TAZ
29. Oktober 2005


Geld für Saddam

Andreas Zumach

Rund die Hälfte der 4.500 Firmen aus 66 Staaten sowie zahlreiche Einzelpersonen, die in den Jahren 1996 bis 2003 als Ölkäufer oder Lieferanten humanitärer Hilfsgüter am Programm "Öl für Nahrungsmittel" (ÖfN) der UNO im Irak beteiligt waren, sollen Schmiergelder oder illegale Preisaufschläge an das Regime von Exdiktator Saddam Hussein in Höhe von insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar gezahlt haben. Zu den Firmen, die sich auf diese Weise der Bestechung und Korruption schuldig gemacht haben, gehören auch die deutschen Konzerne DaimlerChrysler und Siemens. Das geht aus dem über 640-seitigen Abschlussbericht der Untersuchungskommission unter Vorsitz des ehemaligen US-Notenbankchefs Paul Volcker hervor, der am Donnerstagnachmittag in New York veröffentlichte wurde. Volker und UNO-Generalsekretär Kofi Annan forderten die Ermittlungsbehörden in den 66 Ländern auf, Strafverfahren gegen die beschuldigten Firmen und Einzelpersonen einzuleiten.

DaimlerChrysler wird in dem Bericht vorgeworfen, wissentlich oder auf andere Weise Schmiergelder in Höhe von 7.134 Dollar gezahlt, um vom Regime in Bagdad Aufträge für die Lieferung von Fahrzeugen zu erhalten, die für die Auslieferung humanitärer Güter an die Bevölkerung benötigt wurden. Die Zahlungen seien einem Gebietsverkaufsleiter des Konzerns bekannt gewesen. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass weitere Personen im Konzern über die illegalen Machenschaften eingeweiht gewesen seien. Dem Unternehmen sei die Sachlage bekannt, wie es bereits in seinem Quartalsbericht mitgeteilt habe, erklärte ein Konzernsprecher.

Der Siemens-Konzern wird beschuldigt, drei Firmen aus dem Konzernverbund (Siemens France, Siemens Türkei sowie die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Osram Middle East) hätten im Bemühen um Aufträge aus Bagdad insgesamt 1,6 Millionen Dollar Schmiergelder gezahlt. Siemens erklärte, der Konzern lehne eine Stellungnahme zu den Anschuldigungen zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Die Untersuchungskommission wirft dem für die politische Kontrolle über das ÖfN-Programm verantwortlichen UNO-Sicherheitsrat und dem für die operative Abwicklung zuständigen Irakbüro in der New Yorker UNO-Zentrale schweres Versagen vor. Die Aufsichts- und Kontrollmoral unter den zuständigen UNO-MitarbeiterInnen wurde nach Einschätzung eines führenden Mitglieds der Kommission erheblich geschwächt durch die Tatsache, dass das Regime von Saddam Hussein während des siebenjährigen Laufzeit des ÖfN-Programms trotz völkerrechtlicher Sanktionsbeschlüsse des Sicherheitsrats 10,99 Milliarden Dollar illegale Einnahmen verbuchen konnte durch Ölschmuggel in die mit den USA verbündeten Nachbarländer Türkei und Jordanien. Dieser Ölschmuggel erfolgte mit Wissen und Duldung der beiden ständigen Ratsmitglieder USA und Großbritannien - deren Luftstreitkräfte seit 1991 das nordwestliche Territorium Iraks und seine Grenzen mit der Türkei und Syrien überwachten - sowie mit ausdrücklicher Unterstützung des US-Außenministeriums. Der Ölschmuggel lief bereits seit Jahren ungehindert, als das Regime von Saddam Hussein im Jahre 1999 begann, von am ÖfN-Programm beteiligten Firmen und Einzelpersonen Schmiergelder oder illegale Preisaufschläge zu verlangen. "Warum sollten wir uns noch gegen diese Korruption engagieren angesichts der sehr viel höheren Einnahmen Bagdads aus dem Ölschmuggel", erklärte eine ranghoher UN-Mitarbeiter gegenüber den Ermittlern der Volcker-Kommission. In den ersten drei Jahren des ÖfN-Programms hatten UN-Mitarbeiter in 70 Fällen vom Sicherheitsrat die Überprüfung verdächtiger Verträge des Regimes verlangt. Der Rat handelte in keinem einzigen Fall.