Israels eigenes Rom
Andreas Zumach
Die internationalen Bemühungen, den Weg zum Frieden in Nahost einzuschlagen, haben
einen herben Dämpfer erfahren. In der Nacht zu Donnerstag konnte sich der
UN-Sicherheitsrat nicht auf eine Verurteilung Israels wegen der vier getöteten
Unifil-Soldaten einigen. Außerdem präsentierte Jerusalem gestern eine sehr eigene
Interpretation der Beschlüsse des Nahostgipfels in Rom.
Eine gemeinsame Erklärung des UN-Sicherheitsrats zu dem Angriff der israelischen
Luftwaffe auf den UN-Posten im Südlibanon scheiterte am vetoberechtigen Mitglied USA. Es
lehnte jegliche, auch nur indirekt israelkritische Formulierung ab. Nach langen
ergebnislosen Beratungen vertagten sich die 15 Ratsmitglieder auf den gestrigen
Donnerstag. Bei dem Angriff waren am Dienstag vier unbewaffnete Mitglieder der UN-Truppe
Unifil getötet worden.
Grundlage der Beratungen im Sicherheitsrat war zunächst ein Textentwurf Chinas, das
bei dem Angriff der israelischen Luftwaffe - ebenso wie Finnland, Österreich und Kanada -
einen Blauhelmsoldaten verloren hatte. Darin war von einem "absichtlichen
Angriff" Israels die Rede. Zuvor hatte bereits UNO-Generalsekretär Kofi Annan von
einem "offensichtlich vorsätzlichen Angriff" gesprochen. Ein erster interner
Untersuchungsbericht der UNO lieferte dafür weitere Indizien. Doch der US-Botschafter bei
der UNO, John Bolton, wies den chinesischen Textentwurf sofort zurück. Zuletzt
diskutierte der Rat über einen dritten Kompromissentwurf. Darin hieß es: "Der
Sicherheitsrat verurteilt jeden absichtlichen Angriff auf UN-Mitarbeiter und betont, dass
solche Angriffe unannehmbar sind." Auch dieser Entwurf stieß - obwohl Israel darin
nicht mehr namentlich genannt wurde - auf Ablehnung der USA. Australien kündigte
unterdessen als Reaktion auf den Vorfall an, seine zwölf Blauhelm-Soldaten aus dem
Südlibanon abzuziehen.
Die Regierung in Jerusalem versteht das Ergebnis der Nahost-Konferenz nach den Worten
von Justizminister Haim Ramon als ausdrückliche Erlaubnis zur Fortsetzung des Krieges.
Der Gipfel habe eine entsprechende "Genehmigung" erteilt, da man sich nicht auf
die Forderung nach einer "sofortigen" Waffenruhe einigen konnte. Gegen diese
Forderung aller arabischen Teilnehmer, aber auch Russlands und Frankreichs hatten sich in
Rom in erster Linie die Außenminister der USA und Deutschlands gestellt.
Israel setzte gestern seine Luftangriffe auf den Südlibanon fort. Die Luftwaffe
feuerte mehr als 90-mal auf Ziele im Südlibanon und in der östlichen Bekaa-Ebene. Dabei
wurden mindestens drei Menschen getötet. Am Vorabend hatte die israelische
Luftwaffe eine libanesische Kaserne in Amtschit, 40 Kilometer nördlich von Beirut,
angegriffen. Auch in der Gegend um Bint Dschbeil kam es wieder zu Kämpfen. Die Hisbollah
feuerte ihrerseits über 30 Raketen auf Nordisrael ab, laut einer Armeesprecherin schlugen
mindestens zehn Katjuschas bei der Stadt Safed ein. In Kirjat Schmona wurde eine
Chemiefabrik getroffen.
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