Letzte Phase vor dem Krieg
Der Westen scheitert mit seiner Sanktionspolitik gegen Iran
Andreas Zumach
Vor 67 Jahren begann mit Deutschlands Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Der
heutige 1. September wird möglicherweise in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem
der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen Iran und dem Westen in die Vorkriegsphase
eingetreten ist. Denn die Frist für die Aussetzung der Urananreicherung, die der
UN-Sicherheitsrat der iranischen Führung gesetzt hatte, ist gestern um Mitternacht
verstrichen.
Die insbesondere in Berlin, Paris und Brüssel bis zuletzt gehegten Hoffnungen, Teheran
möge durch ein Signal des Einlenkens in letzter Minute den Mitgliedsstaaten des
Sicherheitsrats noch einen gesichtswahrenden Ausstieg aus der eigenen Sanktionsdrohung
ermöglichen, haben sich als Illusion erwiesen. Die durch die westliche Eskalationspolitik
gestärkte Hardlinerfraktion in Teheran hat sich in der Atomfrage bis auf weiteres
durchgesetzt. Diese Fraktion weiß sehr genau, dass die Sanktionsdrohungen weitgehend leer
waren. Dennoch wollen die drei westlichen ständigen Ratsmitglieder sowie Deutschland ihre
kontraproduktive Politik der Sanktionen fortsetzen. Zur Begründung heißt es, der
Sicherheitsrat müsse nun "konsequent" bleiben und sich "an seine eigenen
Resolutionen halten". Wenn diese Kriterien doch nur auch für die Umsetzung etwa
jener UNO-Resolutionen gelten würden, die seit Jahrzehnten den Rückzug Israels auf seine
Grenzen von 1967 fordern.
Im Fall von Sanktionen gegen Teheran wird die Fortsetzung der bisherigen Strategie des
Drucks das Desaster der westlichen Iranpolitik nur noch vergrößern. Denn einen Beschluss
des Sicherheitsrats zur Verhängung spürbarer Sanktionen gegen Iran wird es nicht geben.
Und die Ankündigung der USA, in diesem Fall eine "Koalition der sanktionswilligen
Staaten" außerhalb der UNO zu bilden, dürfte Teheran wenig beeindrucken. Denn die
wichtigsten Handelspartner Irans werden dieser Koalition nicht beitreten. Damit steigt der
Druck auf die Bush-Administration, ihr Gesicht zu wahren, und verengen sich ihre
Handlungsspielräume gegenüber Teheran in gefährlicher Weise auf die militärische
Option.
|