TAZ
28. Juni 2004


Irak-Engagement auf kleinster Flamme

Das Nato-Gipfeltreffen in Istanbul wird lediglich Ausbildungshilfe für irakische Sicherheitskräfte beschließen. Die Afghanistan-Truppe soll um 2.000 Soldaten aufgestockt werden. Bush dringt auf die Klärung künftiger weltweiter Einsätze der Allianz

Andreas Zumach

Irak und Afghanistan sind die wichtigsten Themen des zweitägigen Nato-Gipfels, der heute Morgen unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen in Istanbul beginnt. Die wichtigste Entscheidung fiel allerdings bereits vor der ersten Arbeitssitzung der 25 Staats-und Regierungschefs. In der Nacht zum Sonntag einigten sich die Botschafter der 25 Nato-Staaten im Brüsseler Hauptquartier der Allianz auf Ausbildungshilfe für irakische Soldaten und Polizisten. Diese kann sowohl vor Ort im Irak als auch in den Nato-Mitgliedsländern stattfinden. Auf letztere Option hatten vor allem Deutschland und Frankreich, aber auch Spanien, Belgien und mindestens fünf weitere Staaten gedrungen, die nicht bereit sind, eigene Soldaten oder zivile Ausbildungskräfte in den Irak zu entsenden.

Damit fällt das Irak-Engagement der Nato weit geringer aus, als die USA in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert hatten. Die Bush-Administration verlangte ursprünglich die Entsendung von Nato-Kampftruppen, um das Bündnis in die Verantwortung für die Sicherheit im Irak zu nehmen und bis zur Präsidentschaftswahl Anfang November einen Teil der eigenen Soldaten abziehen zu können.

Noch am vergangenen Donnerstag erklärte der künftige Kommandeur der US-Truppen im Irak, General George Casey, sein "Hauptziel" sei die Stationierung einer Nato-Brigade im Irak. Mit Blick auf das heimische Wahlpublikum dürfte Präsident George Bush in Istanbul, aber auch die jetzt zustande gekommene Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner als "gemeinsame Nato-Mission im Irak" darstellen.

Diskussions- und Entscheidungsbedarf besteht noch beim Thema Afghanistan. Den Gipfelteilnehmern liegt eine konkrete Anforderung des Nato-Oberbefehlshabers für Europa, US-General James Jones, zur Stärkung der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) vor. Mit Blick auf die für Mitte September vorgesehenen Wahlen in Afghanistan fordert Jones die Aufstockung der Isaf um mindestens 2.000 Soldaten, darunter kampffähige Eingreiftruppen und Aufklärungseinheiten. Die Aufstockung solle innerhalb von 30 Tagen nach dem Nato-Gipfel beginnen. Zudem verlangt Jones fünf weitere C-130-Transportflugzeuge, zusätzliche Hubschrauber sowie medizinische Einrichtungen zur Versorgung der Isaf.

Die meisten der angeforderten 2.000 zusätzlichen Soldaten sollen nach Vorstellung des Nato-Oberbefehlshabers an fünf Orten im Norden Afghanistans in so genannten bewaffneten regionalen Wiederaufbauteams eingesetzt werden. Das bislang einzige derartige Team ist in der Nähe von Kundus stationiert und wird von der Bundeswehr gestellt. Auch die Bundesregierung dringt Nato-intern seit Monaten auf die Bildung weiterer Teams.

Schließlich soll vom Gipfel - so Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer - ein "positives Signal ausgehen" an die beitrittswilligen südosteuropäischen Staaten Kroatien, Albanien und Mazedonien. Noch offen war bislang, ob in Istanbul bereits ein Datum für Aufnahmeverhandlungen festgelegt werden soll.

Diskussionsbedarf besteht zudem über die Formulierungen der Gipfelerklärung zur Frage künftiger weltweiter Einsätze der Nato sowie zur Bekämpfung des Terrorismus. Bei beiden Themen drängt die Bush-Administration ihre 24 Partnerregierungen auf möglichst weitgehende und konkrete Festlegungen. Der Nato-Gipfel findet - nach mehreren Bombenexplosionen in Istanbul und anderen türkischen Städten in den letzten Tagen - unter den schärfsten Sicherheitsvorkehrungen der türkischen Geschichte statt.