Buchbeitrag
Februar 2010


Besondere Beziehungen
Die deutsch-israelische Rüstungskooperation

von Otfried Nassauer

Vier Merkmale prägen die Rüstungszusammenarbeit Deutschlands mit Israel. Weitgehende Geheimhaltung, der Nutzen auf Gegenseitigkeit, Kontinuität auch in schwierigsten Zeiten über Jahrzehnte und die finanzielle Unterstützung Israels durch Geschäfte, die Israels Deviseneinkommen vergrößer(te)n. Konvertierbare Währungen waren in Israel zu fast jeder Zeit sehr knapp. Die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit begann Mitte der fünfziger Jahre und ist somit rund zehn Jahre älter als die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Bis heute ist sie nicht vollständig erforscht, sodass immer noch neue Beispiele bekannt werden. Vor allem dann, wenn im Nahen Osten wieder einmal gekämpft wird – so, wie 1991 während des Golfkrieges, 2006 im Süden des Libanon und um den Jahreswechsel 2008/09 im Gazastreifen. [ 1 ]


Volltreffer für den Merkava - Ein Beispiel von vielen

Günther Hillinger (Name geändert) hatte ein Problem. Der altgediente Ingenieur des AEG-Werks in Wedel hatte es schlicht am schwarzen Brett gefunden. Per Hausmitteilung wurden er und seine Kollegen angewiesen: "Betrifft: LTDS-Hardware / Fertigungsunterlagen: Auf allen Einzelteilen (…) darf kein "AEG" Zeichen vorhanden sein. Falls für die Prototypen bereits Hardware mit AEG-Zeichen vorhanden ist, so ist dieses Zeichen vor der Auslieferung der Geräte zu entfernen." Das war 1986.

Das LTDS ist ein Prunkstück deutscher Ingenieurskunst und verantwortlich dafür, dass der Kampfpanzer "Leopard 2" besser schießt und trifft als alle Konkurrenten. Selbst bei voller Fahrt und im holprigen Gelände sorgt es dafür, dass die Kanone genau auf das angepeilte Ziel gerichtet bleibt. Es stabilisiert den Panzerturm und führt ihn präzise nach. Der "Leopard 2" kann also schießen und treffen, wo manch anderer Panzer nur noch Luftlöcher produzieren würde.

Die Prototypen und die Fertigungsunterlagen lagen zur Ablieferung bereit. Das Problem war der Empfänger: Der saß in Israel und arbeitete ebenfalls an einem neuen Kampfpanzer, dem "Merkava 3". Mittels der Prototypen und der Fertigungsunterlagen, so wusste Hillinger, wäre es den Israelis möglich, das LTDS nachzubauen und für den "Merkava" anzupassen.

Sollte man Israel mit einer so heiklen Lieferung modernster Rüstungstechnik helfen? War die Lieferung überhaupt legal und genehmigt? Warum mussten alle AEG-Logos entfernt werden? Sollte die Herkunft verschleiert werden?

Günther Hillinger plagte das Gewissen. Nur vier Jahre zuvor hatte Israel unter militärischer Führung von Verteidigungsminister Ariel Scharon einen blutigen Feldzug in den Libanon unternommen, um die PLO auszuschalten und eine Israel wohlgesonnene Regierung zu installieren. Noch immer hielt Israel die südlichen Teile des Nachbarlandes besetzt und noch immer kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Jetzt meist mit der schiitischen Hisbollah-Miliz, die sich im besetzten Süden gebildet hatte, um Widerstand gegen die Besatzung zu leisten. Noch bevor Hillinger einen ungefährlichen Weg in die Öffentlichkeit fand, wurden die Geräte abgeholt.

Heute finden sich das LTDS und dessen Weiterentwicklung „Geadrive“ in den "Merkava 3"- und "Merkava 4"-Panzern der israelischen Armee, die 2006 erneut in den Südlibanon einrollten und auch 2009 im Gazastreifen zum Einsatz kamen. Israel behauptet, es handle sich um eine Eigenentwicklung, die in Israel hergestellt werde. Doch die Anweisung am schwarzen Brett der AEG sprach eine andere Sprache: Für den Export nach Israel lagen nicht nur einige LTDS bereit, sondern auch die nötigen Unterlagen, um die Geräte in Israel herstellen zu können.

Eine ungewöhnlicher Vorgang? Nicht für die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit. Für diese war er eher symptomatisch. Auch die Technologie der 120-Millimeter-Glattrohrkanone des "Leopard 2" fand auf verschlungenen Pfaden ihren Weg in israelische Merkava-Panzer. Ob direkt aus den Werkstätten des Herstellers, Rheinmetall, oder über die amerikanische Lizenzproduktion, ist noch unbekannt. Auch hier spricht Israel von einer Eigenentwicklung. Ebenso wie bei der Panzerung, bei der es eine Kooperation mit dem deutschen Ingenieurbüro IDB-Deisenroth gab.

Offener wird über andere deutsche Komponenten in den Merkavas geredet. Die Panzergetriebe werden von der Augsburger Renk AG geliefert. Die Motoren wurden von MTU entwickelt und bei einem amerikanischen Lizenznehmer aus den Einzelteilen zusammengebaut. Von dort gelangten sie nach Israel. Das ist vorteilhaft für Israel. Denn für Lieferungen amerikanischer Generalunternehmer kann der devisenknappe Staat mit US-amerikanischer Militärhilfe zahlen.


Älter als die diplomatischen Beziehungen – eine kurze Geschichte

Bereits Mitte der 50er Jahre baute die deutsche Jacht-& Bootswerft Burmester zwei Patrouillenboote und schickte sie auf die Reise nach Israel. Die Arbeit hatte wohl schon begonnen als die Herstellung von Rüstungsgütern der jungen Bundesrepublik Deutschland als Folge des verlorenen 2. Weltkriegs eigentlich noch untersagt war. Geliefert wurde, obwohl Israel und Ägypten 1956 Krieg führten. Bis zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel sollte es noch fast ein weiteres Jahrzehnt dauern. Deutlicher kann es kaum werden: Die deutsch-israelischen Beziehungen sind nicht nur besondere, sie sind auch von vielen Besonderheiten geprägt.

