Israels jetziger Krieg wird kaum auf Kritik stoßen
Seit dem 11. September 2001 geht vieles als "Selbstverteidigungskrieg"
durch, was früher international fast einhellig verurteilt worden wäre.
Andreas Zumach
Angenommen, die baskische Untergrundorganisation ETA hätte zwei spanische Soldaten
nach Frankreich entführt und von Stützpunkten auf südfranzösischem Territorium Raketen
auf Ziele in Spanien abgeschossen. Hätte die spanische Luftwaffe dann unter Berufung auf
das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UNO-Charta den Pariser Flughafen, die
Autobahn von Paris nach Brüssel sowie den Hafen von Marseille bombardiert?
Höchstwahrscheinlich nicht. Wenn die spanische Regierung so vorgegangen wäre wie seit
nunmehr sechs Tagen die israelische Regierung gegen Libanon, wäre sie wohl von einer
überwältigenden Mehrheit der UNO-Generalversammlung verurteilt worden - wegen eines
völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Doch für Israel galten schon immer besondere
Bedingungen und Ausnahmen vom Völkerrecht: die Resolutionen 242 und 338, mit denen seit
1967 die vollständige Räumung der von Israel damals völkerrechtswidrig besetzen Gebiete
gefordert wird, sind bis heute nicht umgesetzt. Zudem hat das von Israel im aktuellen
Konflikt reklamierte Selbstverteidigungsrecht auf Basis von Artikel 51 der UNO-Charta seit
den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine interpretative Ausweitung erfahren: In
ihrem Antiterrorkampf führen die USA seit Anfang Oktober 2001 einen
"Selbstverteidigungskrieg" gegen den Terrorismus. Der Krieg der USA und
Großbritanniens im Irak vom Frühjahr 2003 wurde dann zwar von rund 80 Prozent aller
UNO-Staaten abgelehnt. Doch kein Land war bereit, in der Generalversammlung eine
Resolution einzubringen, die die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges festgestellt
hätte.
Unter der Überschrift der "Bekämpfung des Terrorismus" betreiben, dulden
oder unterstützen nun auch Russland, China, die EU-Staaten und andere Länder Maßnahmen
auf eigenem oder fremdem Territorium, die vor dem 11. September eine große Mehrheit der
UNO-Mitglieder noch als völkerrechtswidrig verurteilt hätte. So muss Israel nicht
befürchten, dass sein "Selbstverteidigungskrieg" im Libanon nennenswerte
internationale Kritik oder gar Sanktionen zur Folge haben könnte.
Das zeigt auch die verständnisvolle Erklärung der Sankt Petersburger G-8-Gipfels, in
der Krieg Israels grundsätzlich gerechtfertigt wird als Akt legitimer Selbstverteidigung.
Die israelische Regierung wird lediglich in vager Form zur "Zurückhaltung" bei
ihren Militäraktionen aufgerufen. Diese Mahnung bezieht sich auf die Regeln des
"humanitären Völkerrechts" zur Kriegführung, insbesondere auf die
Bestimmungen der Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung, an die auch die
Hisbollah gebunden ist. Gegen diese Regeln des Völkerrechts haben Israel wie auch die
Hisbollah nach übereinstimmender Auffassung der Menschenrechtsorganisationen Human Rights
Watch und amnesty international wie auch des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden
im Bundestag, Walter Kolbow, in den letzten sechs Tagen verstoßen. In gravierender Weise.
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