TAZ
16. Mai 2008


Nur bei Völkermord

Die Eingriffsmöglichkeiten der UN gegen den Willen eines Staates sind begrenzt

Andreas Zumach


Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen, John Holmes, soll "in den nächsten Tagen" nach Birma reisen und die Militärregierung in Rangun dazu "drängen", Hilfslieferungen aus dem Ausland sowie die Verteilung der Güter an die notleidende Bevölkerung endlich ohne Einschränkungen zuzulassen. Das verkündete UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in der Nacht zum Donnerstag in New York nach einer gemeinsamen Krisensitzung mit den Botschaftern der ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, Birmas sowie dem Verband Südostasiatischer Staaten (Asean). Es sei auch diskutiert worden, einen UN-Asean-Koordinator zu bestimmen, der ein logistisches Hilfszentrum außerhalb Birmas etablieren solle.

Ban lehnte es ab, Hilfsgüter ohne die Zustimmung der Militärregierung nach Birma zu bringen. Man habe "darüber diskutiert, enger zusammenzuarbeiten, vor allem mit den Asean-Staaten, wir brauchen die volle Unterstützung der birmesischen Regierung in diesem Punkt", betonte der Generalsekretär. Die Debatte über eine zwangsweise, eventuell sogar mit Militär durchgesetzte humanitäre Hilfe hatte Frankreich mit dem Vorschlag ausgelöst, der Sicherheitsrat solle sich unter Berufung auf seine "Verantwortung zum Schutz" der Bevölkerung Birmas offiziell mit der dortigen Lage befassen und mit einer UNO-Resolution die Verteilung von Hilfsgütern auch gegen den Willen der Junta autorisieren.

Einen entsprechenden Resolutionsentwurf legte Paris bislang allerdings nicht vor. Im September 2005 hatten die 188 Teilnehmerstaaten des UNO-Reformgipfels einstimmig beschlossen, dass jede Regierung die primäre "Verantwortung zum Schutz" der eigenen Bevölkerung hat - und zwar vor "Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit, ethnischer Säuberung und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen". Ist eine Regierung "nicht willens oder in der Lage", diese Verantwortung wahrzunehmen, geht diese demnach auf die UNO und den Sicherheitsrat über, der dann alle politischen Mittel sowie notfalls auch wirtschaftliche oder gar militärische Zwangsmaßnahmen einsetzen kann, um den Schutz der betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten.

Dieses neue politische Prinzip ist allerdings bislang keine völkerrechtlich verbindliche Norm wie etwa die UNO-Konventionen zum Verbot des Genozids oder der Folter.

Wie die Debatten seit dem französischen Vorstoß gezeigt haben, ist zumindest bislang eine Mehrheit der Staaten im Sicherheitsrat und der Generalversammlung nicht bereit, die Anwendung des Schutzprinzips auf humanitäre Notsituationen nach Naturkatastrophen auszuweiten. Und selbst diejenigen Hilfsorganisationen, die eine solche Ausweitung politisch für richtig halten, befürchten, dass der Versuch, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung Birmas mit Zwangsmitteln gegen den Willen der Regierung sowie möglicherweise gegen den Widerstand ihrer Streitkräfte durchzusetzen, nur scheitern kann.