TAZ
13. Dezember 2001

 

Der moderne Krieg und seine Opfer

Andreas Zumach

Welche konventionelle Waffe kann eigentlich noch heimtückischer sein, noch grausamer als eine Streubombe, die ihr militärisches Ziel verfehlt, beim Aufschlag auf den Boden zunächst nicht explodiert, aber Monate oder gar Jahre später die Kinderhände abreißt, die sie berührt haben? Wenn derart perfide Mord- und Verstümmelungsinstrumente nicht gemeint waren, als vor nunmehr 21 Jahren die "UNO-Konvention zum Verbot besonders grausamer und heimtückischer konventionellen Waffen" vereinbart wurde, dann war dieser völkerrechtliche Vertrag schon damals das Papier kaum wert, auf dem er geschrieben wurde.

Dennoch halten die Regierungen der USA, Deutschlands, Russlands, der Schweiz und zahlreicher anderer Staaten Streubomben weiterhin für unverzichtbar zur so genannten modernen Kriegsführung; sie nehmen den Tod oder die Verstümmelung unschuldiger Zivilisten auch künftig billigend in Kauf. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konventionen und andere einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts. Daran ändern auch alle noch so raffinierten technischen Vorschläge zur Einschränkung des Einsatzes von Streubomben nichts, wie sie jetzt die Schweiz bei der Genfer Überprüfungskonferenz zu der UNO-Konvention vorgelegt hat. Derartige Vorschläge schützen nur die jeweils in den eigenen Arsenalen vorhandenen Waffen vor Verbot und Verschrottung; zugleich erlauben sie der heimischen Rüstungsindustrie profitable Aufträge für die Nachrüstung waffentechnisch noch unterentwickelter Länder. Entsprechendes gilt auch für die Vorschläge zu Panzerabwehrminen, die die Berliner rot-grüne Koalition gemeinsam mit der Bush-Administration und sieben anderen Regierungen in Genf vorgelegt hat.

Wie stark Militär- und Rüstungsinteressen humanitäre Prinzipien überwiegen, zeigt auch die Tatsache, dass selbst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine nach dem Jugoslawienkrieg noch deutlich formulierte Kritik an den Streubomben abmildern musste. Das IKRK fordert inzwischen nur noch, dass Staaten, die Streubomben einsetzen, die nicht explodierten Exemplare wieder wegräumen sollen.