Beide Staaten wollten in den 50er-Jahren so schnell wie möglich schlagkräftige Armeen und eigene rüstungswirtschaftliche Kapazitäten aufbauen. Israel hatte zudem ein Interesse an einem günstigen, zuverlässigen und seiner Existenz verpflichteten Lieferanten. Die junge Bundesrepublik verstand sich als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches und damit Hitlerdeutschlands. Sie befand und verstand sich deshalb aufgrund des Holocaust tief in Israels Schuld. Öffentlich werden durfte eine Kooperation beider Ländern dagegen nicht. Vorrangig, weil es innenpolitisch in beiden Staaten damals kaum zu vermitteln gewesen wäre, aber auch, weil es für die Bundesrepublik außenpolitisch zu großen Problemen hätte führen können.

Bereits 1958 vereinbarten die Minister Shimon Peres und Franz Josef Strauß eine weitergehende Kooperation. Deutschland belieferte Israel mit Überschusswaffen aus Wehrmachtsbeständen und amerikanischen Rüstungsgütern, die zuvor als Aufbauhilfen für die Bundeswehr übergeben worden waren. Während des ersten Treffens zwischen Bundeskanzler Adenauer und Ben Gurion 1960 in New York wurde über weitere Unterstützungsmöglichkeiten gesprochen. Verhandlungen führten 1962 zu einer geheimen Vereinbarung, der zufolge die Bundesrepublik Israel bis 1964 unter anderem Sikorsky Hubschrauber, Noratlas-Transportflugzeuge, Fouga-Magister Trainingsflugzeuge, umgebaute M48-Panzer und vieles andere mehr, teils direkt und teils über Drittländer lieferte. Die Bundeswehr führte ihrerseits bereits ab 1959 israelische Maschinenpistolen des Typs Uzi unter der Bezeichnung MP2 als Standardwaffe ein. Zudem belieferte Israel die Bundesrepublik bald auch mit Mörsern und Munition aus der Produktion der israelischen Firma Soltam. Dies wiederum verhalf Israel zu Deviseneinnahmen, die für den jungen Staat überlebenswichtig waren.

Die Rüstungshilfe auf Gegenseitigkeit funktionierte gut bis sie bekannt wurde. Als 1958 öffentlich wurde, dass Israel der Bundeswehr Uzi-Maschinenpistolen und Mörsermunition lieferte, trug dies dazu bei, dass die Regierung Ben Gurion zurücktreten musste. Als die deutschen Lieferungen an Israel öffentlich wurden, brach ein Teil der arabischen Staaten 1965 die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik ab, als diese offizielle Beziehungen zu Israel aufnahm. Sie drohten mit der Anerkennung der DDR. Die Bundesregierung musste einen diplomatischen Ausweg finden. Kriegswaffen, so die Schlussfolgerung, sollten künftig an keinen der potentiellen Kriegsgegner im Nahen Osten mehr geliefert werden. Für sonstige Rüstungsgüter sollte bei Lieferungen der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten. Das sollte die arabischen Länder besänftigen, in die Firmen aus der Bundesrepublik ja ebenfalls Rüstungsgüter lieferten.

Doch auch Israel hatte einen Pfeil im Köcher. Es forderte ein Ende der deutsch-ägyptischen Rüstungszusammenarbeit, speziell der Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Raketen. Ebenfalls ein äußerst heikles Thema. Ludwig Erhard entsandte als Teil seiner Lösungsstrategie den Thyssen-Manager Kurt Birrenbach als "Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen" nach Israel. Die langwierigen Verhandlungen führten zu zwei Ergebnissen: Israel erhielt 140 Millionen DM, um Waffen, die die Bundesrepublik nun nicht mehr liefern konnte, anderweitig zu beschaffen und die Zusage, dass Bonn den Bau von sechs bereits konzipierten Lürssen-Schnellbooten in Frankreich bezahlen und technisch unterstützen werde. Zudem wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Die Rüstungskooperation bekam also nachträglich eine Katalysatorfunktion für die Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

Trotzdem waren die Nachwehen dieses Konfliktes weiterhin zu spüren. Er hatte tiefes Misstrauen gesät: So forderte beispielsweise Jordanien 1968 von der Bundesregierung Aufklärung, warum die israelischen Streitkräfte während des Krieges 1967 über deutsche Panzerabwehraketen des Typs Cobra verfügten. Interne Klärungsversuche in Deutschland ergaben, dass 1.600 dieser begehrten Waffen bereits 1962/63 von der bayerischen Herstellerfirma Bölkow an Israel geliefert worden waren. Wie auch in anderen Fällen fühlte sich das Auswärtige Amt, das deutsche Rüstungslieferungen nach Israel noch bis Ende 1964 dementiert hatte, vom Verteidigungsministerium „nicht oder nicht hinreichend informiert“.

Als Konsequenz aus der Krise wurde die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit also neu strukturiert, nicht aber beendet. Wünschte Israel Kriegswaffen, die die Bundesrepublik nun nicht mehr zu liefern vermochte, so wurden diese des öfteren über komplexe Umwege geliefert, die es Bonn erlaubten, das Gesicht seiner deklaratorischen Politik zu wahren. Drei U-Boote des Typs Gal wurden in den 70er Jahren nach deutschen Plänen und mit Hilfe deutscher Ingenieure bei Vickers in Großbritannien gebaut und zu Teilen von der Bundesrepublik bezahlt. Obwohl das Auswärtige Amt eine deutsche Mitwirkung an dem Vorhaben untersagen wollte, wurden die Baupläne durch das Ingenieurkontor Lübeck ohne Ausfuhrgenehmigung nach Großbritannien verbracht und das Auswärtige Amt erst später um nachträgliche Genehmigung gebeten. Schnellboote für Israel wurden unter Nutzung deutscher Komponenten in Frankreich "endmontiert".

