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22. Juni 2013


Neue Augen im All

von Otfried Nassauer


Die Bundeswehr will für mehr als 800 Millionen Euro neue Spionagesatelliten kaufen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll das Geld dafür am Mittwoch dieser Woche in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause bewilligen. Ab 2019 sollen drei neuen Himmelsspäher dem Kommando Strategische Aufklärung in Gelsdorf und dem Bundesnachrichtendienst hochpräzise Radarbilder von fast jedem Punkt der Erdoberfläche liefern.

Das neue Satellitensystem heißt SARah und besteht aus drei Spähern. Sie sollen die fünf heute vorhandenen Klein-Satelliten des Systems SAR-Lupe zunächst ergänzen und später ersetzen. Die SAR-Lupe-Späher umkreisen seit Ende 2007 die Erde in 496 Kilometern Höhe und liefern schon heute bei Tag und Nacht, jedem Wetter und auch durch eine geschlossene Wolkendecke hindurch höchst präzise Radarbilder von Zielen auf der Erdoberfläche. Von jedem Ziel werden mehrere Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln gemacht, die Bilder werden an die Bodenstation im rheinischen Gelsdorf, dem Sitz des Kommandos Strategische Aufklärung, gesandt und verarbeitet. Sie sind präzise genug, um Gegenstände erkennen zu können, die nur einen halben bis einen Meter groß sind. Deutschland gehörte neben den USA und Russland zu den ersten Ländern, die solche Radarsatelliten zu Aufklärungszwecken nutzten. Die technische Lebensdauer der Satelliten endet nach zehn Jahren in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Jetzt soll Ersatz geschaffen werden.

Die drei neuen Satelliten des neuen Systems SARah sollen mit „erweiterten Fähigkeiten, insbesondere hinsichtlich verbesserter Auflösung, Bildgröße und Anzahl“ ausgestattet sein, so teilte es die Bundesregierung den Abgeordneten des Haushaltsausschusses mit. Vor allem geht es darum, künftig mehr und noch genauere Bilder mit einem flexibel nutzbaren System bereitstellen zu können. Das sollen zwei unterschiedliche Satellitentypen ermöglichen. Zwei der Späher beruhen auch künftig auf der Reflektortechnologie, die schon bei SAR-Upe zum Einsatz kam. Sie werden die Erde in rund 500 Kilometern Höhe umkreisen. Der dritte Satellit aber fliegt künftig höher, in rund 750 Kilometern, und nutzt ein Phased Array-Radar.

Die neuen Satelliten werden zudem deutlich schwerer und teurer sein als die alten. Konnten die fünf die 720 Kilogramm schweren SAR-Lupe – Späher noch für insgesamt rund 370 Millionen Euro beschafft werden, so schlagen die drei neuen rund 1.800 bzw. 2.200 Kilogramm schweren Satelliten des Systems SARah mit mehr als den doppelten Kosten zu Buche. Sie sollen alle Aufgaben wahrnehmen, die bisher von SAR-Lupe erledigt wurden. Die Bundeswehr hält sich zudem die Option offen, später noch zwei weitere Satelliten zu beschaffen und in das System SARah zu integrieren. Deutlich leistungsfähiger sollen auch die Rechen- und Speicherkapazitäten an Bord der Satelliten und am Boden werden, damit mehr und genauere Bilder zur Verfügung gestellt werden können. Die Übertragung der Bilder von den Satelliten zur Bodenstation, die derzeit oft nur zeitversetzt möglich ist, wenn der Satellit sich nahe der Bodenstation befindet, soll beschleunigt und durch den Aufbau mindestens einer weiteren Bodenstation im nordschwedischen Kiruna ausgebaut werden.

Hauptauftragnehmer des neuen Satellitensystems wird die Bremer Firma OHB, die bereits die bereits das SAR-Lupe-System gebaut hat. Wichtigster Unterauftragnehmer ist die EADS-Tochter Astrium, die unter anderem das Phased Array Radar und die Bodenstation bereitstellen soll. Für den Transport der Satelliten ins All ist die private amerikanische Firma Space-X vorgesehen, ein Neuling unter den Weltraumspediteuren. Ganz sicher scheint sich die Bundeswehr allerdings nicht zu sein, dass diese den Auftrag in fünf Jahren zuverlässig abwickeln kann. Sie behält sich vor, noch einen Anbieterwechsel vorzunehmen.

Mit der Beschaffung nationaler Aufklärungssatelliten reagierte Deutschland 2002 auf die „Wut im Bauch“, die der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping während des Kosovo-Krieges 1999 empfunden hatte. Damals lieferten die USA Deutschland nur wenige und noch dazu gefilterte Aufklärungsergebnisse über die Lage auf dem Balkan. Seither hält die Bundesregierung „unabhängige“ Aufklärungsmittel für unverzichtbar. Ähnliches scheint nun auch mit Blick auf einen anderen engen Bündnispartner und eine andere Aufklärungstechnik im Weltraum ins Auge gefasst zu werden.

Die SAR-Lupe Satelliten der Bundeswehr arbeiten seit Jahren in einem Aufklärungsverbund mit den optischen Aufklärungssatelliten vom Typ Helios II, die Frankreich betreibt. Beide Nationen tauschen ihre Bilder aus und erfüllen auf Gegenseitigkeit mit ihnen auch spezifische Aufklärungsaufträge des jeweils anderen. Beide stellen ihre Aufnahmen auch dem Satellitenzentrum der Europäischen Union im spanischen Torrejon zur Verfügung und kooperieren mit weiteren Partnern. Da Frankreich mittlerweile auch auf die Radarbilder italienischer Satelliten zurückgreifen kann und dafür im Gegenzug italienische Aufklärungswünsche erfüllen muss, sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass ihr Bedarf an optischer Aufklärung nicht mehr  voll erfüllt werden könnte. Abhilfe schaffen soll künftig eine Light-Version nationaler Unabhängigkeit: Für 170 Millionen Euro soll möglichst bald auch ein eigner optischer Aufklärungssatellit der Bundeswehr das französische Satellitensystem ergänzen. Auch dafür ist bereits Geld in die Haushaltsplanung eingestellt.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS