TAZ
02. Januar 2001

 

Krieg geht weiter

Urangehärtete Munition löste schon im Golfkrieg Krebs aus, sagen Kritiker. USA verhinderten Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation im Irak.

Andreas Zumach

"Wir haben 1991 einen unsichtbaren radioaktiven Krieg gegen die Irakis und gegen unsere eigenen Soldaten geführt. Und dieser Krieg geht weiter." Paul Sullivan, Direktor des National Gulf War Resource Center in Washington, wirft der eigenen Regierung "Vertuschung, Lüge und Manipulation in größtem Ausmaß" vor.

Munition mit insgesamt 300 Tonnen abgereichertem Uran (DPU=depleted uranium) verschossen die US-amerikanischen Streitkräfte vor zehn Jahren im Golfkrieg gegen irakische Ziele. Seitdem haben sich 250.000 der insgesamt 700.000 GIs, die damals am Golf stationiert waren, bei Sullivans Center mit ungewöhnlichen Beschwerden registrieren lassen. Tausende sind an Krebs und Leukämie erkrankt, hunderte bereits gestorben. Darunter sind viele, die erst nach dem Waffenstillstand vom März 1991 bei den Aufräumarbeiten in den irakischen Panzerwracks auf der Straße von Bagdad nach Basra herumgeklettert sind. Von 251 untersuchten Golfkriegsveteranen (Männer und Frauen) allein im US-Bundesstaat Mississippi haben zwei Drittel inzwischen Kinder mit zum Teil schwersten Deformationen gezeugt bzw. zur Welt gebracht. Ähnliches wird von britischen Golfkriegsveteranen berichtet. Und im Irak sind die Krebs-und Leukämieraten insbesonders im besonders stark vom DPU-Beschuss betroffenen Süden des Landes dramatisch angestiegen - auf ein Vielfaches der Raten von vor 1991. In den Krankenhäusern von Basra und Bagdad liegen Kleinkinder mit entsetzlichen Deformationen.

Doch noch immer weist das Pentagon (ebenso das britische Verteidigungsministerium) auch nur jeglichen Anfangsverdacht auf einen Zusammenhang mit der DPU-Munition entschieden zurück. Untersuchungen, die über herkömmliche Tests auf radioaktive Strahlung hinausgehen, werden vom Pentagon verweigert. Ledglich 37 GIs, die von DPU-Munition getroffen wurden und heute noch Schrapnelle in ihrem Körper tragen, wurden vom Pentagon als Betroffene anerkannt und erhalten Krankengeld. Eine umfassende Untersuchung der Lage im Irak durch unabhängige Experten, zu der sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) letztes Jahr bereit erklärt hatte, wurde durch eine Intervention der Clinton-Admininistration verhindert.

Auch bei ihren fortgesetzten Luftangriffen auf irakische Ziele setzen die Briten und Amerikaner laut - bislang allerdings nicht belegten - Angaben des irakischen Gesundheitsministeriums gegenüber der taz weiterhin DPU-Munition ein. In Belgien sind inzwischen neun Soldaten an Krebs oder Leukämie erkrankt, die seit 1994 in Bosnien oder im Kosovo eingesetzt waren; in Italien sind bereits fünf Soldaten an Krebs gestorben. Der Militärstaatsanwalt ermittelt in rund zwanzig Fällen. Die Regierungen Spaniens und Portugals haben inzwischen die Untersuchung aller 32.000 bzw. aller 900 Soldaten angeordnet, die seit 1994 in Exjugoslawien im Einsatz waren. Die Bundesregierung beschränkte sich bislang auf die Untersuchung eines "repräsentativen Querschnitts".