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12. Januar 2014


Auf in den Pazifik

von Otfried Nassauer

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Die deutsche U-Boot-Industrie geht auf Expeditionskurs. Die Kieler Werft von TKMS, der Weltmarktführer für nicht-nuklear angetriebene U-Boote, HDW, will den asiatisch-pazifische Raum erobern. Jene Weltregion, in der die Seekriegsflotten derzeit am schnellsten wachsen und viel Geld zu verdienen ist. Eine Weltregion, in der künftig viele Konflikte drohen und Rüstungskontrolle bislang so gut wie keine Rolle spielt.

Noch ist es nur die Prognose eines Marktforschungsinstitutes: AMI International aus den USA sagt vorher, dass im Pazifikraum bis 2031 rund 1.000 neue Kriegs- und Küstenwachboote bestellt werden sollen. Die Zukunftsaussichten für U-Boot-Bauer sehen die AMI-Forscher geradezu golden: Rund 100 neue U-Boote für 62 Mrd. Dollar werden dabei sein und rund „40% des weltweiten U-Boot-Marktes“ darstellen. Asien werde der „zweitgrößte Markt nach den USA“ mit ihren sehr teuren Atom-U-Booten sein, prognostiziert Bob Nugent, der Vizepräsident von AMI. Das ist der Markt, auf den die deutschen U-Boot-Bauer schielen. Das ist ihre Domäne. Denn in diesem Marktsegment sind sie führend.

Die asiatisch-pazifische Region, also Süd-, Südost- und Ostasien, boomt. Hier hat die Zukunft der vorhergesagten maritimen Rüstungswettläufe bereits begonnen. Aufholende Industrialisierung, größere Seehandelsströme, wachsender Wohlstand, Rohstoff- und Energiebedarf, sowie die Konkurrenz um künftige Exklusive Wirtschaftszonen rund um die Inseln im ost- und südchinesischen Meer, das sind Faktoren, die diesen Wettlauf befeuern.

Erste Anzeichen sind schon heute zu beobachten: Die Volksrepublik China hat gerade im südchinesischen Meer Probefahrten mit ihrem ersten Flugzeugträger unternommen. Sie baut neben Küstenwachschiffen auch ein um das andere neue U-Boot, sowohl mit konventionellem als auch mit nuklearem Antrieb. Indien will ebenfalls Atom-U-Boote betreiben und baut gerade sechs konventionelle U-Boote in französischer Lizenz. Später sollen sechs weitere, größere hinzukommen. Das Projekt 75I. Auch Südkorea lässt gerade die Komponenten für sechs neue Brennstoffzellen-U-Boote der Klasse 214 in Deutschland herstellen. Das nächste Bauprogramm, SSK III, für neun weitere, noch größere Boote, ist ebenfalls bereits in Vorbereitung. Japan vergrößert seine U-Boot-Flotte auf 22 Boote, Malaysia hat zwei Boote in Frankreich gekauft, Indonesien drei neue Lizenzbauten in Südkorea bestellt. Vietnam hat gerade das erste von sechs neuen U-Booten erhalten. Die „Warschawjanka“ kommt aus St. Petersburg in Russland und ist ein Boot der modernisierten Kilo-Klasse. Zwei weitere Boote sollen noch 2014 übergeben werden. Selbst das bitterarme Bangladesch bestellte nach Medienberichten jüngst auf Kredit zwei U-Boote der alten Romeo-Klasse in China. Für die chinesischen Werften wird das ihr erster U-Boot-Export sein. Mit Myanmar, Thailand und den Philippinen tragen sich drei weitere Staaten mit dem Gedanken an den Kauf von U-Booten. Sie alle besitzen bisher keine solchen Boote. Und dann ist da noch Australien. Es plant seine sechs vorhandenen U-Boote der Collins-Klasse durch 12 Neubauten zu ersetzen, die mehr als 20 Mrd. € kosten könnten.


Der Schritt nach Singapur

Und da ist noch der kleine, wohlhabende und autoritär regierte Stadtstaat Singapur. Er hat Ende 2013 bei der ThyssenKrupp-Werft HDW die beiden teuersten und wohl auch größten nicht-nuklearen U-Boote geordert, die je dort bestellt wurden. Bis 2022 sollen in den Kieler Bauhallen und Docks zwei U-Boote des nach Kundenwünschen konstruierten Typs 218SG entstehen, die zusammen einen Fertigungswert von rund 1,6 Milliarden Euro darstellen. 800 Millionen pro Boot - das ist fast doppelt soviel wie ein Export-U-Boot der aktuellen HDW-Klasse 214 normalerweise kostet.

Was da an der Förde gebaut werden soll, könnte sich schon an dem orientieren, was die Kieler unter der Bezeichnung „Klasse 216“ in den letzten Jahren als Entwurf zu Papier gebracht haben: Ein U-Boot mit rund 80 Metern Länge, 8 Metern Rumpfdurchmesser, durchgehend zwei Decks und mit rund 4.000 Tonnen Wasserverdrängung – fast dreimal soviel wie die neuen U-Boote der Deutschen Marine. Vielleicht wird es auch etwas kleiner, aber vollgestopft mit modernster Technik und neuen operativen Möglichkeiten wird es für seinen stolzen Preis auf jeden Fall.

