Irak-Engagement auf kleinster Flamme
Das Nato-Gipfeltreffen in Istanbul wird lediglich Ausbildungshilfe für irakische
Sicherheitskräfte beschließen. Die Afghanistan-Truppe soll um 2.000 Soldaten aufgestockt
werden. Bush dringt auf die Klärung künftiger weltweiter Einsätze der Allianz
Andreas Zumach
Irak und Afghanistan sind die wichtigsten Themen des zweitägigen Nato-Gipfels, der
heute Morgen unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen in Istanbul beginnt. Die wichtigste
Entscheidung fiel allerdings bereits vor der ersten Arbeitssitzung der 25 Staats-und
Regierungschefs. In der Nacht zum Sonntag einigten sich die Botschafter der 25
Nato-Staaten im Brüsseler Hauptquartier der Allianz auf Ausbildungshilfe für irakische
Soldaten und Polizisten. Diese kann sowohl vor Ort im Irak als auch in den
Nato-Mitgliedsländern stattfinden. Auf letztere Option hatten vor allem Deutschland und
Frankreich, aber auch Spanien, Belgien und mindestens fünf weitere Staaten gedrungen, die
nicht bereit sind, eigene Soldaten oder zivile Ausbildungskräfte in den Irak zu
entsenden.
Damit fällt das Irak-Engagement der Nato weit geringer aus, als die USA in den
vergangenen Monaten immer wieder gefordert hatten. Die Bush-Administration verlangte
ursprünglich die Entsendung von Nato-Kampftruppen, um das Bündnis in die Verantwortung
für die Sicherheit im Irak zu nehmen und bis zur Präsidentschaftswahl Anfang November
einen Teil der eigenen Soldaten abziehen zu können.
Noch am vergangenen Donnerstag erklärte der künftige Kommandeur der US-Truppen im
Irak, General George Casey, sein "Hauptziel" sei die Stationierung einer
Nato-Brigade im Irak. Mit Blick auf das heimische Wahlpublikum dürfte Präsident George
Bush in Istanbul, aber auch die jetzt zustande gekommene Einigung auf den kleinsten
gemeinsamen Nenner als "gemeinsame Nato-Mission im Irak" darstellen.
Diskussions- und Entscheidungsbedarf besteht noch beim Thema Afghanistan. Den
Gipfelteilnehmern liegt eine konkrete Anforderung des Nato-Oberbefehlshabers für Europa,
US-General James Jones, zur Stärkung der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan
(Isaf) vor. Mit Blick auf die für Mitte September vorgesehenen Wahlen in Afghanistan
fordert Jones die Aufstockung der Isaf um mindestens 2.000 Soldaten, darunter kampffähige
Eingreiftruppen und Aufklärungseinheiten. Die Aufstockung solle innerhalb von 30 Tagen
nach dem Nato-Gipfel beginnen. Zudem verlangt Jones fünf weitere
C-130-Transportflugzeuge, zusätzliche Hubschrauber sowie medizinische Einrichtungen zur
Versorgung der Isaf.
Die meisten der angeforderten 2.000 zusätzlichen Soldaten sollen nach Vorstellung des
Nato-Oberbefehlshabers an fünf Orten im Norden Afghanistans in so genannten bewaffneten
regionalen Wiederaufbauteams eingesetzt werden. Das bislang einzige derartige Team ist in
der Nähe von Kundus stationiert und wird von der Bundeswehr gestellt. Auch die
Bundesregierung dringt Nato-intern seit Monaten auf die Bildung weiterer Teams.
Schließlich soll vom Gipfel - so Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer - ein
"positives Signal ausgehen" an die beitrittswilligen südosteuropäischen
Staaten Kroatien, Albanien und Mazedonien. Noch offen war bislang, ob in Istanbul bereits
ein Datum für Aufnahmeverhandlungen festgelegt werden soll.
Diskussionsbedarf besteht zudem über die Formulierungen der Gipfelerklärung zur Frage
künftiger weltweiter Einsätze der Nato sowie zur Bekämpfung des Terrorismus. Bei beiden
Themen drängt die Bush-Administration ihre 24 Partnerregierungen auf möglichst
weitgehende und konkrete Festlegungen. Der Nato-Gipfel findet - nach mehreren
Bombenexplosionen in Istanbul und anderen türkischen Städten in den letzten Tagen -
unter den schärfsten Sicherheitsvorkehrungen der türkischen Geschichte statt.
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