Zudem gewannen nun Lieferungen „sonstiger Rüstungsgüter“ (z.B. Funk-, Navigations-, Peil- und Radartechnik oder z.B. Kreiselkompasse der Freiburger Firma LITEF) und deutscher Komponenten für Kriegswaffen an Bedeutung. Diese mussten nur nach dem Außenwirtschaftsgesetzt genehmigt werden. Manche begehrten Komponenten konnten sogar genehmigungsfrei geliefert werden, weil sie – wie beispielsweise Maybach/MTU-Motoren für israelische Schnellboote – als zivile Güter bewertet wurden.

Auch die für Israel bedeutsame – weil Devisen einbringende - Belieferung der Bundeswehr wurde beibehalten. So durfte die Schwarzwälder Firma Junghans auch weiterhin Jahr für Jahr große Mengen Zünder nach Israel liefern, damit diese in Mörsergranaten für die Bundeswehr eingebaut und nach Deutschland zurückgeliefert werden konnten. Später kamen andere Munitionstypen größeren Kalibers hinzu. Von 1977 bis 1991 flossen für Munitionslieferungen aus Israel rund 1,3 Milliarden DM nach Israel. Geliefert wurden u.a. auch 155mm Artilleriegeschosse des Typs DM632 mit Streumunitionen, die inzwischen völkerrechtlich verboten wurden. Das für Israel devisenbringende Geschäft mit israelischen Mörsergranaten mit deutschen Zündern wurde frühzeitig erweitert. Schon 1965 wollte Israel Zünder importieren, die für kleinere Lieferungen an afrikanische Staaten wie Ghana, Uganda und Kenia bestimmt waren. Waren sie erst einmal im Grundsatz genehmigt, nahmen solche Exportgeschäfte bald substantiellen Umfang an. So sollte Singapur nach der Unabhängigkeit etwa 165.000 Granaten für den Aufbau seiner Streitkräfte erhalten, und für den Weiterexport an den Iran summierten sich die beantragten Genehmigungen nach derzeitigem Wissen auf insgesamt fast 700.000 Zünder.

Auch Israel ließ aus der Zusammenarbeit unter neuen Rahmenbedingungen keine Einbahnstraße werden. Es offerierte eine für die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie sehr wertvolle Kooperation: Die Auswertung sowjetischer Waffentechnologie, die während der Nahostkriege erbeutet oder auf dunklen Kanälen beschafft worden war. Bis weit in die 80er Jahre stellte Israel der Bundesrepublik Beutewaffen und Auswertungsberichte über Rüstungsgüter sowjetischer Bauart zur Verfügung. Ein frühes Beispiel ermöglichte der Mossad, dem es im August 1966 gelang, einen irakischen MIG-21-Piloten zur Flucht mit seinem Flugzeug nach Israel zu bewegen. Der BND erhielt die Auswertungsergebnisse der Testflüge in Israel und konnte das Flugzeug in Israel begutachten. Die Kriege 1967, 1973 und 1982 sorgten für immer neuen Nachschub an Waffen sowjetischer Bauart. Die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie profitierten erheblich. Denn die Erkenntnisse wurden für die Planung und Entwicklung deutscher Waffen benutzt: Sowjetische T-62-Panzer und BMP-1-Schützenpanzer standen Pate, als der Leopard-Panzer und der Schützenpanzer Marder entwickelt wurden. Noch 1991 sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willi Wimmer, über diese Form der Zusammenarbeit: "Wir haben daraus großen Nutzen gezogen."

Technische Fortschritte, die bundesdeutsche Rüstungsfirmen in der Folge machten, wurden wiederum oft auch in Israel genutzt. Israelische Rüstungsunternehmen übernahmen in den 70er- und 80er-Jahren wesentliche Neuentwicklungen, die sie heute zum Teil als Eigenentwicklungen erachten. Die eingangs erwähnten deutschen Technologiekomponenten für die Merkava-Panzer verdeutlichen dies.

Kontinuität herrschte auch im Blick auf die Geheimhaltung des wahren Umfangs der deutsch-israelischen Zusammenarbeit. Beide Seiten betrachteten die Kooperation über kurze und informelle Wege von Anfang an als beste Strategie. Noch 1991 hielt das Bundesministerium der Verteidigung fest: "Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Israel ist es ständige Praxis aller Regierungen gewesen, diese Kooperation möglichst wenig öffentlich zu gestalten oder zu formalisieren." Das minimierte den Einfluss öffentlicher Kontroversen in beiden Staaten und zugleich das Risiko, die Beziehungen zu den arabischen Staaten erneut zu belasten.

Auf der Strecke blieb damit allerdings die parlamentarische und die demokratische Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Selbst das Auswärtige Amt war bis in die 70er Jahre (und vielleicht auch darüber hinaus) oft nicht im Detail darüber im Bilde, welche Kooperationen das Verteidigungsministerium mit Tel Aviv verfolgte. Noch 1973 gab es dem damaligen Bundeskanzler, Willy Brandt, anlässlich seiner Reise nach Israel die Fehlinformation mit, dass die Bundesrepublik bis 1965 aus Israel keine Rüstungsgüter bezogen habe und es auch weiterhin keine „erheblichen Importe“ gebe.

