TAZ
14. August 2006


Hoffen auf Resolution 1701

Nach mehr als einem Monat Krieg sollen von heute, 7 Uhr an, die Waffen schweigen. Ob das auch so bleibt, ist noch offen

Andreas Zumach

In dem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon, der vor über einem Monat begann, sollen ab heute morgen, 7 Uhr, erstmals die Waffen schweigen. Entsprechende Zusagen gaben die Regierungen Israels und Libanons UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Zuvor hatte der UNO-Sicherheitsrat in der Nacht zum Samstag in seiner Resolution 1701, die nach tagelangen zähen Verhandlungen einstimmig beschlossen wurde, die "vollständige Einstellung der Feindseligkeiten" gefordert.

Die Chance, dass heute tatsächlich eine vollständige Waffenruhe eintritt und dass diese auch anhält, wurde von vielen Beobachtern allerdings eher skeptisch beurteilt - zumal Israel den Krieg nur wenige Stunden nach Verabschiedung der Resolution zunächst einmal eskalieren ließ: Die Bodenoffensive wurde erheblich ausgeweitet, die Zahl der in den Libanon entsandten Soldaten von 10.000 auf 30.000 Mann verdreifacht. Zur Skepsis trägt auch bei, dass Resolution 1701 zwar von den Hisbollah-Milizen "die sofortige Einstellung aller Angriffe" fordert, von Israel hingegen lediglich "die sofortige Beendigung aller offensiven Militäroperationen". Die israelische Regierung hat ihre Kriegsführung der letzten vier Wochen immer als "defensive Maßnahme" deklariert oder als "legitime Selbstverteidigung".

Von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kam denn zunächst auch nur eine eingeschränkte Zustimmung zu der UNO-Resolution. "Durch die Resolution hat sich nichts verändert, der Krieg geht weiter, denn Israel setzt seine Aggression fort", erklärte Nasrallah am Samstag. Die Hisbollah werde den Kampf erst beenden, "wenn die israelische Aggression aufhört und die israelischen Truppen Libanon verlassen". Unklar blieb, ob Nasrallah damit den vollständigen Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Libanon zur Vorbedingung macht für die Einstellung aller Hisbollah-Angriffe oder lediglich den Beginn des Abzugs.

Die UNO-Resolution sieht einen etappenweisen Rückzug der israelischen Streitkräfte vor - "parallel" zur schrittweisen Stationierung von insgesamt 15.000 libanesischen Armeesoldaten sowie zur Aufstockung der bisherigen UNO-Truppe Unifil im Südlibanon von derzeit rund 2.000 auf ebenfalls 15.000 Soldaten. Zudem soll die personell verstärkte Unifil vom Sicherheitsrat ein robusteres Einsatzmandat erhalten. Künftig soll die UNO-Truppe dann "den Waffenstillstand überwachen, die libanesischen Truppen bei ihrer Stationierung im Südlibanon und entlang der libanesisch-israelischen Grenze (Blaue Linie) unterstützen sowie den Zugang von Hilfsorganisationen zur Zivilbevölkerung und die sichere Rückkehr von Flüchtlingen ermöglichen helfen".

Zwischen der Blauen Linie und dem 20 bis 30 Kilometer nördlich verlaufenden Fluss Litani soll laut Resolution "eine Zone errichtet werden, in der sich außer den libanesischen und den Unifil-Truppen keine bewaffneten Verbände aufhalten oder Waffen und sonstige Anlagen vorhanden sein dürfen". Auch auf dem übrigen Staatsgebiet Libanons sollen sich künftig ohne Genehmigung der Regierung in Beirut "keine fremden" bewaffneten Verbände mehr aufhalten dürfen. Die Regierung soll - mit Unterstützung der Unifil - dafür Sorge tragen, dass künftig ohne ihre Zustimmung "keine Waffen oder anderes Kriegsmaterial mehr in den Libanon importiert werden". Diese Formulierungen zielen auf die Hisbollah, deren "Entwaffnung" in der Resolution allerdings nicht ausdrücklich gefordert wird.

Genau diese lange als "unverzichtbar" bezeichnete Forderung hatten die USA und Israel in den Endverhandlungen um die UNO-Resolution fallen lassen. Die Regierungen in Washington und Jerusalem gaben schließlich auch ihre zuvor als "unverhandelbar" deklarierte Position auf, dass der Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Südlibanon erst nach vollständiger Stationierung der 15.000 libanesischen Soldaten sowie der Aufstockung der Unifil auf ebenfalls 15.000 Soldaten beginnen könne. Damit war der Weg frei für den ursprünglich von Frankreich unterbreiteten Vorschlag eines schrittweisen Rückzugs Israels "parallel" zur Stationierung von insgesamt rund 28.000 Soldaten Libanons und der Unifil.

Allerdings verhinderten die USA, dass für diesen Prozess in der UNO-Resolution ein konkreter Zeitrahmen festgelegt wurde. Frankreich wollte - unterstützt von einer großen Mehrheit der übrigen 14 Ratsmitglieder - eine Frist von zwei Wochen ab Eintreten einer Waffenruhe festlegen. Danach will der Sicherheitsrat in einer zweiten Resolution Details für einen dauerhaften Waffenstillstand sowie für eine politische Lösung des Konflikts festlegen. Ob und wann es dazu kommt, dürfte wesentlich davon abhängen, dass die mit der ersten Resolution im Grundsatz beschlossene Aufstockung der Unifil von 2.000 auf 15.000 Soldaten schnell erfolgt.

In den Tagen vor der Verabschiedung der UNO-Resolution hatte am deutlichsten die französische Regierung ihre Bereitschaft zur Entsendung zusätzlicher Soldaten signalisiert. Von den derzeit 2.000 Unifil-Soldaten stellt Frankreich zwar nur 200, hat aber seit Jahren das Oberkommando über diese UNO-Mission. Die Führungsrolle will Paris auch in einer auf 15.000 Mann aufgestockten und mit robusterem Mandat ausgestatteten Unifil behalten. Allerdings sind von den rund 15.200 französischen Soldaten, die für "robuste" Auslandsmissionen vorgesehen sind, derzeit bereits 13.200 anderswo im Einsatz.

Daher stünden für die Unifil nur noch 2.000 Soldaten zur Verfügung. Deren Entsendung könne allerdings "sehr schnell" erfolgen, erklärte ein Sprecher des Armee-Generalstabs gestern in Paris. Darüber hinaus lag dem UNO-Hauptquartier bis gestern nur ein konkretes Angebot aus Italien vor. Rom will 2.000 bis 3.000 Soldaten aus allen Bereichen des Militärs in den Libanon entsenden und das stellvertretende Oberkommando über die Unifil übernehmen. Neuseeland erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, Truppen für die Unifil bereitzustellen.