WTO verurteilt EU-Politik bei Genpflanzen
Andreas Zumach
Scheinbarer Sieg für Argentinien, Kanada und die USA: Gentechnisch
veränderte Pflanzen dürfen nur verboten werden, wenn wissenschaftlich
bewiesen ist, dass sie die Gesundheit schädigen. In der EU-Praxis
dürfte sich wenig ändern.
Zweieinhalb Jahre hat ein Streitschlichtungsausschuss der Welthandelsorganisation
(WTO) in Genf beraten, nun wurde ein erstinstanzliches Urteil gefällt:
Die USA, Kanada und Argentinien hatten gegen die Einfuhr- und Anbaurestriktionen
für gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel in der EU geklagt.
Das noch vertrauliche, über tausend Seiten starke Urteil wurde
gestern nach Redaktionsschluss der taz zunächst der EU-Kommission
in Brüssel sowie den Regierungen der drei Klägerstaaten
zugestellt, die über 90 Prozent der genmanipulierten Pflanzen
weltweit anbauen.
Nach taz-Informationen traf der dreiköpfige Streitschlichtungsausschuss
unter Vorsitz des Schweizer Landwirtschaftsexperten Christian Haberli
eine Entscheidung, die insbesondere von den USA als Sieg interpretiert
werden dürfte. Denn in dem Urteil werden Moratorien und nationale
Einfuhrmaßnahmen als unzulässig bewertet, wenn Gesundheitsrisiken
nicht wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen sind. Faktisch dürfte
dieses Urteil an der Praxis und Rechtslage in der EU jedoch nichts
ändern.
1999 hatte die EU ein Moratorium für die Neuzulassung des Anbaus
von Genpflanzen verhängt. Weitere Klagegründe für die
USA, Kanada und Argentinien waren aber auch die Verweigerung beantragter
Zulassungen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und
Luxemburg sowie ein nationales Einfuhrverbot für gentechnisch
manipulierte Nahrungsmittel in Griechenland. Diese Maßnahmen
hatten zur Folge, dass sich gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel
in der EU nicht vermarkten ließen, zumal auch die Verbraucher
mit massiver Ablehnung reagierten.
Die Streitfrage, ob bei der Gentechnik nachgewiesene Gesundheitsrisiken
vorliegen, wird in dem Urteil allerdings nicht eindeutig beantwortet.
Zudem berufen sich die EU und diverse Mitgliedstaaten auf die UNO-Konvention
über die biologische Vielfalt sowie auf das "Cartagena-Zusatz-Protokoll
zur biologischem Sicherheit" von 2003. Dieses von den USA nicht
ratifizierte Protokoll erkennt ausdrücklich an, dass genmanipulierte
Organismen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt
bergen. Staaten seien daher zu vorsorgenden Schutzmaßnahmen
nicht nur berechtigt, sondern sogar "verpflichtet".
Seit 2004 hat die EU ihr Moratorium durch eine Kennzeichnungspflicht
für genmanipulierte Nahrungsmittel ersetzt. Diese wird in dem
WTO-Urteil nicht beanstandet. Die restriktive Praxis in den EU-Ländern
dürfte sich daher fortsetzen. In Genf wird erwartet, dass die
USA das Urteil vor allem nutzen werden, um Entwicklungsländer
von Maßnahmen gegen die Einfuhr und den Anbau genmanipulierter
Nahrungsmittel und Pflanzen abzuhalten
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