UNO-Kommission unter Reformdruck
Die Jahresversammlung der Menschenrechtskommission in Genf steht unter massiver
Kritik. Die Hälfte der Delegationen will Kritik zur Lage in ihren Ländern verhindern.
Das liegt auch am derzeitigen Verfahren zur Bestimmung der Mitgliedstaaten.
Andreas Zumach
Die Menschenrechtskommission (MRK) der UNO, deren 61. Jahresversammlung am Montag in
Genf eröffnet wurde, steht stärker als je zuvor in ihrer Geschichte in der Kritik und
unter Reformdruck. Die aus 53 Staaten bestehende "ständige Kommission" der
UNO-Generalversammlung hat den Auftrag, die weltweite Achtung der Menschenrechte zu
fördern, die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu stärken, bei
Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern tätig zu werden und den 191
UNO-Mitgliedstaaten beim Auf- und Ausbau ihrer Kapazitäten zum Schutz der Menschenrechte
zu helfen.
"Die Fähigkeit der Kommission, diese Aufgaben zu erfüllen, ist in den letzten
Jahren durch nachlassende Glaubwürdigkeit und Professionalität untergraben worden",
schreibt der von UNO-Generalsekretär Kofi Annan berufene Expertenausschuss ("High
Panel") zur Reform der UNO in seinem Ende 2004 vorgelegten Bericht. Über die
konkreten Vorschläge des "High Panels" zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit,
Professionalität und Effektivität nicht nur der MRK, sondern der Menschenrechtsarbeit
der UNO insgesamt, soll im Herbst die Generalversammlung in New York erste Entscheidungen
treffen.
Das "schwierigste und heikelste Thema" ist - nicht nur nach Meinung des
"High Panels" - die Zusammensetzung der MRK. Ihre Mitglieder werden im
Dreijahresrhythmus von den Regionalgruppen der Generalversammlung bestimmt. "Dieses
Verfahren führt dazu, dass in diesem Jahr nur die Hälfte der nach Genf entsandten 53
Regierungsdelegationen tatsächlich an der Stärkung der Menschenrechte interessiert ist,
während es den anderen in erster Linie darum geht, Kritik an der Menschenrechtslage in
ihren Ländern zu verhindern", kritisierte der Exekutivdirektor von Human Rights
Watch (HRW), Kenneth Roth, zum Auftakt der diesjährigen Sitzung. Aktuell entzündet sich
die Kritik vor allem daran, dass die afrikanische Regionalgruppe ausgerechnet Sudan zum
MRK-Mitglied für die Jahre 2005-2007 bestimmt hat.
In dem Reformvorschlag des "High Panel", die Mitgliedschaft in der MRK zu
"universalisieren", also auf alle 191 UNO-Staaten auszudehnen, können HRW und
andere Menschenrechtsorganisationen allerdings "keinen Fortschritt erkennen".
Sie plädieren stattdessen dafür, die Mitgliedschaft eines Staates in der MRK künftig
von "inhaltlichen Kriterien abhängig zu machen". Wichtigstes Kriterium wäre
die Ratifizierung aller wesentlichen Menschenrechtskonventionen und die Überprüfung
ihrer Einhaltung durch Sonderberichterstatter der UNO.
Übereinstimmend fordern alle bislang vorliegenden Reformvorschläge verstärkte
Kompetenzen der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte sowie eine deutlich verbesserte
Finanzierung der Menschenrechtsarbeit. Die MRK will in den nächsten sechs Wochen zwar
über die diversen Reformvorschläge diskutieren. Vielleicht wird sie sogar den einen oder
anderen Vorschlag zur Annahme empfehlen. Doch alles deutet darauf hin, dass die 61.
Jahreskonferenz der MRK viel Stoff liefern wird für Kritik an ihrer mangelnden
Glaubwürdigkeit.
Eine Gruppe "gleichgesinnter Staaten" um China, Sudan, Zimbabwe, Indonesien,
Myramar sowie Pakistan (auch im Namen anderer islamischer Staaten) kündigte gestern
bereits grundsätzlichen Widerstand gegen Länderresolutionen an. Die EU erwägt
ernsthaft, in diesem Jahr erst gar keine Anträge zur Menschenrechtssituation in
Tschetschenien oder China einzubringen, weil "eine Abstimmungsniederlage bei den von
Kritik verschonten Regierungen sonst als Sieg und Bestätigung verbucht würde". Und
die Menschenrechtsverstöße der USA etwa in Guantánamo sind "ein derart heißes
Eisen" - so ein EU-Diplomat -, dass sie, mit Ausnahme vielleicht von Kuba,
wahrscheinlich kein Land ansprechen wird.
|