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TAZ
15. Juni 2000 |
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Das Haager UNO-Tribunal übernimmt die Rechtfertigungen Der NATO
Fragwürdiger Freispruch
Andreas Zumach
Ein Freispruch mangels Beweisen nach einem Verfahren mit
höchst fragwürdiger und lückenhafter Beweiserhebung.
In diese Kategorie fällt die Entscheidung des Den Haager
UNO-Kriegsverbrechertribunals, keine Ermittlungen gegen die Nato
aufzunehmen wegen des letztjährigen Luftkrieges gegen
Jugoslawien. Die jetzt veröffentlichte Begründung dieser
Anfang Juni verkündeten Entscheidung zeigt, auf welch wackeligen
Füßen sie steht. Von einer Absolution für die
Kriegführung der Nato, von der ihr Generalsekretär
Robertson tönte, kann überhaupt keine Rede sein.
Schwerstes Manko: Die Nato hat jede Antwort auf sämtliche
spezifischen Nachfragen des Tribunals ebenso verweigert wie
Befragungen der Soldaten und Befehlsgeber. Umkehrt stützen sich
aber sämtliche vom Tribunal übernommenen Rechtfertigungen
der Bombardierungen ausschließlich auf die Behauptung der Nato,
dass diese Ziele militärische Funktion hatten.
Chefanklägerin Carla del Ponte hat dem Tribunal mit dieser so
fragwürdig begründeten Entscheidung einen Bärendienst
erwiesen und seine Glaubwürdigkeit erheblich erschüttert.
Der Verdacht, sie habe unter politischem Druck von Nato-Regierungen
gehandelt, ist damit nicht widerlegt, sondern eher noch
verstärkt.
Zum Zweiten macht die Begründung des Tribunals deutlich, wie
unzureichend das humanitäre Völkerrecht in Zeiten moderner
Kriegführung ist. Einmal ganz abgesehen davon, dass mit den USA
und Frankreich zwei der drei am stärksten an den Luftangriffen
auf Jugoslawien beteiligten Staaten wesentliche Bestimmungen dieses
Völkerrechts bis heute nicht ratifiziert haben: Fast
sämtliche Vorwürfe wegen Verstößen gegen das
humanitäre Völkerrecht lassen sich aushebeln mit dem
Verweis auf die große Höhe und die extreme
Geschwindigkeit, in der die Piloten operierten, um sich selbst vor
der gegnerischen Luftabwehr zu schützen. Deswegen waren fast
alle unbeabsichtigten Treffer ziviler Ziele bedauerliche, aber eben
verzeihliche Fehler. Im Klartext: In Zeiten moderner
Kriegführung ist niemand mehr auf seine Verantwortung
festzulegen.
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