Geld für Saddam
Andreas Zumach
Rund die Hälfte der 4.500 Firmen aus 66 Staaten sowie zahlreiche Einzelpersonen, die
in den Jahren 1996 bis 2003 als Ölkäufer oder Lieferanten humanitärer Hilfsgüter am
Programm "Öl für Nahrungsmittel" (ÖfN) der UNO im Irak beteiligt waren,
sollen Schmiergelder oder illegale Preisaufschläge an das Regime von Exdiktator Saddam
Hussein in Höhe von insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar gezahlt haben. Zu den Firmen, die
sich auf diese Weise der Bestechung und Korruption schuldig gemacht haben, gehören auch
die deutschen Konzerne DaimlerChrysler und Siemens. Das geht aus dem über 640-seitigen
Abschlussbericht der Untersuchungskommission unter Vorsitz des ehemaligen
US-Notenbankchefs Paul Volcker hervor, der am Donnerstagnachmittag in New York
veröffentlichte wurde. Volker und UNO-Generalsekretär Kofi Annan forderten die
Ermittlungsbehörden in den 66 Ländern auf, Strafverfahren gegen die beschuldigten Firmen
und Einzelpersonen einzuleiten.
DaimlerChrysler wird in dem Bericht vorgeworfen, wissentlich oder auf andere Weise
Schmiergelder in Höhe von 7.134 Dollar gezahlt, um vom Regime in Bagdad Aufträge für
die Lieferung von Fahrzeugen zu erhalten, die für die Auslieferung humanitärer Güter an
die Bevölkerung benötigt wurden. Die Zahlungen seien einem Gebietsverkaufsleiter des
Konzerns bekannt gewesen. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass weitere Personen
im Konzern über die illegalen Machenschaften eingeweiht gewesen seien. Dem Unternehmen
sei die Sachlage bekannt, wie es bereits in seinem Quartalsbericht mitgeteilt habe,
erklärte ein Konzernsprecher.
Der Siemens-Konzern wird beschuldigt, drei Firmen aus dem Konzernverbund (Siemens France,
Siemens Türkei sowie die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Osram Middle
East) hätten im Bemühen um Aufträge aus Bagdad insgesamt 1,6 Millionen Dollar
Schmiergelder gezahlt. Siemens erklärte, der Konzern lehne eine Stellungnahme zu den
Anschuldigungen zum jetzigen Zeitpunkt ab.
Die Untersuchungskommission wirft dem für die politische Kontrolle über das
ÖfN-Programm verantwortlichen UNO-Sicherheitsrat und dem für die operative Abwicklung
zuständigen Irakbüro in der New Yorker UNO-Zentrale schweres Versagen vor. Die
Aufsichts- und Kontrollmoral unter den zuständigen UNO-MitarbeiterInnen wurde nach
Einschätzung eines führenden Mitglieds der Kommission erheblich geschwächt durch die
Tatsache, dass das Regime von Saddam Hussein während des siebenjährigen Laufzeit des
ÖfN-Programms trotz völkerrechtlicher Sanktionsbeschlüsse des Sicherheitsrats 10,99
Milliarden Dollar illegale Einnahmen verbuchen konnte durch Ölschmuggel in die mit den
USA verbündeten Nachbarländer Türkei und Jordanien. Dieser Ölschmuggel erfolgte mit
Wissen und Duldung der beiden ständigen Ratsmitglieder USA und Großbritannien - deren
Luftstreitkräfte seit 1991 das nordwestliche Territorium Iraks und seine Grenzen mit der
Türkei und Syrien überwachten - sowie mit ausdrücklicher Unterstützung des
US-Außenministeriums. Der Ölschmuggel lief bereits seit Jahren ungehindert, als das
Regime von Saddam Hussein im Jahre 1999 begann, von am ÖfN-Programm beteiligten Firmen
und Einzelpersonen Schmiergelder oder illegale Preisaufschläge zu verlangen. "Warum
sollten wir uns noch gegen diese Korruption engagieren angesichts der sehr viel höheren
Einnahmen Bagdads aus dem Ölschmuggel", erklärte eine ranghoher UN-Mitarbeiter
gegenüber den Ermittlern der Volcker-Kommission. In den ersten drei Jahren des
ÖfN-Programms hatten UN-Mitarbeiter in 70 Fällen vom Sicherheitsrat die Überprüfung
verdächtiger Verträge des Regimes verlangt. Der Rat handelte in keinem einzigen Fall.
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