TAZ
09. Juni 2006


Kofi Annan weist Boltons Kritik zurück

Lauter Streit zwischen UNO-Vizegeneralsekretär Brown und US-UNO-Botschafter Bolton: Brown wirft den USA ein gebrochenes Verhältnis zur UNO vor, Bolton hält das für "unzulässige Kritik am amerikanischen Volk". Hintergrund: die UN-Finanzen.

Andreas Zumach

UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat sich in der Nacht zum Donnerstag uneingeschränkt hinter seinen Stellvertreter Mark Malloch Brown gestellt und ihn gegen scharfe Vorwürfe von US-Botschafter John Bolton verteidigt. Unmittelbarer Auslöser der bislang heftigsten öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Bolton und dem UN-Generalsekretariat waren kritische Äußerungen Malloch Browns zur Darstellung der Arbeit der UNO in den USA. Im Hintergrund der Kontroverse steht die drohende Zahlungsunfähigkeit der UNO, nachdem die USA für das erste Halbjahr 2006 eine einschneidende Ausgabenbegrenzung durchgesetzt hatten, um Managementreformen zu erzwingen. Zudem hat Botschafter Bolton die Kürzung der US-Beitragszahlungen an die UNO angedroht, falls die Generalversammlung die von Washington verlangten Reformen nicht bis spätestens 30. Juni beschließe.

Malloch Brown, ein Brite, hatte am Dienstag in einer Rede in New York kritisiert, die Bush-Regierung stütze sich bei Bedarf zwar diplomatisch auf die UNO - "und dies oft klammheimlich" - und instrumentalisiere sie für ihre Interessen. Zugleich verteidige die US-Regierung die UNO aber nicht gegen ungerechtfertige Anwürfe notorischer UN-Hasser im eigenen Land. Auf diese Weise überlasse Washington die Darstellung der UNO in der US-amerikanischen Öffentlichkeit "weitgehend den lautstärksten Feinden der UNO , wie [dem rechtspopulistischen Radiomoderator] Rush Limbaugh und dem Nachrichtensender Fox News", erklärte Malloch Brown. Ein solcher "verdeckter Kurs" sei "nicht hinnehmbar". Obwohl der stellvertretende UN-Generalsekretär seine Rede ausdrücklich als "ehrliche und konstruktive Kritik an der US-Politik seitens eines Freundes und Bewunderers" bezeichnet und zugleich US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihre VorgängerInnen ausdrücklich gelobt hatte, rügte US-Botschafter Bolton die Äußerungen als "unzulässige Kritik am amerikanischen Volk". Dies habe er auch Generalsekretär Annan in einem Gespräch am Mittwochmorgen mitgeteilt, und ihn "aufgefordert", sich von den Äußerungen seines Stellvertreters "öffentlich zu distanzieren".

Bolton erklärte, er kenne Annan seit 1989, aber Malloch Browns Rede sei "der schwerste Fehler eines hohen UN-Vertreters gewesen, den ich in der ganzen Zeit erlebt habe". Auch wenn "das Ziel der Rede die USA gewesen" sei, werde "das Opfer die UNO sein".

Annan wies die Forderungen Boltons zurück und betonte ausdrücklich, er teile die Ansichten seines Stellvertreters.

Im US-Kongress, der in den nächsten Wochen über die künftigen Beitragszahlungen an die UNO entscheiden muss, werde "die Attacke eines führenden UN-Funktionärs gegen die Regierung der USA" kaum auf Verständnis stoßen, erklärte Bolton. Dem widersprach der demokratische Senator Christopher J. Dodd, ein ranghohes Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Senats. In einer schriftlichen Stellungnahme lobte Dodd die Rede von Malloch Brown und kritisierte Boltons Reaktion. Wörtlich erklärte der Senator: "Die Drohgebärden des Herrn Bolton sind nicht konstruktiv, und sie erweisen den Interessen der USA in der UNO einen schlechten Dienst."

Die Managementreformen, die die Bush-Administration mit dem Druckmittel der Finanzen durchzusetzen versucht, werden auch von den meisten anderen westlichen Staaten unterstützt. Die Reformen zielen unter anderem darauf ab, bisherige Entscheidungskompetenzen der Generalversammlung auf das Generalsekretariat zu übertragen. Bei einer Mehrheit der 191 Mitgliedstaaten der UNO stößt dies jedoch auf Ablehnung.