TAZ
24. April 2004


Menschenrechtsverletzer unter sich

Andreas Zumach

Bei der diesjährigen Sitzung der UN-Menschenrechtskommission waren Verurteilungen von Menschenrechtsverletzungen die Ausnahme. Alle schützen sich selbst und die eigenen Freunde - besonders die USA, aber auch Deutschland, China und Afrika.

Mit scharfer Kritik haben unabhängige Menschenrechtsorganisationen den Verlauf und die Ergebnisse der gestern Abend in Genf beendeten Jahrestagung der UN-Menschenrechtskommission kommentiert. "Mehr und mehr etabliert sich in der Kommission ein Konsens des Schweigens; grobe Verletzungen der Menschenrechte kommen nicht mehr zur Sprache", erklärte die Organistion "International Service for Human Rights". Auch amnesty international monierte, dass "die Kommission bei zu vielen schweren Menschenrechtsverstößen einfach wegschaut".

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum, bis 1998 sieben Jahre lang Leiter der deutschen Regierungsdelegation in der Kommission und ehemaliger Sonderbeauftragter für Menschenrechte im Sudan, hatte bereits die letztjährige Kommissionstagung als "Tiefpunkt" der internationalen Menschenrechtsdebatte seit Ende des Kalten Krieges bewertet - wegen der Unterordnung menschenrechtlicher Prinzipien unter die Terrorismusbekämpfung. Diese Tendenz war in diesem Jahr noch stärker ausgeprägt.

Für einen von der EU eingebrachter Resolutionsantrag zur Verurteilung der russischen Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien stimmten in diesem Jahr lediglich 12 der 53 Mitgliedsstaaten - 2002 war ein solcher Antrag mehrheitlich angenommen worden, was die erste Verurteilung eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates durch die Kommission darstellte. Die USA, denen Russland derzeit als wichtiger Partner im "Krieg gegen den Terrorismus" gilt, verweigerten dieses Jahr eine Unterstützung des Resolutionsantrags. Durch massiven Druck verhinderte die US-Regierung auch, dass ihre Menschenrechtsverstöße bei der Behandlung ihrer Gefangenen auf der Militärbasis Guantánamo von der Kommission verurteilt oder auch nur diskutiert wurden. EU und insbesondere Deutschland leisteten Hilfestellung, indem sie Kuba dazu drängten, einen Resolutionsantrag zu Guantánamo wieder zurückzuziehen.

Ein Resolutionsentwurf, der die Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus forderte, kam mit 31 gegen 14 Stimmen durch, stieß aber auf Ablehnung aller westlichen Kommissionsmitglieder, darunter Deutschland, weil der Text auch auf "Staatsterrorismus" Bezug nahm.

China konnte zum elften Mal seit 1993 eine Mehrheit der Kommission dazu bewegen, die Diskussion und Abstimmung über einen von den USA eingebrachten Resolutionsantrag zu Menschenrechtsverletzungen im bevölkerungsreichsten Land der Erde abzulehnen. Auch die Absicht der afrikanischen Ländergruppe, kritische Resolutionen zu Simbabwe oder anderen afrikanischen Staaten grundsätzlich zu verhindern, ging auf.

Eine der wenigen Lichtblicke war, dass die seit vielen Jahren traditionell von Italien im Namen der EU eingebrachte Resolution zur Verurteilung der Todesstrafe mit 26 Jastimmen diesmal eine größere Zustimmung fand als je zuvor. Unter den Ländern, die mit "Ja" votierten, war erstmals auch die Türkei. Mit "Nein" stimmten neben China weiterhin auch die USA. Die Delegation aus Washington lehnte darüber hinaus sämtliche Resolutionen ab, in denen Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof genommen wurde, sowie alle Vorlagen zur Stärkung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte. Schließlich nötigten die USA gemeinsam mit dem Vatikan sowie Pakistan und anderen islamischen Staaten Brasilien dazu, einen Resolutionsantrag zum Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wieder zurückzuziehen.