TAZ
21. April 2006


Völkerrecht vorsorglich außer Kraft gesetzt

Koaltion der Willigen (1): Rice bereitet Angriffe auf den Iran vor

Kommentar von Andreas Zumach

In USA geht es beim eskalierenden Streit mit Teheran nicht oder zumindest nicht in erster Linie um das iranische Atomprogramm. Das Hauptziel lautet: Sturz des islamischen Regimes. Darüber besteht in Washington ein Konsens, der über die Bush-Administration hinaus bis hin zu Teilen der oppositionellen Demokraten reicht. Europäische PolitikerInnen wollen diese Tatsache - wenn überhaupt - bislang nur hinter verschlossenen Türen wahrhaben.

Läuft das Umsturz-Projekt nun zwangsläufig auch auf einen Krieg gegen Iran hinaus, möglicherweise gar unter Einsatz atomarer Waffen? Zwar haben Präsident Bush, Pentagonchef Rumsfeld und nun auch die in Europa oftmals als moderat und als weniger ideologisch verkannte Außenministerin Rice mit ihren Äußerungen den Eindruck geschürt, ein militärisches Vorgehen gegen Iran sei bereits beschlossene Sache und nur noch eine Frage der Zeit. Und auch die sehr detaillierten Operationspläne des Pentagons für Luftangriffe gegen den Iran stärken die Sorge vor einem Krieg. Doch noch wird in den Washingtoner Apparaten darüber diskutiert, ob verschärfter politischer, diplomatischer und wirtschaftlicher Sanktionsdruck auf Teheran sowie eine deutlich verstärkte Unterstützung der iranischen Opposition nicht ausreichen, oder ob für einen Regimesturz militärische Maßnahmen unerlässlich sind.

Für den Fall, dass sich die Befürworter eines militärischen Vorgehens durchsetzen sollten, hat Außenministerin Rice eines von zwei vorstellbaren Hindernissen - nämlich das Völkerrecht - vorsorglich schon einmal für irrelevant erklärt, indem sie unter Hinweis auf den Präventivkrieg gegen Irak von 2003 militärische Angriffe gegen Teheran zur "gerechtfertigten Selbstverteidigung" umlog. Das zweite Hindernis sind die zahlreichen Warnungen vor den operativen Schwierigkeiten einer Kriegsführung gegen Iran und vor allem vor den voraussichtlich verheerenden politischen Folgen. Diese Bedenken werden in Washington auch von republikanischen Politikern sowie auf den höchsten Ebenen insbesondere der militärischen Machtstrukturen geäußert. Doch das war auch schon vor dem Irakkrieg von 2003 der Fall.