Sicherheitsrat schafft erneut Präzedenzfall
Der neu geschaffene Internationale Strafgerichtshof ist für den Mord an Rafik Hariri
nicht zuständig
Andreas Zumach
Mit der Untersuchung und strafrechtlichen Ahndung des Attentats auf den libanesischen
Ex-Regierungschef Rafik Hariri und anderer tödlicher Anschläge soll sich das
internationale Tribunal befassen, dessen Einsetzung der UNO-Sicherheitsrat auf Basis von
Kapitel 7 der UNO-Charta beschlossen hat. Für einen derartigen Auftrag gibt es kein
Vorbild in der Geschichte der internationalen Strafgerichtsbarkeit, die 1945/46 mit den
von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges durchgeführten Kriegsverbrechertribunalen
von Nürnberg und Tokio begann.
Von diesen Tribunalen wurden Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und
Kriegsverbrechen erstmals als Straftatbestände definiert. Zugleich bekundete die erste
Vollversammlung der 1945 gegründeten UNO die Absicht, einen ständigen, global
zuständigen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einzurichten.
Doch in der Zeit des Kalten Krieges scheiterte die Umsetzung dieser Absicht vor allem
am Unwillen der Vetomächte des Sicherheitsrates, deren Völkermorde, Verbrechen gegen die
Menschheit und Kriegsverbrechen in Asien, Afrika und Lateinamerika in dieser Phase (z. B.
der USA in Vietnam, der Sowjetunion in Afghanistan oder Frankreichs in Algerien) damit
straflos blieben. Erst als derartige Verbrechen ab 1991 im ehemaligen Jugoslawien und
damit mitten in Europa stattfanden, schuf der Sicherheitsrat 1993 ebenfalls auf Grundlage
von Kapitel 7 der UNO-Charta das "Internationale Tribunal über die Kriegsverbrechen
in Jugoslawien" mit Sitz in Den Haag und nach dem Völkermord in Ruanda Anfang 1994
ein entsprechendes Tribunal in Arusha (Tansania).
1998 beschlossen 122 der 192 UNO-Staaten schließlich die Einrichtung eines
Strafgerichtshofs. Seit Inkrafttreten des IStGH-Statuts am 1. Juli 2002 hat der
Chefankläger des Gerichts unter anderem Verfahren zu derartigen Verbrechen im Kongo und
in Sudan/Darfur eingeleitet. Die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen aus der Zeit
vor Juli 2002 ist weiterhin nur möglich durch nationale Gerichte oder durch von der UNO
eigens eingesetzte internationale Sondertribunale. Eine Mischform ist das inzwischen auf
Beschluss der UNO-Vollversammlung etablierte Tribunal zur Untersuchung des Völkermordes
in Kambodscha (1975-79). Es ist mehrheitlich mit kambodschanischen RichterInnen besetzt.
Im Fall des Irak verhinderten die USA im Sicherheitsrat nach dem Krieg 2003 die Einsetzung
eines internationalen Tribunals zur Aufklärung der Verbrechen unter der Diktatur Saddam
Husseins seit 1979.
Die Aufklärung und Ahndung der Ermordung von Hariri konnte nicht dem IStGH übertragen
werden, weil er laut Statut nur zuständig ist für Völkermord, Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschheit.
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