TAZ
16. März 2005


UNO-Kommission unter Reformdruck

Die Jahresversammlung der Menschenrechtskommission in Genf steht unter massiver Kritik. Die Hälfte der Delegationen will Kritik zur Lage in ihren Ländern verhindern. Das liegt auch am derzeitigen Verfahren zur Bestimmung der Mitgliedstaaten.

Andreas Zumach

Die Menschenrechtskommission (MRK) der UNO, deren 61. Jahresversammlung am Montag in Genf eröffnet wurde, steht stärker als je zuvor in ihrer Geschichte in der Kritik und unter Reformdruck. Die aus 53 Staaten bestehende "ständige Kommission" der UNO-Generalversammlung hat den Auftrag, die weltweite Achtung der Menschenrechte zu fördern, die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu stärken, bei Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern tätig zu werden und den 191 UNO-Mitgliedstaaten beim Auf- und Ausbau ihrer Kapazitäten zum Schutz der Menschenrechte zu helfen.

"Die Fähigkeit der Kommission, diese Aufgaben zu erfüllen, ist in den letzten Jahren durch nachlassende Glaubwürdigkeit und Professionalität untergraben worden", schreibt der von UNO-Generalsekretär Kofi Annan berufene Expertenausschuss ("High Panel") zur Reform der UNO in seinem Ende 2004 vorgelegten Bericht. Über die konkreten Vorschläge des "High Panels" zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit, Professionalität und Effektivität nicht nur der MRK, sondern der Menschenrechtsarbeit der UNO insgesamt, soll im Herbst die Generalversammlung in New York erste Entscheidungen treffen.

Das "schwierigste und heikelste Thema" ist - nicht nur nach Meinung des "High Panels" - die Zusammensetzung der MRK. Ihre Mitglieder werden im Dreijahresrhythmus von den Regionalgruppen der Generalversammlung bestimmt. "Dieses Verfahren führt dazu, dass in diesem Jahr nur die Hälfte der nach Genf entsandten 53 Regierungsdelegationen tatsächlich an der Stärkung der Menschenrechte interessiert ist, während es den anderen in erster Linie darum geht, Kritik an der Menschenrechtslage in ihren Ländern zu verhindern", kritisierte der Exekutivdirektor von Human Rights Watch (HRW), Kenneth Roth, zum Auftakt der diesjährigen Sitzung. Aktuell entzündet sich die Kritik vor allem daran, dass die afrikanische Regionalgruppe ausgerechnet Sudan zum MRK-Mitglied für die Jahre 2005-2007 bestimmt hat.

In dem Reformvorschlag des "High Panel", die Mitgliedschaft in der MRK zu "universalisieren", also auf alle 191 UNO-Staaten auszudehnen, können HRW und andere Menschenrechtsorganisationen allerdings "keinen Fortschritt erkennen". Sie plädieren stattdessen dafür, die Mitgliedschaft eines Staates in der MRK künftig von "inhaltlichen Kriterien abhängig zu machen". Wichtigstes Kriterium wäre die Ratifizierung aller wesentlichen Menschenrechtskonventionen und die Überprüfung ihrer Einhaltung durch Sonderberichterstatter der UNO.

Übereinstimmend fordern alle bislang vorliegenden Reformvorschläge verstärkte Kompetenzen der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte sowie eine deutlich verbesserte Finanzierung der Menschenrechtsarbeit. Die MRK will in den nächsten sechs Wochen zwar über die diversen Reformvorschläge diskutieren. Vielleicht wird sie sogar den einen oder anderen Vorschlag zur Annahme empfehlen. Doch alles deutet darauf hin, dass die 61. Jahreskonferenz der MRK viel Stoff liefern wird für Kritik an ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit.

Eine Gruppe "gleichgesinnter Staaten" um China, Sudan, Zimbabwe, Indonesien, Myramar sowie Pakistan (auch im Namen anderer islamischer Staaten) kündigte gestern bereits grundsätzlichen Widerstand gegen Länderresolutionen an. Die EU erwägt ernsthaft, in diesem Jahr erst gar keine Anträge zur Menschenrechtssituation in Tschetschenien oder China einzubringen, weil "eine Abstimmungsniederlage bei den von Kritik verschonten Regierungen sonst als Sieg und Bestätigung verbucht würde". Und die Menschenrechtsverstöße der USA etwa in Guantánamo sind "ein derart heißes Eisen" - so ein EU-Diplomat -, dass sie, mit Ausnahme vielleicht von Kuba, wahrscheinlich kein Land ansprechen wird.