Zweierlei Maß gegen den Terror
Bei der Jahrestagung der UNO-Menschenrechtskommission hütet
man sich vor Kritik an den USA. EU will Russland wegen seiner Politik
in Tschetschenien anklagen
Andreas Zumach
Die scharfe Verurteilung der Terroranschläge von Madrid, verbunden
mit der Ermahnung an die spanische Regierung, bei der Verfolgung der
Täter einen kühlen Kopf zu bewahren und rechtsstaatliche
Prinzipien zu beachten: dieser Tenor wird voraussichtlich sämtliche
Reden bei der Eröffnung der 60. Jahrestagung der UNO-Menschenrechtskommission
(MRK) bestimmen. Heute wird Außenminister Joschka Fischer das
Wort ergreifen, bis zum 23. April folgen die AußenministerInnen
der übrigen 52 Mitgliedstaaten. Doch im Verlauf der Tagung dürfte
sich die MRK über die Themen Terrorismus und seine Bekämpfung
noch mehr zerstreiten als in den beiden Vorjahren.
Diplomaten aus den EU-Staaten, die den jüngsten Krieg im Irak
ablehnten, beschreiben den "tiefen Konflikt über diese Intervention"
als "überwunden". Jetzt stehe "das Bemühen
um Konsens auf der Tagesordnung". Dieses Bemühen geht so
weit, dass die EU-Staaten die Menschenrechtsverletzungen und Verstöße
gegen die Genfer Konventionen, derer sich die USA seit mehr als zwei
Jahren mit der Behandlung ihrer und 600 Gefangenen in Guantánamo
schuldig machen, nicht einmal zur Sprache bringen werden. Für
dieses Thema sei das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)
zuständig, und das IKRK habe die Menschenrechtskommission "nicht
ersucht, in der Guantánamo-Frage aktiv zu werden", rechtfertigt
der Botschafter eines führenden EU-Landes diese Zurückhaltung.
Menschenrechtsorganisationen haben das als "Feigheit" und
"Verrat an den menschenrechtlichen Prinzipien" kritisiert.
Allerdings will die Europäische Union einen Resolutionsentwurf
einbringen, in dem die russischen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien
kritisiert werden. Deutschland, dessen Regierungschef Gerhard Schröder
seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Jahre 2002 noch volles
Verständnis für die "Terrorismusbekämpfung"
in Tschetschenien signalisiert hatte, sei bei den internen EU-Beratungen
am "unerbittlichsten" für einen solchen Resolutionsentwurf
aufgetreten, berichten Diplomaten. Ob der Entwurf durchkommt, ist
völlig offen.
Die USA haben wiederum ihren entschiedenen Widerstand gegen den Versuch
Mexikos angekündigt, einen UN-Mechanismus zur Wahrung der Menschenrechte
bei der Terrorismusbekämpfung zu etablieren. "Die USA wollen
freie Hand haben, da stören internationale Abkommen nur",
kommentierte amnesty-internationaI-Generalsekretärin Irene Khan.
Schon vor einem Jahr hatte der langjährige Leiter der deutschen
Delegation, Exbundesinnenminister Gerhart Baum festgestellt, die Kommission
befinde sich "in der schwersten Krise seit ihrer Gründung".
Zu ähnlichen Einschätzungen waren ai, Human Rights Watch,
Reporter ohne Grenzen und andere internationale Menschenrechtsorganisationen
gelangt. Bislang gibt es keine Anzeichen für eine Überwindung
dieser Krise.
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