Bis in die neunziger Jahre wurde die Abwicklung bedeutender Kooperationsvorhaben meist über den Bundesnachrichtendienst und den Mossad koordiniert bzw. abgewickelt. Das zeigte sich wiederholt an skandalträchtigen Beispielen: So ließ die Bundeswehr in Kooperation mit Israel seit 1972 Störsendertechnik für Jagdbomber in Israel entwickeln. [ 2 ] Zu diesem Vorhaben – zunächst „Cerberus“, später TSPJ genannt - hatte selbst im Verteidigungsministerium nur Zugang, wer das zugehörige Codewort „Caligula“ kannte. Der Bundestag wurde über Jahre gar nicht informiert, obwohl es sich letztlich um ein Milliardenprojekt handeln sollte, das man aber in dem riesigen Haushalt für den Tornado zu verstecken gedachte. In einer ebenfalls geheimen Operation revanchierte sich die Bundesrepublik zu Beginn der 90er Jahre auch in Sachen Auswertung sowjetischer Rüstungstechnik. BND und Bundeswehr stellten Israel 1990/91 aus Beständen der übernommenen NVA mindestens 13 Lieferungen "land- und forstwirtschaftlichen Geräts" zur Verfügung, das sich bei der Überprüfung einer der Lieferungen im Hamburger Hafen als moderne Rüstungstechnik entpuppte, zu der u.a. auch Luft-Luft-, Luft-Boden-, Boden-Boden-Raketen, ein „Ersatzteilpaket“ des Panzers T-72 und ein MIG 29 Radar gehört hatten. Sowohl das Auswärtige Amt als auch der Bundestag hatten zuvor keine Kenntnis von diesen Lieferungen. Der Bundessicherheitsrat soll solche Lieferungen im Februar 1991 sogar explizit abgelehnt haben. [ 3 ]


Vom Patrouillenboot zum Dolphin – Die Maritime Komponente

"Was schwimmt, geht" - so lautet ein Diktum, das Hans-Dietrich Genscher, dem langjährigen Außenminister der Bundesrepublik, zugeschrieben wird. Es gilt offensichtlich auch im Blick auf Israel. Was mit der Lieferung von Patrouillenbooten Mitte der 50er Jahre begann, hat bis zum heutigen Tag immer wieder seine Fortsetzungen gefunden. In den späten 60er und 70er Jahren sind die auf Umwegen gelieferten GAL-U-Boote und die aus Cherbourg in Frankreich nach Israel entführten „Lürssen-Schnellboote“ die Beispiele. In vielen Kriegsschiffen, die in Israel für den Eigenbedarf und den Export gebaut wurden, kommen deutsche Komponenten zum Einsatz. So befand sich zum Beispiel in der "Saar 5 Korvette", die während der Seeblockade vor der libanesischen Küste 2006 von einem Seezielflugkörper der Hisbollah getroffen wurde, ein Motor von MTU. Motoren derselben Firma stecken auch in den israelischen Schnellboote der Typen „Shaldag“, „Super Dvora Mk2" und der grade in der Erprobung befindlichen "Super Dvora Mk3“ sowie in den Korvetten der Klasse "Saar 4.5".

„Was schwimmt, ging schon immer!“ Daran mag auch Bundeskanzler Helmut Kohl gedacht haben, als der irakische Diktator Saddam Hussein während des Golfkrieges 1990/91 mit technischer Hilfe deutscher Firmen leistungsgesteigerte Scud-Raketen auf Israel abfeuerte. Angesichts des verheerenden Dreiklangs "Deutsche Raketentechnik, Giftgas, Israel" geriet Bonn aus Tel Aviv und Washington schnell unter Druck. Kohl persönlich versprach Israel militärische Unterstützung. Unverzüglich lieferte Deutschland einige ABC-Spürfahrzeuge des Typs Fuchs und eine Patriot-Luftabwehrbatterie als Leihgabe nach Israel. Doch damit nicht genug, denn die Bundesregierung wich auch von ihrer seit 1965 praktizierten Waffenexportpolitik ab und versprach Israel erstmals wieder komplette Kriegswaffen. Zwei U-Boote des Typs Dolphin sollten kostenlos geliefert werden. Der Vertrag über diese U-Boote wurde 1991 geschlossen und enthielt die Option auf ein drittes Boot, an dessen Finanzierung sich die Bundesrepublik anlässlich der Ausübung der Option 1994 ebenfalls zur Hälfte beteiligte, sodass der deutsche Kostenbeitrag die Milliardengrenze erreichte.

Der israelischen Marine wurde damit ein lange gehegter Wunsch erfüllt. Sie hatte als Nachfolger für ihre drei GAL-U-Boote eine Flotte von fünf größeren U-Booten gefordert. Diese sollten einer Verdrängung von etwa 1.500 Tonnen haben, eine Reichweite, die das ganze Mittelmeer abdecken könnte und möglichst vielseitigen einsetzbar sein. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den GAL-U-Booten hatte sich Israel bereits Mitte der 80er Jahre an das Konstruktionsbüro der GAL-Boote, das Ingenieurkontor-Lübeck, IKL, und die Howaldts-Deutsche Werft AG gewandt. Ab 1986 wurde in Lübeck, Kiel und Bremen unter der Projektbezeichnung IKL800 eine neue U-Boot-Klasse für Israel entwickelt. Das Vorhaben wurde nur zufällig öffentlich bekannt, weil ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages potentiell illegale U-Boot-Zulieferungen an das unter Embargo stehende Apartheidsregime in Südafrika untersuchte und dabei auf das Projekt stieß. Israel bezahlte die konstruktive Entwicklung der neuen U-Boote selbst und erwarb damit auch Technologierechte, doch die Finanzierung des Baus erwies sich als schwierig. Mitte 1988 begannen Planungen, Gelder aus der US-Militärhilfe für diesen Zweck zu verwenden und die neuen U-Boote bei der US-Werft Ingalls Shipbuilding aus in Deutschland vorproduzierten Sektionen zusammenzubauen. Washington erklärte sich 1989 bereit, dafür bis zu 600 Mio. US-Dollar bereitzustellen, Israel aber konnte seinen eigenen Anteil an der Finanzierung nicht erbringen, sodass das schon vertraglich vereinbarte Vorhaben im November 1990 zunächst gestoppt wurde. Die Entwicklungsarbeiten wurden aber weitergeführt, bis der Golfkrieg schon wenige Monate später die Option auf eine umfassende Finanzhilfe aus der Bundesrepublik eröffnete.

