TAZ
14. März 2003

Noch drei Tage bis zum Krieg?

Heute könnte im Sicherheitsrat anhand des britischen Resolutionsentwurfes die Vorentscheidung über den Zeitpunkt des Irakkrieges fallen. Bleibt der Rat bei der Ablehnung, beginnen die USA den Krieg umso schneller - vielleicht schon Montagnacht

Andreas Zumach

Im UNO-Sicherheitsrat wird heute höchstwahrscheinlich die Vorentscheidung über den Zeitpunkt eines Irakkrieges fallen. Dieser könnte, je nach Verlauf der heutigen Sitzung, frühestens in der Nacht von Montag auf Dienstag kommender Woche beginnen.

Für eine für gestern Nachmittag Ortszeit angesetzte Sitzung des Rates hatte Großbritannien die Einbringung eines neuen Resulutionsentwurfes angekündigt. Darüber kann nach der Geschäftsordnung des Rates frühestens nach weiteren 24 Stunden (in denen die Diplomaten die Möglichkeit haben sollen, sich mit ihren Regierungen zu beraten) abgestimmt werden. Die USA drangen bislang auf eine Abstimmung noch in dieser Woche. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Rat auch erst am Samstag oder Sonntag eine Entscheidung trifft.

Nach den bis zum gestrigen Sitzungsbeginn bekannt gewordenen Überlegungen Londons wurde in New York erwartet, dass Großbritannien den gescheiterten amerikanisch-britisch-spanischen Entwurf für eine Kriegsresolution vorlegen wird mit einer Veränderung und einem Zusatz. Der gescheiterte Entwurf stellte "schwer wiegende Verstöße" Iraks gegen die Resulution 1441 vom November 2002 fest, setzte Bagdad ein auf den 17. März befristetes Ultimatum zur Erfüllung sämtlicher Abrüstungsauflagen dieser Resolution und drohte anderenfalls mit "ernsthaften Konsequenzen" - im Klartext Krieg.

Der neue britische Entwurf dürfte das Ultimatum um maximal 10 Tage bis zum 27. März verlängern. Eine längere Frist würde von den USA nicht mitgetragen, hatte die Bush-Administration der britischen Regierung deutlich signalisiert. Zum Zweiten enthält der neue Entwurf einen Zusatz über die sechs detaillierten Forderungen an Bagdad, die London bereits am Mittwoch vorgestellt hatte.

Bis auf den verlangten Fernsehauftritt Saddam Husseins gehören diese Forderungen zu der Liste ungeklärter Fragen und unerledigter Abrüstungsauflagen, die UN-Chefinspekteur Hans Blix dem Sicherheitsrat am Freitag letzter Woche in einem 167-seitigen Arbeitsprogramm vorgelegt hatte. Am kommenden Montag will Blix dem Rat für jeden der 29 Komplexe eine konkrete Frist vorschlagen.

In New York wird damit gerechnet, dass dieser britische Entwurf für eine Kriegsresolution im Rat ebenso scheitert wie die beiden seit dem 24. Februar gemeinsam von den USA, Großbritannien und Spanien eingebrachten Entwürfe. Russland lehnte den neuen Entwurf noch vor seiner offiziellen Einbringung bereits am Mittwochabend rundweg ab. Moskau bestehe weiterhin darauf, dass die Waffeninspektionen nach der Vorlage eines detaillierten Arbeitsprogramms für mindestens drei Monate fortgesetzt werden, erklärte der russische UN-Botschafter Fergei Lawrow in einem Interview. Eine ähnliche Position wie Russland vertreten auch Frankreich und China. Die drei ständigen Ratsmitglieder haben in den vergangenen Tagen ihre Absicht bekundet, jeden Resolutionsentwurf, der automatisch zu einem Krieg führen könnte, durch ihr Veto zu blockieren.

Diese Position wird auch von Deutschland geteilt. Die Bundesregierung hält nicht nur die Fristen für viel zu kurz, sondern ist auch entschieden gegen die Schlussbestimmung, die in dem neuen, wie in den beiden vorherigen gescheiterten Resolutionsentwürfen enthalten ist. Danach müsste der Rat durch eine weitere Entscheidung feststellen, dass Irak alle Auflagen erfüllt hat, damit dann auf militärische Maßnahmen verzichtet wird. Diese Bestimmung, so deutsche Diplomaten in New York, ermögliche es aber den USA und Großbritannien, "zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft, egal ob im März, April, Mai oder Juni durch Veto zu verhindern, dass die Erfüllung aller Auflagen der Resolution 1441 durch Bagdad festgestellt wird.

Sollte der britische Resolutionsentwurf wie erwartet scheitern, würde Präsident Bush möglicherweise schon unmmittelbar nach der Abstimmung die US-amerikanischen Journalisten und andere Staatsbürger der USA im Irak zum Verlassen des Landes innerhalb von 72 Stunden auffordern. Dazu ist die Bush-Administration aus haftungsrechtlichen Gründen verpflichtet. Der Krieg könnte dann mit ersten Luftangriffen in der Nacht von Montag auf Dienstag nächster Woche beginnen. Sollte sich wider Erwarten eine Resolution mit einer Ultimatumsfrist 27. März oder vorher im Rat durchsetzen, würde sich das entsprechende Szenario wahrscheinlich lediglich um eben diese Frist nach hinten verschieben.