UNO wieder in Sichtweite
Die Vereinten Nationen sollen nun doch wieder eine Rolle im Irak
spielen. Doch wie viel Macht sind die USA bereit abzugeben? Ein Planspiel.
Andreas Zumach
Unter dem Druck dramatisch wachsender Kosten für ihr Besatzungsregime
im Irak und anhaltend hoher Risiken für ihre dort stationierten
rund 140.000 Soldaten streben die USA nun Entlastung durch andere
Staaten mittels Einbindung der UNO an. Nach wochenlangen kontroversen
Diskussionen innerhalb der Bush-Administration - insbesonders zwischen
dem Pentagon und dem Außenministerium - hat Präsident George
Bush sich für Bemühungen um eine neue Resolution des Sicherheitsrates
entschieden, mit der die künftige Rolle der UNO im Irak festgelegt
werden soll. Noch letzte Woche hatte der stellvertretende Außenminister
Richard Armitage die Bemühungen um eine neue Irak-Resolution
für beendet erklärt.
Nach einem Gespräch mit Außenminister Colin Powell segnete
Bush den Entwurf für eine neue Resolution ab. Diesen Entwurf
haben die USA den anderen 14 Mitgliedern des Sicherheitsrates bis
gestern allerdings noch nicht vorgelegt. Klar scheint laut Darstellung
verschiedener Vertreter der Bush-Administration lediglich, dass Washington
in dem Entwurf auf einem US-amerikanischen Oberkommando über
eine eventuelle UNO-Truppe beharrt und dass diese Truppe ausschließlich
oder zumindest vorrangig für die Absicherung ziviler Aufgaben
(Wiederaufbau, humanitäre Hilfe) im Irak zuständig sein
soll.
Gegen ein derartiges Modell haben sich die beiden vetoberechtigten
Ratsmitglieder Frankreich, Russland sowie Deutschland in den vergangenen
Wochen mehrfach öffentlich ausgesprochen und die Entsendung von
Soldaten ausgeschlossen. Intern haben sich nach Auskunft New Yorker
UNO-Diplomaten zumindest auch die Ratsmitglieder China, Syrien und
Mexiko dieser Haltung angeschlossen. Die drei afrikanischen Staaten
Kamerun, Angola und Neu-Guinea haben sich bislang in dieser Frage
nicht festgelegt. Spanien und Bulgarien wären - zumindest nach
bisherigen Äußerungen ihrer Diplomaten zu urteilen - am
ehesten bereit, einer UNO-Truppe unter US-Oberkommando zuzustimmen.
Die britische Regierung hat die Bush-Administration zwar in den vorigen
Wochen mehrfach zu einer stärkeren Einbindung der UNO aufgerufen
und dabei auch die Übertragung von Kommando-Kompetenzen an die
Weltorganisation zumindest nicht ausgeschlossen. Im Detail vermeidet
London aber bislang zumindest öffentlich jede Festlegung.
Theoretisch vorstellbar wären vier Modelle:
1. Die UNO übernimmt die vollständige politische
und wirtschaftliche Kontrolle über den Irak und entsendet
auch eine eigene UNO-Truppe, die für die militärischen Sicherungsaufgaben
zuständig ist. Die bisherigen angloamerikanischen Besatzungstruppen
werden entweder völlig abgezogen oder aber einige ihrer Einheiten
werden in die neue UNO-Truppe eingegliedert. Dieses Modell wäre
nach Ansicht vieler Beobachter zwar der beste Weg, um die explosive
Lage im Irak zu entschärfen, scheidet aber aus, weil sich Washington
- und wohl auch London - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt darauf nicht
einlassen.
2. Die angloamerikanischen Besatzungstruppen bleiben im Irak
und ihre Kompetenzen sowie die von Washingtons Bagdader Statthalter
Paul Bremer bleiben uneingeschränkt. Zusätzlich entsenden
weitere Länder auf Basis einer Resolution des Sicherheitsrates
Truppen in den Irak, die dort unter US-Oberkommando
für bestimmte Aufgaben zuständig sind (z. B. Absicherung
von Wiederaufbau und humanitärer Hilfe). Diese Länder übernehmen
auch einen Teil der bislang von den USA zu tragenden Kosten. Für
dieses Modell hat das Pentagon - nach anfänglich völliger
Ablehung einer stärkeren UNO-Rolle im Irak - zuletzt in den internen
Diskussionen plädiert. Doch im Sicherheitsrat hätte dieses
Modell keine Chance.
3. Wie 2, aber mit der Variante, dass Soldaten anderer Länder
als Mitglieder einer UNO-Truppe im Irak stationiert werden
mit einem eigenen, von den USA unabhängigen Oberkommando.
4. Die angloamerikanischen Besatzungstruppen und die
neu zu stationierende UNO-Truppe sowie ein dem US-Statthalter
Paul Bremer gleichgestellter UNO-Sonderbeauftragter übernehmen
gemeinsam und gleichberechtigt die Verantwortung und Kontrolle
über alle relevanten politischen, wirtschaftlichen, militärischen
und polizeilichen Aufgaben im Irak.
Die Debatte im UNO-Sicherheitsrat wird sich in den kommenden Wochen
voraussichtlich zwischen den Modellen 3 und 4 bewegen.
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