Noch während der Bauzeit stellte sich heraus, dass die Dolphin-U-Boote für Israel mit einer technischen Besonderheit ausgestattet waren. Sie besitzen Torpedorohre unterschiedlicher Größe. Sechs Rohre haben den Standard-Durchmesser von 533 Millimetern und vier einen Durchmesser von 650 Millimetern. Da die Bundesregierung auf eine Anfragen im Bundestag lediglich erklärte, dass aus den großen Rohren US-amerikanische Kurzstrecken-Raketen des Typs Sub-Harpoon verschossen werden sollen, für die aber auch die kleinen Rohre ausreichend gewesen wären, entwickelte sich schon bald eine Diskussion über Sinn und Zweck der großen Torpedorohre. Da diese Rohre für den Abschuss von Raketen ausgelegt sind und lediglich durch leicht herausnehmbare Metallschienen, sogenannte Liner, auf den Standarddurchmesser von 533mm verengt wurden, entstand die Vermutung Israel wolle auch größere weitreichende Marschflugkörper aus diesen Rohren abschießen. Ausgangspunkt dieser Vermutung waren Israels zuvor abgelehnter Wunsch, aus den USA Marschflugkörper des Typs Tomahawk zu beziehen und Meldungen, dass die Dolphin U-Boote nach ihrer Auslieferung an Israel 1999 und 2000 noch erheblich umgebaut wurden. Als amerikanische Quellen zudem einen erfolgreichen Test eines israelischen Marschflugkörpers mit 1000-1500 km Reichweite von Bord eines U-Bootes vor Sri Lanka meldeten, gingen viele Analytiker davon aus, Israel wolle seine atomare Abschreckung künftig um seegestützte Nuklearwaffen größerer Reichweite ergänzen, um unverwundbar zu machen. Auch deshalb seien die deutschen U-Boote gleich nach ihrer Ankunft in Israel erneut und aufwändig umgebaut worden. Israel selbst beschrieb seine Dolphin-U-Boote in der Folge wiederholt als Teil seines strategischen Potentials – ein Begriff mit dem die „unerklärte Nuklearmacht“ Israel gelegentlich daran erinnert, dass es Nuklearwaffen besitzen könnte. Obwohl heute sehr oft davon ausgegangen wird, dass Israel bereits über seegestützte Nuklearwaffen an Bord seiner Dolphin-U-Boote verfügt, kann dies noch nicht als gesichert gelten, da eindeutige Belege und Beweise immer noch fehlen.

Das Umfeld des heraufziehenden Krieges gegen den Irak bot Israel 2002/03 die Gelegenheit, sich um weitere Dolphin-U-Boote zu bemühen. Diese sollen über den neuartigen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb aus deutscher Entwicklung verfügen. Mit ihm können konventionell angetriebene U-Boote viel weiter fahren und deutlich länger tauchen als herkömmliche Boote. Vier Wochen ununterbrochener Tauchfahrt hält die Herstellerwerft, HDW, für möglich. Zudem sind diese U-Boote erheblich schwerer zu entdecken als konventionell angetriebene Diesel-U-Boote und viel flexibler einsetzbar. Die israelische Marine könnte solche U-Boote gut gebrauchen, wenn sie künftig verstärkt im Arabischen Meer und im Indischen Ozean kreuzen will – in Seegebieten also, die viel größer sind als das Mittelmeer. Dort liegen jene Staaten, die Israel schon heute sicherheitspolitisch die größten Sorgen machen: Die islamische Atommacht Pakistan und nicht zuletzt der Iran, dem Israel unterstellt, intensiv an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten, und dem es mit dieser Begründung in den letzten Jahren wiederholt mit einem militärischen Präventivschlag gegen seine Nuklearanlagen gedroht hat.

Erneut war die Finanzierungsfrage die entscheidende Hürde. Zwar konnte sich Israel auf Bundeskanzler Schröder berufen, der 2002 während der Irakkrise für die rot-grüne Bundesregierung festhielt: „Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.“ Aber Schröder hatte weder eine finanzielle Hilfszusage gegeben noch war Israel während des Irakkrieges erneut mit irakischen Raketen beschossen worden. Es fehlte also ein aktuelles Druckmittel, um Berlin zu schnellen finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen. Diese deutete erstmals Verteidigungsminister Peter Struck am 9. September 2004 gegenüber dem Handelsblatt an: "Die israelische Regierung will zwei neue U-Boote kaufen sowie die drei bereits genutzten modernisieren. Wir sind selbstverständlich bereit, Israel beim Erwerb zu helfen und zu unterstützen." Auch erneute finanzielle Hilfe schloss er nicht grundsätzlich aus. Sie sei zwar "aus dem Verteidigungsetat...unmöglich", aber man wolle "zusammen mit dem Wirtschaftsministerium prüfen, welche Instrumente das Geschäft ermöglichen können." Ein Jahr später war die Lösung gefunden. Israel bestellte für etwa eine Milliarde € zwei weitere Dolphin-U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb, optionierte ein sechstes Boot und stellte die Modernisierung der vorhandenen Dolphin-Boote scheinbar vorerst zurück. Ein Drittel der Kosten, bis zu 330 Millionen €uro, sollen aus dem Einzelplan 60 des deutschen Finanzministeriums beigesteuert werden. Ein zweites Drittel soll finanziert werden, indem Israel Rüstungsgüter an die Bundeswehr liefert. Das letzte Drittel will Israel selbst bezahlen. Das Hauptproblem Jerusalems, die ausreichende Verfügbarkeit konvertierbarer Währungen wurde somit begrenzt. Unterzeichnet wurde die Genehmigung des Bundessicherheitsrates durch Bundeskanzler Schröder 2005 am letzten Arbeitstag der bereits abgewählten Regierung „Rot-Grün“. Sie sollte keine Belastung mehr für die ins Amt kommende Große Koalition werden.

Und trotzdem wirkt sie nach. Bis heute wurde weder ein Finanzierungsmodell für das sechste U-Boot der Dolphin-Klasse gefunden, noch eines für das Vorhaben Israels, seine älteren Dolphin-Boote zu modernisieren. Diese Fragen stellen sich erst nach der Bundestagswahl 2009. Zudem verpflichtet die Vereinbarung die Bundeswehr, auch künftig Rüstungsgüter in erheblichem Umfang aus Israel zu beziehen und trägt damit dazu bei, das es auch künftig „gute Argumente“ für deutsche Rüstungsimporte aus Israel gibt.

