Völkerrecht vorsorglich außer Kraft gesetzt
Koaltion der Willigen (1): Rice bereitet Angriffe auf den Iran vor
Kommentar von Andreas Zumach
In USA geht es beim eskalierenden Streit mit Teheran nicht oder zumindest nicht in
erster Linie um das iranische Atomprogramm. Das Hauptziel lautet: Sturz des islamischen
Regimes. Darüber besteht in Washington ein Konsens, der über die Bush-Administration
hinaus bis hin zu Teilen der oppositionellen Demokraten reicht. Europäische
PolitikerInnen wollen diese Tatsache - wenn überhaupt - bislang nur hinter verschlossenen
Türen wahrhaben.
Läuft das Umsturz-Projekt nun zwangsläufig auch auf einen Krieg gegen Iran hinaus,
möglicherweise gar unter Einsatz atomarer Waffen? Zwar haben Präsident Bush,
Pentagonchef Rumsfeld und nun auch die in Europa oftmals als moderat und als weniger
ideologisch verkannte Außenministerin Rice mit ihren Äußerungen den Eindruck geschürt,
ein militärisches Vorgehen gegen Iran sei bereits beschlossene Sache und nur noch eine
Frage der Zeit. Und auch die sehr detaillierten Operationspläne des Pentagons für
Luftangriffe gegen den Iran stärken die Sorge vor einem Krieg. Doch noch wird in den
Washingtoner Apparaten darüber diskutiert, ob verschärfter politischer, diplomatischer
und wirtschaftlicher Sanktionsdruck auf Teheran sowie eine deutlich verstärkte
Unterstützung der iranischen Opposition nicht ausreichen, oder ob für einen Regimesturz
militärische Maßnahmen unerlässlich sind.
Für den Fall, dass sich die Befürworter eines militärischen Vorgehens durchsetzen
sollten, hat Außenministerin Rice eines von zwei vorstellbaren Hindernissen - nämlich
das Völkerrecht - vorsorglich schon einmal für irrelevant erklärt, indem sie unter
Hinweis auf den Präventivkrieg gegen Irak von 2003 militärische Angriffe gegen Teheran
zur "gerechtfertigten Selbstverteidigung" umlog. Das zweite Hindernis sind die
zahlreichen Warnungen vor den operativen Schwierigkeiten einer Kriegsführung gegen Iran
und vor allem vor den voraussichtlich verheerenden politischen Folgen. Diese Bedenken
werden in Washington auch von republikanischen Politikern sowie auf den höchsten Ebenen
insbesondere der militärischen Machtstrukturen geäußert. Doch das war auch schon vor
dem Irakkrieg von 2003 der Fall.
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