TAZ
27. Juli 2006


Ein abschreckendes Beispiel

Kommentar von Andreas Zumach

Hat die israelische Luftwaffe absichtlich einen klar markierten und seit Jahren etablierten UNO-Posten im Libanon angegriffen und dabei vier unbewaffnete UN-Beobachter getötet? Die Indizien für diese Version, die dem UNO-Generalsekretär vorliegen, sind offenbar so weitreichend, dass der sonst eher zu vorsichtig formulierende Kofi Annan von einem "offensichtlich vorsätzlichen Angriff" spricht.

Allein: Auch noch so erdrückende Indizien sind noch kein endgültiger Beweis. Dazu reicht auch nicht die Tatsache, dass die israelischen Streitkräfte in den vergangenen 28 Jahren nachweislich Posten der Unifil sowie von der UNO geführte Flüchtlingslager im Libanon gezielt beschossen und dabei weit über 100 Menschen getötet haben.

Nicht völlig von der Hand zu weisen ist bislang die Spekulation, Israel habe bewusst am Vorabend der Rom-Konferenz gezielt einen UNO-Posten beschossen, um dort unliebsame Beschlüsse zu verhindern. Allerdings ist diese Version wenig überzeugend. Denn unliebsame Beschlüsse in Rom musste die Regierung Olmert unter gar keinen Umständen fürchten angesichts der klaren Unterstützung ihrer Position und all ihrer Vorbedingungen für eine Waffenruhe sowie für die Stationierung einer internationalen Truppe durch die USA, Deutschland und andere gewichtige Konferenzteilnehmer.

Richtig ist, dass die Präsenz der Unifil im Südlibanon von israelischen Soldaten so manches Mal als Behinderung der eigenen militärischen Operationen empfunden wurde. Durchaus möglich ist daher, dass der jüngste Beschuss des UNO-Postens allein von der Besatzung des israelischen Kampfflugzeugs zu verantworten ist und nicht auf Befehl von oben erfolgte.

Was immer die Untersuchung des Vorfalls schließlich ergeben wird, ob Absicht oder Versehen: Mit Sicherheit wirkt die Tötung der vier UNO-Beobachter abschreckend auf alle Staaten, die möglicherweise künftig vom UNO-Hauptquartier gebeten werden, sich mit Soldaten und Zivilpersonal an einer eventuellen neuen und besser mandatierten UNO-Truppe an der israelisch-libanesischen Grenze zu beteiligen. Und dieser Effekt dürfte der israelischen Regierung durchaus willkommen sein.