Vor allem folgende Aspekte machen das neuerliche U-Bootgeschäft aus deutscher Sicht politisch brisant und fragwürdig:

  • Die Entscheidung, weitere U-Boote zu liefern, fiel in Kenntnis der öffentlichen Debatte darüber, dass Israel die deutschen U-Boote als Waffensysteme für eine U-Boot-gestützte Nuklearabschreckung nutzen könnte.
  • Schon der Anschein, dass Deutschland dazu beitragen könnte, Israels Nuklearpotential zu modernisieren oder aufrechtzuerhalten, schädigt die Glaubwürdigkeit der deutschen nuklearen Nichtverbreitungspolitik. Deutschlands politische Unterstützung einer atom- oder massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten kann kaum glaubwürdig sein, wenn der Eindruck entsteht, dass Deutschland Israel hilft, seine Nuklearabschreckung modern und aufrecht zu erhalten.
  • Deutschlands Vermittlerrolle im Streit um das iranische Atomprogramm verliert an Glaubwürdigkeit. Wie soll Berlin „neutraler“ Vermittler sein, wenn es zugleich Israel helfen würde, sein Nuklearpotential zu modernisieren?
  • Das Geschäft untergräbt die deutsche Glaubwürdigkeit im Umgang mit den Kriterien des EU-Verhaltenskodex zu Waffenausfuhren. Diese sehen vor, dass die Nichtverbreitungs- und Rüstungskontrollpolitik des Empfängerlandes berücksichtigt werden soll. Israel aber ist einer von nur drei Staaten, die dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag bis heute nie beigetreten sind.
  • Zusätzlich öffnet das Geschäft Schleusen in der deutschen Rüstungsexportpolitik. Um Dolphin-U-Boote zu liefern, bedarf es auch der Genehmigung für den Export vieler High-Tech- und Rüstungskomponenten. Dies führt zu Präzedenzfällen, auf die sich Firmen, die ähnliche Technologien und Komponenten in andere Länder exportieren wollen, künftig berufen können und werden.

Allerdings waren auch die Kriegsschiffsbauten für Israel in gewisser Weise Geschäfte auf Gegenseitigkeit. Die sogenannten „Lürssen-“ oder Cherbourg-Schnellboote wurden später von der Bundesmarine als Schnellboot-Klasse 148 selbst beschafft. Die Entwicklung sowohl der GAL-U-Boote als auch der U-Boote vom Typ Dolphin konnte einerseits für die Konzeption neuer U-Boote für die Bundeswehr genutzt werden und andererseits, um deren Bau besser in die Auslastungs- und Haushaltsplanung einzupassen.


Made in Germany Inside - Die Lieferung von Rüstungskomponenten

Immer, wenn es im Nahen Osten in den letzten Jahren zu einem Waffengang unter Beteiligung der israelischen Streitkräfte kam, wurde bei genauerer Betrachtung auch deutlich, dass Israel in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich „sonstige Rüstungsgüter“ aus der Bundesrepublik erhalten hatte. Zumeist war das Label „Made In Germany“ zwar nicht auf der Außenhaut eingesetzter Großwaffensysteme sichtbar, sehr wohl aber stand es oft auf wichtigen Komponenten, wie der Blick auf die Merkava-Panzer, Schnellboote oder Korvetten bereits zeigte.

Ein weiteres Beispiel bietet die Heidelberger Firma AIM-Infrarot-Module. Sie baut Infrarot-Module für die Aufklärung, Zielerfassung und Zielbekämpfung. Ein großer Teil der Produktion geht in die USA. Dort werden Heidelberger Module in Kampfflugzeug-Komponenten wie den Zielerfassungsbehälter LANTIRN oder in Hubschraubersysteme wie TADS eingebaut, das im Kampfhubschrauber AH-64 Apache zum Einsatz kommt. Mit Hilfe der Module können Flugzeug- und Hubschrauberwaffen sehr gezielt verschossen werden. Je häufiger Lenk-, Abstands- und Präzisionswaffen zum Einsatz kommen, umso wichtiger werden solche elektro-optische Komponenten. Sie erst machen es möglich, die teure Waffenplattform „kostenwirksam“ einzusetzen.

Das gilt auch im Blick auf die fliegenden Waffensysteme Israels. Diese kommen meist aus den USA. Jagdbomber des Typs F-16 bilden das Rückgrat der israelischen Luftwaffe, Apache-Hubschrauber fliegt Israel ebenfalls. Als diese 2006 Ziele im Libanon und 2008/09 im Gazastreifen beschossen, waren wohl auch die deutschen Infrarotmodule an Bord.

Ähnliches gilt für andere „unauffällige“ Bereiche der deutsch-israelischen Kooperation wie etwa bei Kommunikationsausstattungen. Israel gehört seit vielen Jahrzehnten zu den Kunden des AEG-Konzerns und seiner späteren Ausgliederungen und Nachfolger. Zeitweilig war die israelische Tadiran sogar selbst Besitzer der Ulmer Firma RACOMS, die heute wieder als Telefunken RACOMS firmiert.

Zum gegenseitigen Nutzen kooperieren Israel und Deutschland darüber hinaus seit Jahren bei elektronischen und elektro-optischen Systemen z.B. für Kampfflugzeuge. Die Zeiss Optronic GmbH kooperierte z.B. mit der israelischen Rafael bei der Produktion und Vermarktung von Zielaufklärungs- und -erfassungssystemen der auch im Export erfolgreichen Typen Litening und Recce Lite.

Das Fertigungs-Knowhow für das deutsche Panzerfaust-3-Abschussgeräte wurde an Israel weitergegeben. Die Firma Rheinmetall arbeitete mit einem Partner in "Nahost" an einem System zur Scharfschützenortung. Es ist nur schwer vorstellbar, dass dieser Partner nicht in Israel beheimatet sein sollte.


