Falschverstandene Bündnistreue
Kommentar von Andreas Zumach
US-Verteidigungsminister Gates sieht die Existenz der Nato bedroht - wegen ihrer
angeblichen Teilung in Mitglieder, die willens sind, in Afghanistan "zu kämpfen und
zu sterben, und andere, die dazu nicht bereit sind". Dies ist allerdings ebenso
falsch wie Gates demagogischer Vorwurf, die Europäer unterschätzten die von den Taliban
und al-Qaida ausgehende Gefahr des islamistischen Terrorismus und ließen es an Einsatz
und Opfer zur Abwehr dieser Gefahr mangeln.
Tatsächlich ist die Nato bedroht, weil ihre bislang im Wesentlichen auf Kriegsführung
basierende Mission am Hindukusch gescheitert ist. Sie wirkt sogar kontraproduktiv, weil
sie islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus stärkt statt schwächt. Darum werden
nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Nato-Staaten die
Forderungen nach einem Truppenabzug aus Afghanistan immer lauter. Der jetzt geplante
nächste Schritt in der von Bundesregierung und Bundestag seit 2004 praktizierten
Salamistrategie einer schrittweisen Aufstockung und geografischen Ausweitung des
Bundeswehreinsatzes wird die Ablehnung in der Bevölkerung weiter verstärken. Zumal
zumindest die USA sich mit diesem Schritt nicht zufriedengeben werden. Sie werden
weitergehende Forderungen stellen - auch unter einer neuen Regierung in Washington ab
Januar 2009.
Das Kalkül, das heikle Thema Afganistan durch ein zeitlich verlängertes Mandat für
die Bundeswehrtruppen oder durch andere undemokratische Tricksereien aus dem
Bundestagswahlkampf 2009 herauszuhalten, ist bereits mit seinem Bekanntwerden obsolet
geworden. Afghanistan und der deutsche Einsatz dort werden im Bundestagswahlkampf auf
jeden Falle ein große Rolle spielen. Allerdings könnte die Bundesregierung den Kontext
der Debatte verändern, wenn sie endlich für einen grundlegenden Strategiewechsel in
Afghanistan eintreten und diesen Wechsel in der Nato einfordern würde. Verharrt sie
stattdessen weiterhin in Opportunismus und falsch verstandener Bündnistreue zu Washington
und zur Nato, dann dürften die beiden Koalitionsparteien bei den Wahlen 2009 wegen des
Themas Afghanistan deutlich an Stimmen verlieren.
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