TAZ
10. Dezember 2002

 

Feuerleitstelle über den Wolken

Sie dienen der offensiven Kriegführung und verstoßen gegen das Grundgesetz: Über die in Deutschland stationierte Awacs-Flotte wurde deshalb schon im letzten Golfkrieg 1991 gestritten.

Andreas Zumach

Die Abkürzung Awacs steht für "Airborne Warning and Control System", zu deutsch: "Fliegendes Frühwarn-und Kontrollsystem". Die Awacs-Einheit der Nato, die seit 1982 in Geilenkirchen bei Aachen stationiert ist, verfügt über 17 mit einem großen Dachradar ausgerüstete Flugzeuge vom Typ Boing 707. Sie dienen der Überwachung und Aufklärung des eigenen wie des gegnerischen Luftraums und können bis auf eine Entfernung von 400 Kilometern Flugzeuge der Nato von feindlichen Maschinen unterscheiden. Zu dem multinationalen Nato-Verband gehören rund 160 Soldaten der Bundeswehr. Im Unterschied zu anderen Streitkräften der Nato untersteht der Awacs-Verband auch zu Friedenszeiten dem direkten Kommando des Bündnisses. Daher trug US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz die Anfrage der USA nach einem Einsatz der Awacs-Systeme bei einem Krieg gegen Irak letzte Woche zunächst auch dem Rat der 19 ständigen Nato-Botschafter in Brüssel vor. Nach einem entsprechenden Beschluss des Nato-Rates werden die Anfragen dann über den Nato-Generalsekretär an die Regierungen der 19 Mitgliedsstaaten weitergeleitet. Da dies bislang noch nicht geschehen ist, war die gestrige Erklärung der Bundesregierung, ihr liege noch keine Anfrage vor, zumindest formal korrekt.

Die Awacs-Systeme wurden von den USA bereits für den Golfkrieg vom Frühjahr 1991 angefordert. Der Einsatzzweck wurde damals als ausschließlich defensiv beschrieben: Aufklärung des Luftraums über der türkisch-irakischen Grenzregion, um das Nato-Mitglied Türkei vor etwaigen Angriffen irakischer Kampfflugzeuge zu schützen. Mit dieser Begründung stimmte die damalige Bundesregierung Kohl/Genscher im Nato-Rat dem Einsatz der Awacs-Systeme unter Beteiligung deutscher Soldaten zu. Nach Ende des Golfkriegs stellte sich heraus, dass die Awacs-Maschinen - auch solche mit deutschen Soldaten an Bord - während des Golfkriegs auch eine aktive Rolle bei der offensiven Kriegführung gegen Irak gespielt hatten: Die Awacs-Maschinen fungierten als Feuerleitsysteme für die Kampflugzeuge der USA und anderer Mitglieder der Golfkriegsallianz und belieferten diese mit Zieldaten für ihre Einsätze gegen Irak - ein Verstoß gegen das Grundgesetz.

Schon damals wurde in der innenpolitschen Debatte in Deutschland die Behauptung aufgestellt, die Awacs-Systeme könnten nur eingesetzt werden, wenn auch die deutschen Soldaten mit dabei sind. Ein hoher Offizier im Brüsseler Nato-Stab wies diese Behauptung seinerzeit als "Unsinn" zurück.

Während des Bosnienkriegs in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre wurden Awacs-Systeme mit deutschen Soldaten zur Luftaufklärung vor der Adriaküste eingesetzt. Eine gegen diesen Einsatz gerichtete Klage der SPD vor dem Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2.001 überwachten Awacs-Maschinen der Nato einige Monate lang den Luftraum der USA, die dafür eigene nationale Überwachungssysteme nach Afghanistan verlegten.