Menschenrechtsverletzer unter sich
Andreas Zumach
Bei der diesjährigen Sitzung der UN-Menschenrechtskommission waren Verurteilungen von
Menschenrechtsverletzungen die Ausnahme. Alle schützen sich selbst und die eigenen
Freunde - besonders die USA, aber auch Deutschland, China und Afrika.
Mit scharfer Kritik haben unabhängige Menschenrechtsorganisationen den Verlauf und die
Ergebnisse der gestern Abend in Genf beendeten Jahrestagung der
UN-Menschenrechtskommission kommentiert. "Mehr und mehr etabliert sich in der
Kommission ein Konsens des Schweigens; grobe Verletzungen der Menschenrechte kommen nicht
mehr zur Sprache", erklärte die Organistion "International Service for Human
Rights". Auch amnesty international monierte, dass "die Kommission bei zu vielen
schweren Menschenrechtsverstößen einfach wegschaut".
Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum, bis 1998 sieben Jahre lang Leiter der deutschen
Regierungsdelegation in der Kommission und ehemaliger Sonderbeauftragter für
Menschenrechte im Sudan, hatte bereits die letztjährige Kommissionstagung als
"Tiefpunkt" der internationalen Menschenrechtsdebatte seit Ende des Kalten
Krieges bewertet - wegen der Unterordnung menschenrechtlicher Prinzipien unter die
Terrorismusbekämpfung. Diese Tendenz war in diesem Jahr noch stärker ausgeprägt.
Für einen von der EU eingebrachter Resolutionsantrag zur Verurteilung der russischen
Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien stimmten in diesem Jahr lediglich 12 der 53
Mitgliedsstaaten - 2002 war ein solcher Antrag mehrheitlich angenommen worden, was die
erste Verurteilung eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates durch die
Kommission darstellte. Die USA, denen Russland derzeit als wichtiger Partner im
"Krieg gegen den Terrorismus" gilt, verweigerten dieses Jahr eine Unterstützung
des Resolutionsantrags. Durch massiven Druck verhinderte die US-Regierung auch, dass ihre
Menschenrechtsverstöße bei der Behandlung ihrer Gefangenen auf der Militärbasis
Guantánamo von der Kommission verurteilt oder auch nur diskutiert wurden. EU und
insbesondere Deutschland leisteten Hilfestellung, indem sie Kuba dazu drängten, einen
Resolutionsantrag zu Guantánamo wieder zurückzuziehen.
Ein Resolutionsentwurf, der die Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte bei der
Bekämpfung des Terrorismus forderte, kam mit 31 gegen 14 Stimmen durch, stieß aber auf
Ablehnung aller westlichen Kommissionsmitglieder, darunter Deutschland, weil der Text auch
auf "Staatsterrorismus" Bezug nahm.
China konnte zum elften Mal seit 1993 eine Mehrheit der Kommission dazu bewegen, die
Diskussion und Abstimmung über einen von den USA eingebrachten Resolutionsantrag zu
Menschenrechtsverletzungen im bevölkerungsreichsten Land der Erde abzulehnen. Auch die
Absicht der afrikanischen Ländergruppe, kritische Resolutionen zu Simbabwe oder anderen
afrikanischen Staaten grundsätzlich zu verhindern, ging auf.
Eine der wenigen Lichtblicke war, dass die seit vielen Jahren traditionell von Italien
im Namen der EU eingebrachte Resolution zur Verurteilung der Todesstrafe mit 26 Jastimmen
diesmal eine größere Zustimmung fand als je zuvor. Unter den Ländern, die mit
"Ja" votierten, war erstmals auch die Türkei. Mit "Nein" stimmten
neben China weiterhin auch die USA. Die Delegation aus Washington lehnte darüber hinaus
sämtliche Resolutionen ab, in denen Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof
genommen wurde, sowie alle Vorlagen zur Stärkung wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Menschenrechte. Schließlich nötigten die USA gemeinsam mit dem Vatikan sowie
Pakistan und anderen islamischen Staaten Brasilien dazu, einen Resolutionsantrag zum Recht
auf sexuelle Selbstbestimmung wieder zurückzuziehen.
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