Bush lässt sich nicht beirren
Andreas Zumach
UNO-Generalsekretär Kofi Annan und US-Präsident George
W. Bush haben mit ihren Reden vor der UNO-Generalversammlung einen
deutlichen Kontrast gesetzt. Stellvertretend für viele Staaten
formulierte der in der Vergangenheit oft sehr US-nahe Generalsekretär
endlich eine klare und grundsätzliche Kritik an Washingtons neuer
Präventivkriegsdoktrin, die Bush vorletzte Woche noch einmal
ausdrücklich bekräftigt hatte. Dabei stellte Annan keineswegs
die "neuen Bedrohungen" in Frage, mit denen Washington die
Doktrin rechtfertigt. Aber der Generalsekretär machte deutlich,
dass diese Doktrin mit der Völkerrechtsordnung, wie sie seit
1945 entwickelt wurde, völlig unvereinbar ist. Zudem stehe sie
grundsätzlich im Widerspruch zu jedweder Form zwischenstaatlicher
Vereinbarungen und Regelsysteme.
Mit für ihn ungewohnter Deutlichkeit erinnerte Annan auch daran,
dass im Fall Irak die von Washington und London behaupteten Bedrohungen
ja nicht einmal existierten. Bush hingegen nutzte seinen Auftritt
erneut zu dem Versuch, den völkerrechtswidrigen Irakkrieg zu
rechtfertigen. Zugleich forderte der US-Präsident die anderen
Mitglieder der Weltorganisation, die mit großer Mehrheit gegen
diesen Krieg waren, auf, einen Teil der Risiken und Lasten des anglo-amerikanischen
Besatzungsregimes zu übernehmen. Diese arrogante Zumutung wird
hoffentlich bei ausnahmslos allen UNO-Staaten auf klare Ablehnung
stoßen.
Denn jedes künftige Modell internationaler Präsenz im Irak,
bei dem andere Staaten oder die UNO lediglich Handlangerrollen spielen,
wird deren Militär- und Zivilpersonal verstärkt zum Ziel
von Anschlägen machen. Die erneute Explosion einer Autobombe
vor der UNO-Zentrale in Bagdad ist hierfür ein klares Indiz.
Der Eindruck, die UNO selbst sehe sich mit einer weitergehenden Rolle
im Irak überfordert, beruht auf einem Missverständnis von
Annans kürzlichen Aussagen: Er hatte dies nur für den Fall
gemeint, dass das anglo-amerikanische Besatzungsregime fortbesteht.
Doch nur wenn es beendet wird und die UNO tatsächlich die volle
Kontrolle übernimmt, besteht zumindest noch eine Chance auf eine
Verbesserung der völlig verfahrenen Lage. Auch ein verbindlicher
Zeitplan für die Übergabe der Macht an die Iraker ist dringlich.
Bis die Bush-Administration dies einsieht, trägt sie die Hauptverantwortung
für den gewaltsamen Tod jedes US-Soldaten, UNO-Mitarbeiters oder
irakischen Zivilisten.
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