Originalbeitrag
14. April 2019


Kreativer Rüstungsexport nach Saudi-Arabien - Bundesregierung hilft Rheinmetall und KAMAG

von Otfried Nassauer


Die Bundesregierung hat Genehmigungen deutscher Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gestoppt. Neue Genehmigungen werden seit Herbst 2018 nicht mehr erteilt. Inhaber alter Genehmigungen wurden nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khaschoggi gebeten, diese nicht mehr zu nutzen. Jetzt sich gezeigt, wie kreativ die Bundesregierung ihre eigenen Beschlusslage handhabt, um deutschen Exporteuren nicht zu schaden.

Anfang April erlaubte der Bundessicherheitsrat der Ulmer Firma KAMAG den Export von Technologie für die Herstellung von Satteltiefladern nach Frankreich. Die Tieflader für den Panzertransport sind für Saudi-Arabien bestimmt und sollten ursprünglich in Ulm bei KAMAG gebaut werden. 

Jetzt sollen sie die Panzertransporter - bei denen es wahrscheinlich um den für Wüstenböden besonders gut geeigneten Typ PTL 70-90 geht - bei der kleineren französischen Schwesterfirma von KAMAG, der Nicolas Industries, endmontiert werden. Die Anhänger haben eine besondere Ausstattung. Sie verfügen über einem eigenen Hilfsantrieb für zwei Achsen, der verhindern soll, dass das Gefährt im Gelände steckenbleibt.

KAMAG und Nicolas Industries gehören beide zu der bei Heilbronn ansässigen deutschen TII-Gruppe, die auf Schwerlasttransporte spezialisiert und seit 2016  in erheblichen wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Wurde das Geschäftsjahr 2015 noch mit einem Gewinn von knapp 11 Mio. € abgeschlossen, endete 2016 mit einem Verlust von 2,8 Mio. €. 2017 wuchs das Minus rapide auf 29,9 Mio. €. Der Umsatz sank zugleich auf 172,5 Mio. €. Ende 2018, Anfang 2019 standen deshalb bei Nicholas noch umfangreiche Entlassungen und eine Einstellung der Produktion zur Debatte. Nun verschafft der Saudi-Arabien-Auftrag der deutschen Schwesterfirma dem Betrieb wohl eine Atempause.

Die saudische Bestellung gehört zu einem Großauftrag, den die Rheinmetall AG über ihr Joint Venture RMMV vor knapp drei Jahren eingeheimst hatte. Ende 2016 meldete der Düsseldorfer Konzern einen Auftrag für 134 Mio. €. Ein "internationaler Kunde" habe 110 schwere Zugmaschinen aus der Baureihe HX81 und die zugehörige Betreuung für fünf Jahre bestellt. Die Auslieferung sei für Ende 2018 / Anfang 2019 geplant, Folgeaufträge seien möglich. Beauftragt wurden zudem die Tieflader für den Transport gepanzerter Fahrzeuge.

Die Zugmaschinen stehen bis heute noch fast alle in Europa. Helmuth Merch, ein Vorstandsmitglied der Rheinmetall AG, beschrieb die Ursache vor Bankanalysten im November 2018: Saudi Arabien erwarte eine komplette zusammenhängende Lieferung, also Zugmaschinen und Anhänger. Während Rheinmetall rechtzeitig eine Ausfuhrgenehmigung erhalten habe, sei das bei dem Hersteller der Anhänger nicht der Fall und derzeit auch nicht zu erwarten. Saudi-Arabien sei nicht bereit, zunächst nur die Zugmaschinen abzunehmen. Deshalb seien diese zum großen Teil auch noch nicht ausgeliefert und bezahlt worden.

Mit der Verlagerung der Endfertigung der Auflieger nach Frankreich scheint man jetzt einen neuen Lieferweg gefunden zu haben. Frankreich beliefert Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ungeachtet des Mordes an Khaschoggi und des Kriegs im Jemen derzeit noch ohne mit der Wimper zu zucken.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS