Vorbild Baumwollfarmer
Die USA geraten in Widerspruch zur eigenen Freihandelstheorie
Andreas Zumach
Das letztinstanzliche und damit verbindliche Urteil der Welthandelsorganisation (WTO)
gegen Washingtons Praxis der Exportkredite zur Subventionierung der US-Baumwollfarmer ist
bedeutsam: nicht nur für die Baumwollindustrie Brasiliens und vor allem armer
westafrikanischer Staaten, deren erhebliche Benachteiligung auf dem Weltmarkt nun bald ein
Ende haben könnte. Andere Länder werden sich nun ermutigt fühlen, bei der WTO auch
gegen die Exportkredite zu klagen, mit denen es die Bush-Administration bislang noch den
US-Produzenten von Soja, Mais, Weizen und Fleisch (neben Baumwolle die vier Agrargüter
mit dem größten Welthandelsvolumen) ermöglicht, ihre Erzeugnisse zu Dumpingpreisen im
Ausland zu verkaufen.
Trotz dieser Subventionspraxis mussten die USA ihre jahrzehntelange
Weltmarktführungsrolle bei all diesen vier Produkten im vergangenen Jahr erstmals an
China abgeben. Zugleich verloren die USA 2004 auch in den klassischen Industriesektoren
wie Stahl und Maschinenbau erneut Marktanteile. Und dies nicht nur gegenüber
Billiglohnländern wie China, sondern auch gegenüber den vergleichbar entwickelten
Industriestaaten der Europäischen Union, Kanada und Japan.
Die abnehmende Konkurrenzfähigkeit der USA auf den Exportmärkten und der stark
wachsende Importdruck aus China erhöht in Washington die Versuchung zu
protektionistischen Maßnahmen und bringt die Bush-Administration immer stärker in
Widerspruch zur eigenen Freihandelsrhetorik sowie zur WTO, deren Gründung die USA einst
mit durchgesetzt hatten. Das Baumwoll-Urteil ist bereits die vierte Entscheidung eines
WTO-Schiedsgerichts innerhalb von zwei Jahren, bei denen protektionistische Maßnahmen der
USA als Regelverstoß verworfen und Korrekturen verlangt wurden. Ähnliche Urteile sind
absehbar. Verweigert Washington - wie im aktuellen Fall angedroht - die verlangten
Korrekturen, steigt das Konfliktpotenzial in der WTO erheblich. Kommt Bush den Forderungen
aber nach, gefährdet das die Wahlchancen der Republikaner.
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