Kritik aus den Reihen der Weltorganisation
Der Anschlag von Bagdad hat bei den Vereinten Nationen einen erheblichen
Schock ausgelöst. Befürchtet werden weitere Attentate
Andreas Zumach
UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat eine Einschränkung oder
gar den Abbruch der Arbeit der Vereinten Nationen im Irak auch nach
dem verheerenden Anschlag auf die Niederlassung in Bagdad abgelehnt.
"Wir werden durchhalten, wir werden unsere Arbeit fortsetzen,
wir werden uns nicht einschüchtern lassen", erklärte
Annan gestern bei seiner vorzeitigen Abreise aus seinem Urlaub in
Schweden nach New York, wo am Abend der Sicherheitsrat in einer Sondersitzung
über die Lage im Irak beraten wollte.
Zuvor hatte UNO-Sprecher Salim Lone in Bagdad Berichte über
eine angeblich geplante Evakuierung aller UNO-MitarbeiterInnen in
das Nachbarland Jordanien als "falsch" zurückgewiesen.
Es würden lediglich MitarbeiterInnen wie geplant im Rahmen des
üblichen Rotationssystems Irak verlassen. Außerdem seien
einige der über 100 bei dem Anschlag Verletzten zur medizinischen
Behandlung nach Jordanien ausgeflogen worden.
Der Generalsekretär kündigte eine Überprüfung
der Sicherheitsvorkehrungen im Irak an. Sein Sprecher Lone hatte in
der Nacht zum Mittwoch gegenüber CNN erklärt, die UNO habe
ganz bewusst auf eine stärkere Bewachung ihrer Bagdader Zentrale
durch US-Truppen verzichtet. Wörtlich erklärte Lone: "Wir
wollten keine große amerikanische Präsenz davor, wir wollten
nicht so viele Sicherheitsleute, weil wir hier sind, um den Irakern
zu helfen."
Der folgenschwerste Anschlag auf eine Einrichtung und MitarbeiterInnen
der UNO in ihrer 58-jährigen Geschichte hat in den Hauptquartieren
in New York und Genf einen erheblichen Schock ausgelöst. Hinter
der Fassade des vom Generalsekretär demonstrierten Durchhaltewillens
wurden gestern - zunächst noch unter der Bedingung, nicht namentlich
zitiert zu werden - erhebliche Zweifel und Kritik an der derzeitigen
Rolle der Organisation im Irak und der Rolle des Generalsekretärs
geäußert. Vereinzelt wurden gestern auch Forderungen nach
einem völligen Rückzug der UNO aus Irak laut. Viele MitarbeiterInnen,
die von Anfang an von einem Engagement der Vereinten Nationen im Irak
unter der Bedingung eines amerikanisch-britischen Besatzungsregimes
abgeraten hatten, fühlen sich durch den Anschlag bestätigt.
Sollte es bei dieser Konstruktion bleiben und die UNO weiterhin auf
die Rolle eines einflusslosen Erfüllungsgehilfen beschränkt
bleiben, könne es - so eine häufig geäußerte
Befürchtung - zu weiteren Anschlägen gegen die UNO im Irak
kommen.
Auf Fragen nach einer Stärkung des UNO-Mandats im Irak oder
gar einer Übernahme der Federführung von den USA und Großbritannien
wollte sich Annans Sprecher Fred Eckhardt gestern in New York allerdings
nicht einlassen. Er deutete lediglich an, dass die UNO ein neues Konzept
für Situationen entwickeln müsse, in denen ihre Mitarbeiter
so großen Risiken ausgesetzt seien wie im Irak. Dahinter steht
auch die Befürchtung, dass Mitgliedstaaten ansonsten kein Personal
in UNO-Missionen entsenden könnten.
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