TAZ
05. März 2005


Vorbild Baumwollfarmer

Die USA geraten in Widerspruch zur eigenen Freihandelstheorie

Andreas Zumach

Das letztinstanzliche und damit verbindliche Urteil der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Washingtons Praxis der Exportkredite zur Subventionierung der US-Baumwollfarmer ist bedeutsam: nicht nur für die Baumwollindustrie Brasiliens und vor allem armer westafrikanischer Staaten, deren erhebliche Benachteiligung auf dem Weltmarkt nun bald ein Ende haben könnte. Andere Länder werden sich nun ermutigt fühlen, bei der WTO auch gegen die Exportkredite zu klagen, mit denen es die Bush-Administration bislang noch den US-Produzenten von Soja, Mais, Weizen und Fleisch (neben Baumwolle die vier Agrargüter mit dem größten Welthandelsvolumen) ermöglicht, ihre Erzeugnisse zu Dumpingpreisen im Ausland zu verkaufen.

Trotz dieser Subventionspraxis mussten die USA ihre jahrzehntelange Weltmarktführungsrolle bei all diesen vier Produkten im vergangenen Jahr erstmals an China abgeben. Zugleich verloren die USA 2004 auch in den klassischen Industriesektoren wie Stahl und Maschinenbau erneut Marktanteile. Und dies nicht nur gegenüber Billiglohnländern wie China, sondern auch gegenüber den vergleichbar entwickelten Industriestaaten der Europäischen Union, Kanada und Japan.

Die abnehmende Konkurrenzfähigkeit der USA auf den Exportmärkten und der stark wachsende Importdruck aus China erhöht in Washington die Versuchung zu protektionistischen Maßnahmen und bringt die Bush-Administration immer stärker in Widerspruch zur eigenen Freihandelsrhetorik sowie zur WTO, deren Gründung die USA einst mit durchgesetzt hatten. Das Baumwoll-Urteil ist bereits die vierte Entscheidung eines WTO-Schiedsgerichts innerhalb von zwei Jahren, bei denen protektionistische Maßnahmen der USA als Regelverstoß verworfen und Korrekturen verlangt wurden. Ähnliche Urteile sind absehbar. Verweigert Washington - wie im aktuellen Fall angedroht - die verlangten Korrekturen, steigt das Konfliktpotenzial in der WTO erheblich. Kommt Bush den Forderungen aber nach, gefährdet das die Wahlchancen der Republikaner.