TAZ
22. März 2005


Kofi Annan setzt eine Frist

Der UNO-Generalsekretär drängt die Generalversammlung mit deutlichen Worten zur Reform der Weltorganisation. Im September wird abgestimmt.

Andreas Zumach

"In größerer Freiheit: Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte für alle". Unter diesem Titel hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan der Generalversammlung in New York am Montag den umfassendsten Plan zur Reform der Vereinten Nationen seit ihrer Gründung vor 60 Jahren vorgelegt. Für die Umsetzung fast all seiner Vorschläge regt Annan konkrete Zeitpläne an. Doch welche Teile tatsächlich realisiert werden, wie vollständig und unverwässert, und bis wann - das liegt von nun an ausschließlich in der Verantwortung der 191 UNO-Mitgliedstaaten.

Der Generalsekretär mahnt diese in deutlichen Worten, dass nach all den UNO-Konferenzen, Beschlüssen und Reformempfehlungen seit Anfang der 90er-Jahre nun "endlich die Zeit" zum Handeln gekommen sei. In erster Linie geht es Annan um "die fristgemäße Implementierung" der im Sommer 2000 von einem UNO-Gipfel beschlossenen "Millenniumsziele" zur Halbierung der weltweiten Armut bis 2015. Weiter nimmt er die meisten der Reformvorschläge auf, die eine von ihm eingesetzte Expertenkommission, das High Panel, im Dezember zu den globalen Herausforderungen vorgelegt hatte.

Mit der Umsetzung seiner Reformvorschläge sollten die Mitgliedstaaten "nicht warten" bis zum für Mitte September angesetzten UNO-Gipfeltreffen in New York, schreibt Annan. Wesentliche Vorentscheidungen sollten bereits in den nächsten knapp sechs Monaten erfolgen. Zur fristgemäßen Umsetzung der Millenniumsziele schlägt der Generalsekretär vor, dass die Industriestaaten des Nordens sich zur Erfüllung ihres Versprechens, die Entwicklungshilfeausgaben auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts zu erhöhen, "umgehend" auf folgenden Zeitplan verpflichten: "spätestens 2006" soll "ein erster deutlicher Schritt der Erhöhung" stattfinden; 2009 sollen mindestens 0,5 Prozent erreicht sein und "spätestens 2015" dann das Ziel 0,7 Prozent. Die Entwicklungsländer fordert Annan auf, ihrerseits noch in diesem Jahr nationale Strategiepläne zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu den Millenniumszielen vorzulegen. Entwicklungsländer, die dieser Aufforderung nachkommen, sollten spätestens ab 2006 "deutlich erhöhte" Entwicklungshilfegelder erhalten.

Schließlich appelliert Annan an die Industriestaaten, ihre Importzölle und andere Einfuhrhemmnisse für Produkte aus den 48 "am wenigsten entwickelten Staaten" umgehend aufzuheben und "dafür zu sorgen", dass in der seit 2001 laufenden Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO die damals gemachten Versprechungen an die Entwicklungsländer auch tatsächlich erfüllt werden.

Während die Maßnahmen zum Umsetzen der Millenniumsziele keine neuen Entscheidungen erfordern, sind Annans Vorschläge zu institutionellen Reformen der UNO abhängig von Beschlüssen der Generalversammlung. Annan strebt an, dass diese Beschlüsse im Konsens erfolgen. Ausdrücklich fordert er die Mitgliedstaaten auf, bereits "vor September" einen Konsensbeschluss zur Erweiterung des Sicherheitsrates zu fassen. Sollte indes keine Einigung auf eines der vorliegenden Reformmodelle gelingen (siehe Text unten), müsse im September notfalls eine Kampfabstimmung stattfinden.

Weitere institutionelle Reformvorschläge Annans zielen auf eine Aufwertung des Wirtschafts- und Sozialrats (Ecosoc), auf die Schaffung einer UNO-Institution für "nachhaltige Friedensmaßnahmen" nach kriegerischen Konflikten sowie auf eine Umwandlung der Menschenrechtskommission in einen Menschenrechtsrat (siehe unten).

Daneben regt der Generalsekretär schließlich eine Reihe politischer Selbstverpflichtungen an. So sollen die Mitgliedstaaten per Resolution in der Generalversammlung ausdrücklich ihre "Verantwortung zum Schutz" ihrer BürgerInnen vor schweren Menschenrechtsverletzungen anerkennen. Ist eine Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, diese Verantwortung wahrzunehmen, soll der Sicherheitsrat das Recht erhalten, in die "inneren Angelegenheiten" eines Staates zu intervenieren - notfalls auch mit militärischen Mitteln.