Pascal Lamy darf den Welthandel steuern
Andreas Zumach
Nachdem der uruguayische Gegenkandidat der "Länder des Südens"
zurücktrat, gilt die Wahl des ehemaligen EU-Handelsministers als sicher. Der frühere
vehemente Verteidiger von Agrarsubventionen gilt inzwischen als moderat.
Es scheint so gut wie sicher: Neuer Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO)
in Genf wird der Franzose Pascal Lamy. Damit konnte die Europäische Union ihren
Kandidaten durchsetzen. Eine wesentliche Vorentscheidung zugunsten des früheren
EU-Handelskommissars fiel am Freitag mit dem Rückzug seines letzten verbliebenen
Gegenkandidaten, des uruguayischen Handelsdiplomaten Carlos Perez del Castillo.
Der Posten des WTO-Generaldirektors muss zum 1. September neu besetzt werden, wenn der
derzeitige Amtsinhaber Supachai Panitchpakdi aus Thailand abtritt und neuer Chef der
UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) wird. Um seine Nachfolge hatten sich
neben Lamy und del Castillo ursprünglich auch zwei Kandidaten aus Brasilien und Mauritius
beworben. Diese beiden schieden aus, nachdem sie bei zwei Testabstimmungen unter den 148
WTO-Mitgliedsstaaten jeweils schlechter als Lamy und Castillo abgeschnitten hatten.
Nach dem Rückzug Castillos wurde in Genf damit gerechnet , dass die dreiköpfige
Findungskommission der WTO den Mitgliedsstaaten Lamy als Kandidaten vorschlägt. Die
endgültige Wahl des neuen Generaldirektors erfolgt dann durch Konsens der 148 Mitglieder.
Für Lamy sprachen sich während des seit Januar laufenden Auswahlverfahrens neben der EU
und weiteren 20 europäischen Staaten die USA, Japan und Australien aus.
Die theoretische Möglichkeit, dass doch noch Mitglieder Lamy ihre Zustimmung
verweigern, gilt als unwahrscheinlich. China und Brasilien, die beiden Führungsländer
der Gruppe von über 20 Staaten aus Asien, Lateinamerika und Afrika (G 20), die
ursprünglich auf einem neuen WTO-Generaldirektor aus dem Süden bestanden, haben ihre
Bedenken seit der ersten Testabstimmung nicht wiederholt. Aus diplomatischen Kreisen in
Genf und in New York verlautete, die Vorbehalte Chinas und anderer asiatischer Staaten
gegen Lamy seien von Brüssel und Washington mit der Zusage überwunden worden, nächstes
Jahr werde ein Asiat zum Nachfolger von UNO-Generalsekretär Kofi Annan gewählt.
Lamy, Mitglied der sozialistischen Partei Frankreichs, war in den 90er-Jahren zunächst
enger Mitarbeiter des EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, bevor er als
Handelskommissar sieben Jahre lang die Interessen der EU in der WTO vertrat. Mit seiner
zunächst kompromisslosen Verteidigung der Subventionspolitik der EU im Agrarbereich war
Lamy mitverantwortlich für das Scheitern der beiden WTO-Ministerkonferenzen in Seattle
1999 und in Cancún 2003. Doch seit Cancún trug Lamy dazu bei, dass die Haltung der
französischen Regierung und damit auch der EU in dieser Frage flexibler wurde.
Washingtons frühe Unterstützung für seine Kandidatur erhielt der EU-Kandidat Lamy
bereits im Februar, nachdem die EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien der
Bush-Administration ihre Unterstützung für Paul Wolfowitz als neuen Präsidenten der
Weltbank zugesagt hatten.
Viele WTO-Mitgliedstaaten aus dem Norden hoffen, dass ein Generaldirektor Lamy die 2001
in Doha ausgerufene Verhandlungsrunde der WTO bis Ende dieses Jahres zu einem
erfolgreichen Abschluss führt. Diplomaten aus Ländern des Südens sowie unabhängige
WTO-Experten rechnen mit dem Abschluss allerdings frühestes für 2.006.
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