Made in Israel – auf der Einkaufsliste der Bundeswehr

In den Anfangsjahren der deutsch-israelischen Zusammenarbeit beschaffte die Bundeswehr kaum Hochtechnologie in Israel. Ob Maschinenpistolen, Mörser oder Munition – dabei ging es nicht um komplexe Rüstungstechnik. Über die Jahre hat sich das geändert. Bereits die Kooperation bei Cerberus/TSPJ stellte eine Zusammenarbeit bei einem sehr komplexen Subsystem für die Tornado-Jagdbomber dar. Sie spiegelte Israels Fortschritte im Bereich moderner Elektronik, war aber über viele Jahre noch mit erheblichen technischen Problemen behaftet. Weit zufriedener scheint die Bundeswehr mit der späteren Kooperation bei Zielaufklärungs und –erfassungssystemen gewesen zu sein, denn diese stehen auch weiter auf ihrem Einkaufszettel.

Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Israel auch bei weiteren komplexen Technologien zum Zuge kommen soll. So soll in Kürze ein dreijähriger Leasing-Vertrag im Wert von mehr als 100 Millionen Euro für mehrere hochfliegende Aufklärungsdrohnensysteme vom Typ Heron 1 mit Rheinmetall geschlossen werden, das diese Drohnen von der israelischen Firma IAI beziehen wird. Die Drohnen sollen schon im kommenden Jahr in Afghanistan eingesetzt werden. Auch für den langfristigen Bedarf der Bundeswehr an solchen Drohnen gibt es einen aussichtsreichen Kandidaten aus Israel – das Nachfolgesystem Heron TP, das ebenfalls von Rheinmetall angeboten wird. Mit der Drohne WABEP will die Bundeswehr erstmals eine bewaffnete Drohne einführen. Auch sie soll aus Israel kommen. Dort heißt sie HAROP. Israel ist neben den USA das einzige Land der Erde, das frühzeitig in die Entwicklung leistungsstarker unbemannter Luftfahrzeuge investiert hat und besitzt damit einen Technologievorsprung gegenüber europäischen Anbietern.

Ein weiterer bedeutender Einkauf steht auch bereits fest. Die Bundeswehr wird die israelische Panzerabwehrrakete SPIKE beschaffen. Sie soll z.B. auf dem künftigen Schützenpanzer Puma zum Einsatz kommen. Ob es sich bei diesen Vorhaben primär um die Weiterführung jener deutschen Politik handelt, die Israel durch Waffenkäufe zu Devisen verhelfen sollte oder ob es sich um Folgegeschäfte der finanziellen Nebenvereinbarungen zu Israels U-Boot-Käufen in Deutschland handelt, lässt sich nicht eindeutig feststellen, da beide Ursachen in der Substanz auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen und die Motive nicht offengelegt werden. Rüstungsgüter aus Israel werden jedenfalls künftig auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine zunehmende Bedeutung erhalten.


Zum gegenseitigen Nutzen

Unternehmen aus Israel und Deutschland erkannten recht früh die Chancen, die ihnen eine Kombination ihrer Stärken auf den Rüstungsmärkten eröffnen würde. Die deutsche Industrie besaß die Fähigkeit zur Systemintegration und zur Produktion, Modernisierung und Umrüstung von Waffensystemen nach NATO-Standards. Israelische Unternehmen verfügten unter. anderem über hochmoderne militärische Komponenten in den Bereichen Avionik, Sensorik, Kommunikationselektronik und elektronische Kampfführung. Gemeinsam konnten sich zum Beispiel die deutsche DASA und die israelische Elbit bereits 1999 den Auftrag zur Modernisierung von 39 griechischen Phantom-Kampfflugzeugen sichern.
Eine zweite Chance bestand darin, gemeinsam neue Märkte zu erschließen oder Schlüsselkomponenten in Staaten zu exportieren, die sonst nicht ohne weiteres bedient werden konnten. So gelangten deutsche Rüstungsgüter über Israel nach Indien, Sri Lanka, in die Türkei oder 2008 auch in das kriegführende Georgien. Es setzte im Krieg um Südossetien Mehrfachraketenwerfer zum Verschuss inzwischen geächteter Streumunitionen ein, die es in Israel gekauft hatte und die auf Actros-LKWs der Firma Mercedes montiert waren.

Zugleich öffnet sich für israelische Firmen über ihre deutschen Partner der vielversprechende europäische Markt. Seit 1995 bieten Zeiss Optronik und die israelische Firma Rafael gemeinsam die Aufklärungs- und Zielerfassungssysteme Litening Pod und Recce Lite an. Rafael, eine israelische Firma, offeriert seine Panzerabwehrrakete Spike seit 1998 in Europa erfolgreich über das Konsortium Eurospike. Für europäische Kunden übernehmen deutsche Firmen wie Atlas Elektronik, Diehl Munitionssysteme und Rheinmetall DeTec wesentliche Teile der Produktion. Für die israelische Rüstungsindustrie ist der europäische Markt von zentraler Bedeutung, denn sie ist in hohem Maße exportabhängig. Schon 2003 erklärte Yossi Ben-Hanan, Direktor der Exportagentur des israelischen Verteidigungsministeriums (SIBAT), dass jährliche Exportaufträge im Wert von etwa zweieinhalb Milliarden Euro notwendig seien, um die rüstungsindustriellen Kapazitäten Israels auszulasten.

Die Rüstungskooperation wird auch künftig ein wesentlicher und politisch brisanter Bestandteil der deutsch-israelischen Beziehungen bleiben. Unter den Gesichtspunkten einer restriktiven Rüstungsexportpolitik und der Nichtverbreitung bleiben Israel und seine Rüstungsindustrie jedoch höchst problematische Partner. Israel gilt als unerklärte Atommacht in einer Krisenregion. Das Vorgehen seiner Armee in den palästinensischen Autonomiegebieten und im Süden des Libanons rief immer wieder massive Vorwürfe hinsichtlich von Verstößen gegen Menschenrechte und humanitäres Kriegsvölkerrecht hervor. Auch für die Zukunft können im Nahen Osten militärische Eskalationen nicht ausgeschlossen werden. So droht Israel seit mehreren Jahren mit einem militärischen Schlag gegen die Nuklearanlagen des Irans. Es wäre deshalb fahrlässig zu hoffen, dass künftig Debatten über die deutsch-israelische Zusammenarbeit im Rüstungsbereich so weitgehend wie in der Vergangenheit vermieden werden können.

Auf Dauer werden auch die traditionellen, legitimierenden Argumentationsmuster der Bundesregierung kaum greifen. Ein wachsender Teil der Kooperationsvorhaben mit Israel hat keinen direkten Bezug zur Sicherheit und zum Existenzrecht Israels mehr. Die Bedeutung technologischer, industrieller und wirtschaftlicher Interessen an der bilateralen Zusammenarbeit wächst und tritt immer deutlicher in den Vordergrund. Die gelieferten Rüstungsgüter und -komponenten dienen auf beiden Seiten immer stärker wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Interessen. Mit dem Ausbau der industrieseitigen Kooperation bei Schlüsseltechnologien und der schrittweisen Heranführung Israels an Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben im Kontext von EU und NATO wächst zudem die gegenseitige Abhängigkeit. Gerade die „Normalisierung“ hinsichtlich der Motive für eine Zusammenarbeit dürfte letztlich auch dazu führen, dass die deutsch-israelische Rüstungskooperation in der Öffentlichkeit künftig zunehmend als „normale“ diskutiert werden wird. Dies dürfte zu berechtigten Forderungen nach mehr Transparenz und zu verstärkten Diskussionen darüber führen, ob die einzelnen Vorhaben den mittlerweile rechtlich verbindlichen Kriterien des europäischen Verhaltenskodex für die Ausfuhr von Waffen und Waffentechnologie entsprechen.


The same procedure as every year – Ein Nachtrag in die Zukunft

Den Beweis der These, dass die deutsch-israelische Rüstungskooperation „Zukunft hat“ tritt derzeit u.a. die zu Thyssenkrupp Marine Systems gehörende Hamburger Werft Blohm & Voss an. In deren Konstruktionsbüros wird derzeit an einem Auftrag aus Israel gearbeitet. Israel lässt prüfen, ob die Blohm & Voss Korvetten des Typs MEKO A100 so zu vergrößert werden können, dass sie eine komplexe Luftverteidigungsanlage mit modernstem Radar und Senkrechtstartern für Flugkörper aufnehmen kann, die auch zur Raketenabwehr befähigt wären. Gelänge dies zu dem erhofften Preis ($ 300 Mio. pro Schiff), so würde Israel über ein Schiffsdesign von etwa 2.200 to Wasserverdrängung verfügen, dass Fähigkeiten besitzt, wie sie anderweitig nur auf etwa doppelt so großen Schiffen verfügbar sind. Würden die Schiffe auch gebaut, so wären sie fast doppelt so groß wie die bislang größten Kampfschiffe der israelischen Marine, die Saar 5-Korvetten (1300to).

Allerdings würde die israelische Marine sich selbst mit diesem teuren Vorhaben Konkurrenz um die rare Ressource „Devisen“ machen. Denn noch gibt es bekanntlich keine Finanzierung für das 6. U-Boot der Dolphin-Klasse und die Modernisierung der U-Boote des ersten Loses dieser Klasse. Nicht auszuschließen ist, dass eine typisch deutsch-israelische Lösung gefunden wird: Die Bundesrepublik leistet für eines oder mehrere dieser Marinevorhaben einen erheblichen Kostenbeitrag aus deutschen Steuermitteln und „verkauft“ dies öffentlich als arbeitsplatzerhaltende Maßnahme für die unter der Finanz- und Wirtschaftskrise notleidenden Werften von TKMS. Widerstand von der deutschen „Küstenmafia“ [ 4 ] wäre nicht zu erwarten.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS


Fußnoten:

[ 1 ] In diesen Beitrag sind Informationen eingeflossen, die in Kooperation mit Kollegen wie Dr. Shlomo Shpiro, Christopher Steinmetz und Alexander Lurz über die Jahre zusammengetragen wurden. Eine vertiefte mit ausführlichen Quellenhinweisen versehene Darstellung für viele hier nur angerissene Themen findet sich in: Otfried Nassauer / Christopher Steinmetz: Rüstungskoopoeration zwischen Deutschland und Israel, BITS Research Report 03.01, Berlin, September 2003

[ 2 ] Israel setzte diese 1982 im Libanonkrieg sehr erfolgreich ein.

[ 3 ] Der gedankliche Ablauf dieses Abschnitts verursacht eine wesentliche Auslassung: Sowohl während des Nahost -Krieges 1973 als auch nach dem Einmarsch der israelischen Streitkräfte in die Autonomiegebiete 2002 unterbrachen die Bundesregierungen die Lieferungen nach Israel ohne ein offizielles Embargo auszusprechen. Anträge wurden nicht bearbeitet, geplante Lieferungen nicht ausgeführt. So sollte Israel signalisiert werden, dass die Bundesregierung keine Eskalation und ein möglichst baldiges Ende der Kämpfe wünschte. Nach Ende der Kampfhandlungen dauerte es jeweils nicht lange, bis die Zusammenarbeit wiederaufgenommen wurde. Obwohl die Regierung Brandt 1973 sogar amerikanische Nachschublieferungen aus Deutschland an Israel offiziell ablehnte, erscheint es als wahrscheinlich, dass sie Israel wirklich bedeutsame Lieferungen nicht verweigerte, diese aber der Kooperation der Geheimdienste Mossad und BND überließ.

[ 4 ] Als Küstenmafia wird traditionell eine parteiübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten (SPD, CDU, FDP) bezeichnet, die aus den Küstenländern stammt und sich seit Jahrzehnten als äußerst effiziente Lobby für die norddeutschen Rüstungsbetriebe und Werften erwiesen hat.