UN-Rat will sich selbst kastrieren
Die Mehrheit der Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats möchte die Kompetenzen des
Gremiums einschränken
Andreas Zumach
Die Handlungsmöglichkeiten des UN-Menschenrechtsrats in Genf zur Überwachung, Kritik
und Verbesserung der Menschenrechtssituation in den 192 Mitgliedstaaten der
Weltorganisation werden nicht größer, sondern geringer sein als in der Anfang letzten
Jahres aufgelösten UN-Menschenrechtskommission. Das ist das Ergebnis monatelanger
Verhandlungen des Rats über seine künftigen Arbeitsprozeduren sowie über die
Beteiligungsmöglichkeiten für Menschenrechtsorganisationen (NGOs), die nach einer
Vorgabe der Generalversammlung in New York bis spätestens Montagnacht beendet werden
mussten.
Dabei musste entschieden werden, welche der von der alten Kommission betriebenen
Überprüfungsverfahren (Special Procedures) zu Menschenrechtsverletzungen in bestimmten
Ländern vom Rat weitergeführt werden sollen. Darüber hinaus waren die Details
festzulegen für die regelmäßige Überprüfung der Menschenrechtssituation in allen 192
UNO-Staaten (Universal Peer Review), die die Generalversammlung im Herbst 2005 im Rahmen
der Gründung des Rats im Grundsatz beschlossen hatte.
Eine Minderheit unter den 47 Ratsmitgliedern, bestehend aus den Staaten West-und
Osteuropas, Kanada sowie den meisten Ländern Latein- und Mittelamerikas, hatten bei den
Verhandlungen für eine Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten des Rats, zumindest aber
für eine Beibehaltung des Status quo plädiert. Eine Ratsmehrheit aus den asiatischen
Staaten und fast allen afrikanischen Ländern, verstärkt durch Kuba und Weißrussland,
plädierte hingegen für eine Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten.
Ein Kompromisspapier des mexikanischen Ratspräsidenten Louis Alfonos de Alba, das dem
Rat gestern zur Abstimmung vorlag, kam dieser Mehrheit in fast allen Punkten entgegen.
Während die Ausführungen zur jährlichen Überprüfung der Staaten (Universal Periodic
Review) bis ins kleinste Detail festlegen, wer außer der Regierung wann was zur Lage der
Menschenrechte in einem Land sagen und beitragen darf, haben die Regierungen freie Hand
und können bei Bedarf den Grad der Entwicklung und die kulturellen Besonderheiten des
Landes geltend machen, um einer sachorientierten Bewertung zu entgehen. In die gleiche
Richtung zielt der Verhaltenskodex für die Mandatsträger der Sonderverfahren (Special
Procedures), u. a. keine "politisch motivierten" Anschuldigungen gegen eine
Regierung vorzutragen.
Ratspräsident de Alba plädiert in seiner Kompromissvorlage für die Fortführung
aller Sonderverfahren der ehemaligen Kommission - mit Ausnahme der beiden Verfahren zu
Weißrussland und Kuba. Damit versuchte de Alba seiner Vorlage die Zustimmung zu sichern.
Bis Redaktionsschluss lag darüber hinaus noch ein Antrag Chinas auf dem Tisch, wonach
Resolutionen des Rats zur Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in einem Land
künftig einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, statt wie bisher der absoluten Mehrheit in
der ehemaligen Menschenrechtskommission.
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