TAZ
17. März 2003

Ein letzter Tag der Diplomatie

Die USA, Großbritannien und Spanien geben der Welt nur noch einen einzigen Tag Zeit, um zu einer Entscheidung über Krieg und Frieden zu kommen.

Andreas Zumach

Dass sich US-Präsident George Bush, Großbritanniens Premierminister Tony Blair und Spaniens Ministerpräsident José Aznar noch auf weitere Kompromissbemühungen im Sicherheitsrat einlassen, galt schon vor Beginn ihres Gipfelstreffens auf den Azoren als nicht sehr wahrscheinlich. Und so setzte denn der US-Präsident auch nur noch eine kurze Frist von einem einzigen Tag. Heute sei der Tag der Entscheidung, erklärte Bush. Und Tony Blair sagte, dass der Gipfel einen "letzten Appell" an die internationale Gemeinschaft sende, sich zu einigen. Wörtlich meinte Blair: "Wir werden alles tun, um eine letzte Kontaktrunde zu versuchen, um zu sehen, ob wir aus der Sackgasse herauskommen." Dies wurde von Beobachtern so interpretiert, dass die drei kriegswilligen Parteien am heutigen Montag eine letzte Beratungsrunde abhalten wollen. Ob dies im UN-Sicherheitsrat erfolgen soll oder über telefonische Kontakte mit den anderen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats, blieb gestern offen. Alle drei Regierungschefs betonten, dass die UN-Resolution dem Irak eine allerletzte Frist eingeräumt habe, die dieser nicht wahrgenommen habe. Blair erklärte: "Es ist unsere Verantwortung, den Willen der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen." Was jetzt notwendig sei, seien nicht weitere Diskussionen im Sicherheitsrat, sondern "ein glaubwürdiges Ultimatum". Aus Washingtoner Regierungskreisen verlautete informell, Präsident Bush werde möglicherweise bereits Dienstag in einer Rede an die Nation alle US-amerikanischen StaatsbürgerInnen im Irak (darunter hunderte von MedienvertreterInnen) zum Verlassen des Landes innerhalb von 72 Stunden aufforden. Der Krieg könnte dann frühestens in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag beginnen. Aus den Erklärungen der drei Regierungschefs auf den Azoren war andererseits heraus zu hören, dass die drei Regierungschefs Saddam Hussein indirekt auffordern, innerhalb von maximal 96 Stunden ins Exil zu gehen, um einen Krieg gegen sein Land noch zu verhindern. US-Außenminister Powell wies darauf hin, dass ein Krieg "sicherlich vermieden" werden könne, wenn Saddam Hussein, seine Söhne und eine Anzahl führender Persönlichkeiten den Irak verließen.

Vor dem gestrigen Gipfeltreffen auf dn Azoren hatten Frankreich, Russland und Deutschland einen neuen Vorschlag gemacht, der eine "friedliche Entwaffnung" Iraks innerhalb eines "engen Terminplans" ermöglichen und den Krieg noch verhindern soll. Sowohl US-Außenminister Powell als auch US-Vizepräsident Cheney wiesen den Vorstoß zurück. Cheney sagte dem Fernsehsender NBC, ohne Zweifel sei das "Ende der diplomatischen Bemühungen sehr nahe".

Der zwischen den drei Außenministern Dominique Villepin, Igor Iwanow und Joschka Fischer am Samstag telefonisch abgestimmte Vorschlag sieht vor, dass der Chef der UNO-Waffeninspektoren im Irak dem Sicherheitsrat am heutigen Montag ein detailliertes Arbeitsprogramm zur Erfüllung aller noch offenen Abrüstungsauflagen durch Irak vorlegt mit präzisen zeitlichen Fristen. Danach solle sich der Sicherheitsrat am Dienstag auf Außenministerebene treffen, um dieses Arbeitsprogramm und die darin vorgesehenen Fristsetzungen abzusegnen beziehungsweise andere Prioritäten zu setzen.

In einer gemeinsamen Erklärung appellieren die Außenminister "feierlich" an die anderen Sicherheitsratsmitglieder, "alles zu tun, um einen friedlichen Weg beizubehalten" wie er "von der überwältigenden Mehrheit der internationalen Gemeinschaft unterstützt" werde. Es sei "die Verantwortung eines jeden Mitglieds des Sicherheitsrats, eine Spaltung des Gremiums in diesem so entscheidenden Augenblick zu vermeiden".

In der Erklärung wird kein konkreter Zeitraum angegeben, der den Bemühungen um eine friedliche Entwaffnung Iraks durch ein intensiviertes Inspektionsregime noch gegeben werden soll. Frankreich, Russland und Deutschland sind allerdings inzwischen bereit, den Zeitraum von mindestens vier Monaten, den sie in ihrem gemeinsamen Memorandum vom 24. Februar genannt hatten, deutlich zu verkürzen. Der französische Präsident Jacques Chirac sprach dem Fernsehsender CNN gegenüber von einer möglichen Frist von 30 oder 60 Tagen. Eine Frist von 30 Tagen nannte der US-Vizepräsident jedoch umgehend einen "Rohrkrepierer".

Offen bleibt in der französisch-russisch-deutschen Erklärung auch, ob die drei Regierungen bereit wären, Bagdad zu dem noch festzulegenden Termin ein Ultimatum zu setzen. Das würde auf einen Automatismus militärischer Maßnahmen hinauslaufen, falls Irak die Abrüstungsauflagen bis zu dem Termin nicht erfüllt. Bislang hatten Paris, Moskau und Berlin ein Ultimatum und jeglichen Automatismus abgelehnt.