Mehr Druck auf USA wegen Guantánamo
Andreas Zumach
Nach anfänglicher Distanzierung schließt sich auch
UN-Generalsekretär Kofi Annan der Forderung an, das US-Gefangenenlager
in Guantánamo zu schließen. Im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis
sollen 2003/2004 auch Kinder gefoltert worden sein.
Die Forderung nach Schließung des US-Gefangenenlagers Guantánamo
auf Kuba wird lauter. Der am Mittwoch in Genf veröffentlichten
deutlichen und detaillierten Kritik von fünf Experten der UNO-Menschenrechtskommission
an den völkerrechtswidrigen Zuständen in Guantánamo
(siehe gestrige taz) schlossen sich inzwischen - wenn auch
in sehr zurückhaltender Weise - UNO-Generalsekretär Kofi
Annan sowie die Regierungen in Berlin und London an.
Annan erklärte, er stimme "nicht unbedingt mit allem"
in dem 54-seitigen Bericht der fünf Experten der UNO-Menschenrechtskommission
überein. Doch teile er die "grundsätzliche Schlussfolgerung,
dass Privatpersonen nicht ewig ohne ordentliches Ermittlungs-und Gerichtsverfahren
festgehalten werden können". Der UNO-Generalsekretär
fügte hinzu, "früher oder später wird es notwendig
sein, Guantánamo zu schließen". Es liege an der
US-Regierung, "die Entscheidung zu treffen, dies hoffentlich
so bald als möglich zu tun".
Die vorsichtige Unterstützung des UNO-Generalsekretärs
für den Bericht erfolgte erst, nachdem in der UNO erheblicher
Unmut laut geworden war über die De-facto-Distanzierung, mit
der Annan seinen Sprecher Anfang der Woche zunächst auf den Bericht
reagieren ließ. Nachdem die US-Regierung den ihr vertraulich
vorab zur Stellungnahme zugesandten Bericht an einzelne Medien gegeben
hatte - versehen mit einer scharfen Zurückweisung seines Inhaltes
sowie falschen Behauptungen über die fünf AutorInnen und
deren Arbeitsweise -, war die internationale Berichterstattung über
den Bericht zunächst von den abwertenden Reaktionen der Bush-Administration
bestimmt. Unter diesem Eindruck erklärte der Sprecher Annans
am Dienstag, weder Annan noch die Hochkommissarin für Menschenrechte,
Louise Arbour, hätten etwas mit dem Bericht zu tun.
Die Bundesregierung hält Guantánamo zwar für "unvereinbar
mit dem Rechtsverständnis Deutschlands", schließt
sich aber der Forderung nach Schließung des Gefangenenlagers
nicht an, wie Regierungssprecher Thomas Steg vor der Presse erläuterte.
Großbritanniens Premierminister Tony Blair bezeichnete Guantánamo
als "Anomalie".
Unterdessen wurde durch eine Zeugenaussage vor dem Kongress in Washington
bekannt, dass US-Soldaten im irakischen Gefängnis Abu Ghraib
2003/2004 auch Kinder gefoltert haben, um Aussagen von ihren Vätern
zu erzwingen. Nach Aussagen des US-Offizier Samuel Provance wurde
etwa Folter angewendet, um den irakischen General Hamid Sabar unter
Druck zu setzen. Dessen 16-jähriger Sohn sei festgenommen worden,
ohne dass gegen ihn Vorwürfe vorlagen. Dann sei er unter den
Augen des Vaters mit Eiswasser bespritzt worden. Außerdem sei
er mit gewöhnlichen Kriminellen in einem Gefängnistrakt
eingesperrt worden, der für gegenseitige Vergewaltigungen von
Häftlingen berüchtigt gewesen sei. Der 16-Jährige sei
"Opfer von Misshandlungen" gewesen, "um den General
zum Sprechen zu bringen", sagte Provance, der nach seinen Aussagen
über die Praktiken im Abu-Ghraib-Gefängnis degradiert wurde.
Derartige Misshandlungen seien in Abu Ghraib üblich gewesen.
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