihnen versprochen hat. Thomas Meuter:
O-Ton Meuter
„Ein Beispiel war hierfür der Störsender Cerberus, der im
Tornado-Einsatz war, und sich nicht als die Lösung erwiesen hat,
die man sich eigentlich davon versprochen hatte. Es gab also einige
Irritationen. Nichts desto trotz haben die Israelis dennoch in anderen
Bereichen gute Produkte abgeliefert.“
So sind die Israelis z.B. beim deutschen Heer gut im Geschäft. Die
rund 400 neuen Puma-Schützenpanzer sollen mit dem leichten Lenkflugkörper
MELLS bewaffnet werden. Erwartungen gibt es auch an die deutsche Marine.
In Jerusalem hofft man, die deutschen Seestreitkräfte werden bei
den neuen Fregatten auf israelische Lenkwaffen zurückgreifen. Die
israelische Rüstungsindustrie drängt also mit Vehemenz auf den
europäischen Markt.

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte
und Strategien" bei NDRinfo.
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