UNO zeigt sich gegen Bush immun
Die US-Regierung scheitert im UN-Sicherheitsrat mit Antrag auf Verlängerung der
Straffreiheit für ihre Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof
Andreas Zumach
"Das ist ein großer Sieg für das internationale Recht." Mit diesen Worten
begrüßte der US-Amerikaner William Pace in der Nacht zum Donnerstag, dass die
"völkerrechtswidrige Sonderbestimmung" zum 30. Juni endgültig ausläuft. Er
meinte die von der Bush-Administration erstmals im Juli 2002 im UN-Sicherheitsrat
durchgesetzte so genannte Immunitätsklausel, nach der US-Soldaten und Zivilbürger in von
der UNO mandatierten oder autorisierten Friedensmissionen Immunitätsschutz vor dem
Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) genießen. Pace ist Koordinator der
internationalen Koalition von über 1.000 Nichtregierungsorganisationen zur Unterstützung
des Strafgerichtshofes (CICC), die sich gegen die von Washington angestrebte erneute
Verlängerung der Immunitätsregel engagiert hatte.
Das Engagement der CICC sowie zuletzt deutliche Kritik von UN-Generalsekretär Kofi
Annan an den Ansinnen der Bush-Administration führten dazu, dass die USA für ihren Ende
April im Sicherheitsrat eingebrachten Verlängerungsantrag nicht die nach der UN-Charta
erforderliche Mehrheit von mindestens 9 der 15 Mitglieder fanden. 8 Staaten - China,
Russland, Frankreich, Deutschland, Spanien, Brasilien, Algerien und die Philippinen -
hatten ihre Enthaltung bereits angekündigt. Nach dem endgültigen Verzicht auf den
Verlängerungsantrag kündigte der Sprecher des State Department, Richard Boucher, in der
Nacht zum Donnerstag an, die USA würden nun ihre Teilnahme an Friedensmissionen der UNO
"überprüfen". Diese Ankündigung macht in der UNO allerdings kaum Eindruck.
Denn die USA waren seit Gründung der UNO im Jahre 1945 ohnehin viel seltener und in weit
geringerem Maße an vom Sicherheitsrat mandatierten Missionen beteiligt als viele andere,
auch sehr viel kleinere Staaten.
Nach dem im Wesentlichen von den USA verschuldeten Desaster der Somalia-Mission der UNO
1992 erklärte der damalige Präsident Bill Clinton, künftig würden "nie mehr"
US-Soldaten einem UN-Kommando unterstellt (was entgegen der offiziell kolportierten
Legende auch in Somalia gar nicht der Fall war). Seitdem sind - oder waren - US-Truppen
abgesehen von unilateralen Auslandseinsätzen höchstens noch an von Washington
kontrollierten und kommandierten Missionen der Nato oder in anderen Allianzen beteiligt
(etwa in Exjugoslawien), die vom UN-Sicherheitsrat lediglich - und manchmal auch erst nach
ihrem Beginn - autorisiert wurden.
Im Juni 2002 war die Bush-Administration im Sicherheitsrat zunächst mit dem Antrag auf
einen zeitlich unbefristeten Immunitätsschutz für Soldaten und Zivilbürger aller
Staaten gescheitert, die wie die USA dem Internationalen Strafgerichtshof nicht
beigetreten sind. Mit der Drohung, die damals gerade anstehende Verlängerung der
UN-Mission in Bosnien mit ihrem Veto zu blockieren, setzten die USA dann als
"Kompromiss" eine auf zwölf Monate begrenzte Immunitätsregel mit
Verlängerungsoption durch. Während dieser "Kompromiss" noch mit 15 zu 0
Stimmen verabschiedet wurde, stimmten dem ersten Verlängerungsantrag Washingtons im Juni
2003 nur noch 12 Ratsmitglieder zu. Russland, Frankreich und Deutschland enthielten sich.
Gegen den erneuten Verlängerungsantrag in diesem Jahr erhoben Kritiker den zusätzlichen
Einwand, bei einer Annahme würde die Immunitätsregel zum Völkergewohnheitsrecht.
Mit Verweis auf die Folter und Misshandlungen von Gefangenen im Irak und an anderen
Orten durch US-Soldaten und Zivilisten kritisierte schließlich auch UN-Generalsekretär
Annan das Ansinnen der Bush-Administration sowohl auf einer nichtöffentlichen Sitzung des
Sicherheitsrates wie gegenüber Journalisten. Die Kritik Annans habe eine "bedeutende
Wirkung" auf die Meinungsbildung im Sicherheitsrat gehabt, erklärte Spaniens
UN-Botschafter Juan Antonio Yáņez Barnuevo. Danach hatte auch Washingtons letzter
"Kompromissvorschlag" von Mittwochmorgen, die Immunitätsregel nur noch ein
letztes Mal um zwölf Monate zu verlängern und zum 30. Juni 2005 auslaufen zu lassen,
keine Chance auf die erforderliche Mehrheit.
Nach der Niederlage im UN-Sicherheitsrat wird sich die US-Regierung laut Ankündigung
ihres Botschafters James Cunningham nun verstärkt um bilaterale Immunitätsabkommen
bemühen. 90 Staaten haben sich von Washington bereits zu derartigen Abkommen drängen
lassen - darunter auch einige der 94 Länder, die dem IStGH bislang beigetreten sind. Das
nächste bilaterale Abkommen möchte Washington möglichst noch bis zum 30. Juni mit
der ab dann "souveränen" Interimsregierung im Irak abschließen.
|