TAZ
04. September 2003


UNO wieder in Sichtweite

Die Vereinten Nationen sollen nun doch wieder eine Rolle im Irak spielen. Doch wie viel Macht sind die USA bereit abzugeben? Ein Planspiel.

Andreas Zumach

Unter dem Druck dramatisch wachsender Kosten für ihr Besatzungsregime im Irak und anhaltend hoher Risiken für ihre dort stationierten rund 140.000 Soldaten streben die USA nun Entlastung durch andere Staaten mittels Einbindung der UNO an. Nach wochenlangen kontroversen Diskussionen innerhalb der Bush-Administration - insbesonders zwischen dem Pentagon und dem Außenministerium - hat Präsident George Bush sich für Bemühungen um eine neue Resolution des Sicherheitsrates entschieden, mit der die künftige Rolle der UNO im Irak festgelegt werden soll. Noch letzte Woche hatte der stellvertretende Außenminister Richard Armitage die Bemühungen um eine neue Irak-Resolution für beendet erklärt.

Nach einem Gespräch mit Außenminister Colin Powell segnete Bush den Entwurf für eine neue Resolution ab. Diesen Entwurf haben die USA den anderen 14 Mitgliedern des Sicherheitsrates bis gestern allerdings noch nicht vorgelegt. Klar scheint laut Darstellung verschiedener Vertreter der Bush-Administration lediglich, dass Washington in dem Entwurf auf einem US-amerikanischen Oberkommando über eine eventuelle UNO-Truppe beharrt und dass diese Truppe ausschließlich oder zumindest vorrangig für die Absicherung ziviler Aufgaben (Wiederaufbau, humanitäre Hilfe) im Irak zuständig sein soll.

Gegen ein derartiges Modell haben sich die beiden vetoberechtigten Ratsmitglieder Frankreich, Russland sowie Deutschland in den vergangenen Wochen mehrfach öffentlich ausgesprochen und die Entsendung von Soldaten ausgeschlossen. Intern haben sich nach Auskunft New Yorker UNO-Diplomaten zumindest auch die Ratsmitglieder China, Syrien und Mexiko dieser Haltung angeschlossen. Die drei afrikanischen Staaten Kamerun, Angola und Neu-Guinea haben sich bislang in dieser Frage nicht festgelegt. Spanien und Bulgarien wären - zumindest nach bisherigen Äußerungen ihrer Diplomaten zu urteilen - am ehesten bereit, einer UNO-Truppe unter US-Oberkommando zuzustimmen. Die britische Regierung hat die Bush-Administration zwar in den vorigen Wochen mehrfach zu einer stärkeren Einbindung der UNO aufgerufen und dabei auch die Übertragung von Kommando-Kompetenzen an die Weltorganisation zumindest nicht ausgeschlossen. Im Detail vermeidet London aber bislang zumindest öffentlich jede Festlegung.

Theoretisch vorstellbar wären vier Modelle:

1. Die UNO übernimmt die vollständige politische und wirtschaftliche Kontrolle über den Irak und entsendet auch eine eigene UNO-Truppe, die für die militärischen Sicherungsaufgaben zuständig ist. Die bisherigen angloamerikanischen Besatzungstruppen werden entweder völlig abgezogen oder aber einige ihrer Einheiten werden in die neue UNO-Truppe eingegliedert. Dieses Modell wäre nach Ansicht vieler Beobachter zwar der beste Weg, um die explosive Lage im Irak zu entschärfen, scheidet aber aus, weil sich Washington - und wohl auch London - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt darauf nicht einlassen.

2. Die angloamerikanischen Besatzungstruppen bleiben im Irak und ihre Kompetenzen sowie die von Washingtons Bagdader Statthalter Paul Bremer bleiben uneingeschränkt. Zusätzlich entsenden weitere Länder auf Basis einer Resolution des Sicherheitsrates Truppen in den Irak, die dort unter US-Oberkommando für bestimmte Aufgaben zuständig sind (z. B. Absicherung von Wiederaufbau und humanitärer Hilfe). Diese Länder übernehmen auch einen Teil der bislang von den USA zu tragenden Kosten. Für dieses Modell hat das Pentagon - nach anfänglich völliger Ablehung einer stärkeren UNO-Rolle im Irak - zuletzt in den internen Diskussionen plädiert. Doch im Sicherheitsrat hätte dieses Modell keine Chance.

3. Wie 2, aber mit der Variante, dass Soldaten anderer Länder als Mitglieder einer UNO-Truppe im Irak stationiert werden mit einem eigenen, von den USA unabhängigen Oberkommando.

4. Die angloamerikanischen Besatzungstruppen und die neu zu stationierende UNO-Truppe sowie ein dem US-Statthalter Paul Bremer gleichgestellter UNO-Sonderbeauftragter übernehmen gemeinsam und gleichberechtigt die Verantwortung und Kontrolle über alle relevanten politischen, wirtschaftlichen, militärischen und polizeilichen Aufgaben im Irak.

Die Debatte im UNO-Sicherheitsrat wird sich in den kommenden Wochen voraussichtlich zwischen den Modellen 3 und 4 bewegen.