TAZ
10. Juni 2004


Amnesty kritisiert die Irak-Resolution

Die Hilfsorganisation vermisst verbindliche Aussagen zur Einhaltung von Menschenrechten, unter anderem, was die Behandlung von Gefangenen anbelangt. Außerdem ist offen, wie Missetäter künftig zur Verantwortung gezogen werden

Andreas Zumach

Die neue Irak-Resolution des UN-Sicherheitsrates ist bei der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international auf Kritik gestoßen. Sie moniert das Fehlen "eindeutiger und verbindlicher Menschenrechtsverpflichtungen" für die "multinationale Truppe" unter US-Kommando sowie für die künftige Interimsregierung und ihre Sicherheitskräfte. Die Regierungschefs führender Mitgliedsstaaten des Rates sowie UN-Generalsekretär Kofi Annan fanden für die am Dienstagabend einstimmig verabschiedete Resolution hingegen nur lobende Worte.

Annan nannte die Resolution "gerecht und fair". Er glaube, dass "alle Parteien mit ihr zurechtkommen werden". Die Resolution mache den Irak "frei, friedlich und demokratisch", erklärte US-Präsident George W. Bush. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach von einem "wichtigen Beitrag für mehr Stabilität im Irak und im gesamten Nahen Osten".

Amnesty international (ai) bemängelt, die Resolution enthalte lediglich einen "allgemeinen, unspezifischen Hinweis" auf die "Verpflichtung aller Kräfte", die sich für Sicherheit und Stabilität im Irak einsetzen, "in Übereinstimmung mit internationalem Recht, einschließlich der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, zu handeln". Zudem kritisiert ai, dass dieser allgemeine Hinweis nur in der Präambel der Resolution steht, nicht aber im Beschlussteil, der die Entscheidungen des Sicherheitsrats enthält.

Einen Vorschlag zur Aufnahme spezifischer Verpflichtungen in den Beschlussteil hatten die Ratsmitglieder Brasilien, Chile und Spanien bereits zu Beginn der Verhandlungen über den von den USA und Großbritannien eingebrachten Resolutionsentwurf am 24. Mai vorgelegt. Trotz Unterstützung durch eine Mehrheit der 15 Ratsstaaten wurde dieser Vorschlag jedoch von Washington und London bis zuletzt abgelehnt. Das hält ai für "besonders besorgniserregend", weil die USA in dem der Resolution als Annex beigefügten Briefwechsel zwischen US-Außenminister Colin Powell und Iraks neuem Regierungschef Ijad Allawi unbegrenzte Rechte für die "multinationale Truppe" (MNF) reklamieren, was Maßnahmen "zur Verhinderung und Abschreckung von Terrorismus" betrifft.

Unter anderem soll die MNF das Recht erhalten, "Personen zu internieren, wenn immer dies aus Gründen der Sicherheit zwingend erforderlich ist". Auch in dem Briefwechsel werden weder die rechtlichen Grundlagen für derartige weitreichende Maßnahmen benannt noch die Genfer Konventionen oder andere internationale Standards, die bei solchen Maßnahmen einzuhalten sind. Die Resolution und der Briefwechsel lassen zudem die Frage völlig offen, wie und durch wen Soldaten der MNF oder von dieser angeheuerte "private Sicherheitskräfte" künftig für Verstöße gegen internationale Normen zur Verantwortung gezogen werden sollen.

Ai fordert alle an der MNF beteiligten Staaten sowie den Irak auf, sich öffentlich und in eindeutiger Form zur Einhaltung all ihrer verbindlichen Verpflichtungen zu bekennen, die sich aus den Genfer Konventionen und anderen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts sowie aus Menschenrechtsabkommen ergeben, die von diesen Staaten ratifiziert worden sind. Der Sicherheitsrat müsse zudem "sofort klären, was mit den tausenden von Gefangenen geschehen soll, die derzeit immer noch von den Besatzungsmächten im Irak inhaftiert sind".