TAZ
19. Juni 2007


UN-Rat will sich selbst kastrieren

Die Mehrheit der Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats möchte die Kompetenzen des Gremiums einschränken

Andreas Zumach

Die Handlungsmöglichkeiten des UN-Menschenrechtsrats in Genf zur Überwachung, Kritik und Verbesserung der Menschenrechtssituation in den 192 Mitgliedstaaten der Weltorganisation werden nicht größer, sondern geringer sein als in der Anfang letzten Jahres aufgelösten UN-Menschenrechtskommission. Das ist das Ergebnis monatelanger Verhandlungen des Rats über seine künftigen Arbeitsprozeduren sowie über die Beteiligungsmöglichkeiten für Menschenrechtsorganisationen (NGOs), die nach einer Vorgabe der Generalversammlung in New York bis spätestens Montagnacht beendet werden mussten.

Dabei musste entschieden werden, welche der von der alten Kommission betriebenen Überprüfungsverfahren (Special Procedures) zu Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern vom Rat weitergeführt werden sollen. Darüber hinaus waren die Details festzulegen für die regelmäßige Überprüfung der Menschenrechtssituation in allen 192 UNO-Staaten (Universal Peer Review), die die Generalversammlung im Herbst 2005 im Rahmen der Gründung des Rats im Grundsatz beschlossen hatte.

Eine Minderheit unter den 47 Ratsmitgliedern, bestehend aus den Staaten West-und Osteuropas, Kanada sowie den meisten Ländern Latein- und Mittelamerikas, hatten bei den Verhandlungen für eine Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten des Rats, zumindest aber für eine Beibehaltung des Status quo plädiert. Eine Ratsmehrheit aus den asiatischen Staaten und fast allen afrikanischen Ländern, verstärkt durch Kuba und Weißrussland, plädierte hingegen für eine Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten.

Ein Kompromisspapier des mexikanischen Ratspräsidenten Louis Alfonos de Alba, das dem Rat gestern zur Abstimmung vorlag, kam dieser Mehrheit in fast allen Punkten entgegen. Während die Ausführungen zur jährlichen Überprüfung der Staaten (Universal Periodic Review) bis ins kleinste Detail festlegen, wer außer der Regierung wann was zur Lage der Menschenrechte in einem Land sagen und beitragen darf, haben die Regierungen freie Hand und können bei Bedarf den Grad der Entwicklung und die kulturellen Besonderheiten des Landes geltend machen, um einer sachorientierten Bewertung zu entgehen. In die gleiche Richtung zielt der Verhaltenskodex für die Mandatsträger der Sonderverfahren (Special Procedures), u. a. keine "politisch motivierten" Anschuldigungen gegen eine Regierung vorzutragen.

Ratspräsident de Alba plädiert in seiner Kompromissvorlage für die Fortführung aller Sonderverfahren der ehemaligen Kommission - mit Ausnahme der beiden Verfahren zu Weißrussland und Kuba. Damit versuchte de Alba seiner Vorlage die Zustimmung zu sichern.

Bis Redaktionsschluss lag darüber hinaus noch ein Antrag Chinas auf dem Tisch, wonach Resolutionen des Rats zur Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in einem Land künftig einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, statt wie bisher der absoluten Mehrheit in der ehemaligen Menschenrechtskommission.