Millenniumsreport
Verzweifelter Aufruf
Andreas Zumach
Armut, Aids, Analphabetismus, Bevölkerungswachstum, Hunger,
Klimaveränderung, Verstädterung, Waldsterben, Wassernot
- eine bedrückende, weil realistische Zustandsbeschreibung unserer
einen Erde hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit seinem "Millenniumsreport"
vorgelegt. Mit seinen harten Fakten entlarvt der Bericht alle Behauptungen
vom Segen der wirtschaftlichen und technologischen Globalisierung
als Propagandageschwätz. Bislang profitiert nur eine verschwindend
geringe Minderheit der sechs Milliarden Erdbewohner von der Globalisierung
- zumeist auf Kosten der großen Mehrheit. Die Schere zwischen
Arm und Reich hat sich in den zehn Jahren seit Ende des Ost-West-Konflikts
weiter geöffnet.
Sämtliche in Annans Report beschriebenen Probleme wurden
bereits auf den großen UNO-Weltkonferenzen der 90er-Jahre
ausführlich behandelt. Auch die Aktionsziele und
Handlungsvorschläge des Generalsekretärs wurden auf diesen
Konferenzen in mehr oder weniger verbindlicher Form beschlossen - mit
Zeitfristen, die seitdem allerdings zumeist folgenlos verstrichen
sind.
Auch die Mehrheit der Vorschläge zur Reform der UNO, die
Annan der Generalversammlung im Sommer 1997 vorlegte, harren bis
heute der Umsetzung. Implementiert wurde unter dem Erpressungsdruck
der UNO-skeptischen bis -feindlichen USA nur ein rigides
Sparprogramm, das die Handlungsfähigkeit der Weltorganisation
auf wichtigen Feldern noch weiter reduziert hat. An der
UNO-Schwächung beteiligen sich auch die rot-grüne Koalition
und andere - erklärtermaßen UNO-freundliche - Regierungen,
indem sie ausgerechnet Mittel für präventive UNO-Programme
drastisch kürzen.
In dieser Situation ist Annans Report mit dem euphemistischen
Titel "Wir, die Völker" ein fast verzweifelter Aufruf,
sich zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht durch leere Worte,
sondern durch Taten zur UNO als dem wichtigsten Handlungsrahmen zur
gemeinsamen Lösung globaler Probleme zu bekennen. Wie sehr der
Generalsekretär in der Defensive steht, zeigt sein erneutes
Plädoyer für bewaffnete "humanitäre
Interventionen" gegen schwere Menschenrechtsverletzungen. Auf
die vor dem Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien noch übliche
Bedingung, dass der Sicherheitsrat ein Mandat erteilt und Instrumente
für solche Interventionen bereitstellt, verzichtet der
Generalsekretär.
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