Deal zwischen den USA und der EU
Im WTO-Agrarstreit verkünden USA und EU eine "Grundsatzeinigung".
Aber auch sie dürfte scheitern. Denn die Länder des Südens
fühlen sich weiterhin benachteiligt.
Andreas Zumach
Knapp vier Wochen vor der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation
(WTO) im mexikanischen Cancún haben Unterhändler der USA
und der EU in der Genfer WTO-Zentrale gestern eine "Grundsatzvereinbarung"
im Agrarstreit zwischen den beiden wirtschaftsstärksten WTO-Mitgliedern
verkündet. Ob diese Vereinbarung über allgemeine politische
Absichtserklärungen hinaus konkrete Modalitäten oder gar
Zahlen und Fristen für die Reduzierung von Exportsubventionen
und Einfuhrzöllen enthält, wurde zunächst nicht bekannt.
Am Abend sollte die Vereinbarung den anderen 144 WTO-Mitgliedern vorgelegt
werden. Der am Montagabend in Genf veröffentlichte gemeinsame
Vorschlag von USA, EU und Kanada zur drastischen Zollsenkung für
nichtlandwirtschaftliche Güter stieß unterdessen bei Ländern
des Südens auf massive Kritik.
Seit Anfang August hatten Washington und Brüssel in bilateralen
Verhandlungen versucht, einen Kompromiss zu finden zwischen ihren
bislang gegensätzlichen Vorschlägen zur Minderung von Exportsubventionen
und Importzöllen für Agrarprodukte, die beide in der EU
(wie auch in Japan) bislang rund doppelt so hoch sind wie in den USA.
Washington verlangte, die Subventionen und Zölle für sämtliche
Agrarprodukte auf ein für alle Beteiligten gleiches Prozentniveau
abzusenken.
Die EU plädierte hingegen für proportionale Reduktionen,
die die Unterschiede zwischen der EU und den USA belassen hätten.
Zudem wollte die EU Differenzierungsinstrumente behalten, um in Einzelfällen
Produkte aus europäischer Produktion höher subventionieren
zu können oder die Zölle für Importe aus bestimmten
armen Ländern des Südens weiter abzusenken. So soll ihnen
der Zugang auf den EU-Markt erleichtert werden. Eine Einigung zwischen
Brüssel und Washington auf die Modalität für künftige
Reduzierungen oder gar auf konkrete Prozentzahlen sowie Fristen für
die Umsetzung galt in Genf bis gestern als höchst unwahrscheinlich.
Doch selbst wenn dies gelungen sein sollte, dürften die von Washington
und Brüssel angepeilten Reduktionen deutlich hinter dem Vorschlag
zurückbleiben, den der Vorsitzende des WTO-Agrarverhandlungsausschusses,
Stuart Harbinson, im Frühjahr nach monatelangen Konsultationen
mit allen 146 Mitgliedern vorgelegt hatte. Auch dieser Vorschlag war
ein Kompromiss, der nach Ansicht vieler Länder des Südens
sowie der "Cairns"-Gruppe 14 führender Agrarexporteure
wie Australien, Kanada, Brasilien viel zu stark von den Interessen
der EU, der USA und Japans geprägt war. Somit dürfte der
Versuch der USA und der EU, ihre gestern erzielte Vereinbarung zur
Grundlage der Abschlusserklärung von Cancún zu machen,
scheitern.
Brasilien erklärte gestern, solange Washington, Brüssel
und Tokio keine akzeptablen Vorschläge im Agrarbereich vorlegten,
sei der am Montag von den USA, der EU und Kanada unterbreitete (sowie
von Japan "zu 90 Prozent unterstützte") Vorschlag zur
drastischen Verringerung von Zöllen für Industriegüter
"nicht diskutierbar". Mexikos WTO-Unterhändler, Eduardo
Pérez Motta, nannte den Vorschlag "äußert aggressiv".
Er treffe "in erster Linie die Entwicklungsländer".
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