TAZ
16. September 2005


Ein Begräbnis dritter Klasse für die G 4

Andreas Zumach

Das Bemühen um einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat ist gescheitert, auch wenn Joschka Fischer bei seinem wohl letzten internationalen Auftritt als Außenminister den Anspruch bekräftigt. Die Gipfelergebnisse hält er für unzureichend.

Bundesaußenminister Joschka Fischer hat die Abschlusserklärung des New Yorker UNO-Gipfels als unzureichend kritisiert. Bei seiner halbtägigen Reise nach New York - voraussichtlich sein letzter Auftritt als Bundesaußenminister auf internationalem Parkett - wollte sich Fischer gestern vorrangig um den Iran und die Erweiterung des Sicherheitsrates kümmern.

Die Abschlusserklärung habe zwar Fortschritte bei einigen Themen erbracht, erklärte Fischer in einem Interview mit der ARD. Doch sei es "ein großes Problem", dass das Thema Abrüstung, insbesondere die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, in der Schlusserklärung des Gipfels nicht vorkomme. Dies hatten die USA nicht zugelassen. Fischer kritisierte, auch die Menschenrechtsproblematik sei von einer "breiten Koalition" so verwässert worden, dass er die Kritik von Nichtregierungsorganisationen nachvollziehen könne. Insgesamt sei das Ergebnis des Gipfels "durchwachsen".

Fischer erklärte, entweder gelinge es mit einer starken UN die Globalisierung zu gestalten, oder "die Globalisierung wird uns in ihren Griff nehmen". Zu einer Gesamtreform der Weltorganisation gehöre auch eine Reform des UN-Sicherheitsrats. Hier sei "ein europäischer Sitz nicht erreichbar". Daher werde Deutschland seine Bemühungen um einen ständigen nationalen Sitz "aufrechterhalten".

Das ist allerdings weder wahrscheinlich - weil nach der Bundestagswahl weder eine schwarz-gelbe noch eine große Koalition dieses Ansinnen weiterverfolgen wird -, noch hätte die Fortsetzung der Bemühungen Aussicht auf Erfolg. Gestern Nachmittag wollte sich Fischer mit seinen drei G-4-Amtskollegen aus Indien, Brasilien und Japan treffen, um den Antrag auf Erweiterung des Sicherheitsrates zu bekräftigen, den sie im Juni in die 59. Generalversammlung eingebracht hatten. Der Antrag, der die Schaffung ständiger Sicherheitsratssitze für die G 4 sowie für zwei afrikanische Staaten vorsieht, hatte jedoch trotz monatelanger intensiver Werbekampagnen und Bestechungsversuche der vier Antragsteller keine Chance auf die zu seiner Annahme erforderliche Zweidrittelmehrheit von 128 der 191 Mitglieder der Generalversammlung.

In der Abschlusserklärung des Gipfels wird lediglich in unverbindlichen Formulierungen die Absicht bekräftigt, die Bemühungen zu einer Reform des Sicherheitsrates fortzusetzen. Bis Ende des Jahres soll die Generalversammlung einen Bericht über den Stand der Diskussion vorlegen. Der Botschafter eines westlichen Landes, das den Antrag der G 4 unterstützt hatte, bezeichnete diese Formulierung gegenüber der taz als "Begräbnis dritter Klasse für die Bestrebungen der G 4". Ein hoher Beamter aus dem Auswärtigen Amt hatte bereits Anfang September eingeräumt, der Antrag der G 4 sei "vorläufig in den Gefrierschrank gelegt" worden.

Gemeinsam mit den Außenministern Frankreichs und Großbritanniens wollte Fischer gestern in New York auch mit dem neuen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedineschad zu Erörterungen über das umstrittene Atomprogramm Irans zusammentreffen. Ahmedineschad hatte in seiner Rede vor dem UNO-Gipfel am Mittwoch das "uneingeschränkte Recht" seines Landes auf die Nutzung der atomaren Technologie zur Energiegewinnung betont und bekräftigt, Iran strebe keine Atomwaffen an. Der iranische Präsident übte scharfe Kritik an der "kriegstreiberischen Politik" der USA. Bereits vor Beginn seiner Rede hatten US-Außenministerin Condoleezza Rice und sämtliche US-Diplomaten den Sitzungssaal verlassen.