Annan stellt Blauhelm-Reform vor
Eine Expertengruppe zieht kritische Bilanz und unterbreitet Änderungsvorschläge.
Das zentrale Problem der mangelnden personellen und materiellen Ausstattung
von UN-Missionen durch die Mitgliedsstaaten wird dabei nicht gelöst
Andreas Zumach
UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat den Mitgliedsstaaten eine
schonungslose Analyse der tiefen Krise bei den militärischen und
zivilen Peacekeeping-Maßnahmen der Weltorganisation vorgelegt
und weitreichende Reformvorschläge unterbreitet. Ein von Annan
im März berufener internationaler Expertenausschuss stellte das
60-seitige Dokument gestern in Genf und New York der
Öffentlichkeit vor. Auf das zentrale Problem fast
sämtlicher Peacekeeping-Missionen der letzten zehn Jahre - die
mangelnde Ausstattung der UNO durch ihre Mitgliedsstaaten mit einer
ausreichenden Anzahl von Soldaten, Polizisten und anderen
Zivilkräften für vom Sicherheitsrat beschlossene
Einsätze - bleibt der Ausschuss die Antwort schuldig.
Der Ausschuss nennt drei Ursachen für die Krise: Der Auftrag
an die UNO-Blauhelme wandelte sich von dem 45 Jahre lang
gängigen Muster der Friedenssicherung zwischen zwei Staaten nach
einem Waffenstillstand hin zu Einsätzen in innerstaatlichen
bewaffneten Auseinandersetzungen. Diese erschwerten Rahmenbedingungen
behinderten den Einsatz von Zivilkräften oft erheblich und
verlangten größere Kontingente von Blauhelmsoldaten mit
robusteren Einsatzrichtlinien und Ausrüstungen.
Die Mitglieder des Sicherheitsrates trugen dieser neuen
Herausforderung in den ab 1990 erteilten Mandaten zu wenig Rechnung.
Unter dem Druck der neuen Anforderungen wirkten sich im letzten
Jahrzehnt Fehler und Defizite der bis 1996 von Annan geführten
New Yorker UNO-Peacekeeping-Abteilung immer schärfer aus.
Insbesondere die unzureichenden Kapazitäten zur rechtzeitigen
Konfliktdiagnose und -prävention sowie die fehlenden
Möglichkeiten zur Vorbereitung von Soldaten und Zivilisten aus
verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Standards auf einen
gemeinsamen Einsatz im Rahmen der UNO.
Als dritten zentralen Grund für die Krise des Peacekeeping
benennt der Ausschuss den mangelnden Willen der Mitgliedsstaaten,
für vom Sicherheitsrat beschlossene Missionen rechtzeitig
Soldaten und Zivilkräfte bereitzustellen. In den konkreten
Bedarfsfällen der letzten fünf Jahre machte die große
Mehrheit der 87 Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht Gebrauch und
verweigerte Bereitstellung von Personal und Ausbildung.
Der Ausschuss schlägt eine Verstärkung der
Konfliktdiagnose-und Präventionskapazitäten der
Peacekeeping-Zentrale vor, ihre deutlich erhöhte personelle und
finanzielle Ausstattung sowie eine Koordination mit anderen für
Peacekeeping-Missionen relevanten Bereichen der UNO, insbesonders dem
Menschenrechts-Hochkommissariat in Genf. Der Sicherheitsrat solle
künftig nur noch Missionen formal beschließen, wenn vorab
durch verbindliche Zusagen der Mitgliedsstaaten auch das Erreichen
des geplanten Personalumfangs garantiert ist. Die Einsatzrichtlinien
müssten den Blauhelmen künftig "robuste"
Durchsetzung gegen Widerstand ermöglichen sowie einen
verbesserten Selbstschutz gewährleisten. Die 188
Mitgliedsstaaten sollen insgesamt 100 führende Offiziere
benennen, die der UNO im Bedarfsfall innerhalb von wenigen Tagen
zwecks Vorbereitung künftiger Missionen zur Verfügung
gestellt werden.
Auf den Vorschlag einer ständigen UNO-Peacekeeping-Truppe
verzichtet der Ausschuss ausdrücklich, aber ohne weitere
Begründung. Stattdessen regt er an, dass Gruppen von
Mitgliedsstaaten gemeinsam aus dem Reservoir ihrer nationalen
Streitkräfte Kontingente in Brigadegröße (ca 5.000
Soldaten) für UNO-Einsätze ausbilden und dann im konkreten
Bedarfsfall zur Verfügung stellen.
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