Singapur wünscht einen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellen-Antrieb, der für die Weiten des Pazifiks deutlich mehr können muss als bisherige U-Boote mit dieser Technik leisten. Es geht darum, große Transit-Entfernungen relativ schnell zu überbrücken und trotzdem möglichst lange im Einsatzgebiet getaucht operieren zu können. Bis zu 80 Tage auf See und bis zu vier Wochen unter Wasser – das will TKMS mit der Klasse 216 schaffen. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle wird bei solchen U-Boot wohl erstmals durch einen Methanolreformer direkt an Bord hergestellt und die erzeugte elektrische Energie dürfte in modernen Lithium-Ionen-Batterien gespeichert werden, die die deutsche Firma GAIA extra für U-Boote entwickelt hat. Diese Batterien können deutlich mehr Energie aufnehmen, als bisherige U-Boot-Batterien und vor allem: Sie erlauben ein deutlich besseres Batteriemanagement, können also zum Beispiel viel schneller geladen werden als bislang.

Kein Wörtchen ist bisher an die Öffentlichkeit gedrungen, was Singapur im Detail als Ausrüstung für seine Boote bestellt hat. Noch ist unklar, ob sie zum Beispiel mit Raketen für Angriffe gegen Landziele ausgestattet werden sollen oder ob sie Aufklärungsdrohnen und eine Maschinenkanone für die Piratenjagd mitführen werden. Unbekannt aber wahrscheinlich ist, dass sie eine Kommunikationsboje bekommen werden, die auf dem Wasser schwimmt und Satellitenkommunikation ermöglicht, während das U-Boot 10 oder 20 Meter unter Wasser fährt. Das würde es ermöglichen, dass die Boote in eine netzwerkzentrierte Operationsführung gemeinsam mit anderen Kriegsschiffen und Flugzeugen eingebunden werden können. Oder Luftabwehrraketen, mit denen man Hubschrauber abschießen kann, die U-Boote jagen. All das und noch viel mehr hat die deutsche Marineindustrie inzwischen als Ausstattung für U-Boote entwickelt oder zumindest soweit konzipiert, dass sie es anbieten kann.


Die asiatisch-pazifische Risikoregion

Betrachtet man die geographische Lage des Stadtstaates in Südostasien, so kann man sich viele Aufgaben vorstellen, für die sich Singapur große U-Boote mit einer sehr flexibel nutzbaren Ausstattung wünschen könnte. Singapur liegt – je nachdem von wo man schaut - am Ein- oder Ausgang der Straße von Malaga. Ganz in der Nähe der engsten Stelle dieser Passage. Sie bildet den kürzesten Seeweg vom Indischen Ozean in den Pazifik und ist der am stärksten befahrene Seeweg der Welt. Pro Jahr passieren mehr als 70.000 Schiffe die Meerenge.

Die Straßen von Malaga und Singapur bilden ein teilweise nur 2,8 Kilometer breites Nadelöhr zwischen Malaysia und der indonesischen Inselwelt, durch das der überwiegende Teil der chinesischen, japanischen, taiwanesischen und südkoreanischen Ölimporte sowie fast der gesamte Seehandel Ostasiens und Südostasiens mit der arabischen Halbinsel oder Europa abgewickelt wird. Ostasien bezieht rund 80% seiner Ölimporte auf dem Seeweg durch dieses Nadelöhr.

Noch keine zehn Jahre ist es her, dass genau diese Seegebiete um die Straße von Malaga weltweit den wichtigsten Hotspot der Piraterie darstellten. Hunderte von Schiffen wurden dort gekapert oder entführt, Ladung gestohlen, Lösegeld erpresst, bis sich Singapur, Malaysia und Indonesien auf eine stärkere militärische Überwachung und Kontrolle zumindest der wichtigsten Stellen der Seewege einigten. Zwischenzeitlich sank die Zahl der Überfälle und die Aufmerksamkeit verlagerte sich dank der Antipiraterie-Einsätze westlicher Marinen auf Somalia und das Horn von Afrika.

Doch die Daten für 2012 oder 2013 zeigen: Auch wenn die Zahl der Piraterievorfälle weltweit gesunken ist, die Gewässer um die Straße von Malaga und das indonesische Inselreich sind noch immer die wohl gefährlichsten der Welt. Mit 81 gemeldeten Zwischenfällen allein in indonesischen Gewässern lag man 2012 knapp vor Somalia und der Golfregion mit 75 Zwischenfällen. Im ersten Halbjahr 2013 fand rund ein Drittel aller weltweit gemeldeten Vorfälle um Indonesien statt. Auch ein Blick auf die Weltkarte des Pirateriemeldezentrums der Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) im Internet, die alle Zwischenfälle abbildet, zeigt das nur zu deutlich.

Quasi gleich um die Ecke schließt sich das nächste potentielle Krisengebiet der Zukunft an. Auf dem weiteren Weg nach Norden passieren die Schiffe das südchinesische Meer, ein relativ flaches Seegebiet mit etlichen Inselgruppen, auf die gleich mehrere Anrainer Ansprüche erheben. Hier werden erhebliche Rohstoffvorkommen unter dem Meeresboden vermutet. Vor allem Öl und Gas. Die Schätzungen über die vermuteten Mengen weichen sehr weit voneinander ab, aber die Rechte an der Ausbeutung könnten künftig von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Die vielleicht bekannteste Inselgruppe sind die Spratly-Inseln, auf die mit China, Vietnam, Taiwan, Malaysia, den Philippinen und Brunei gleich sechs Staaten ganz oder teilweise Anspruch erheben. Alle sind Unterzeichner der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS). Diese erlaubt es Staaten, vor ihren Küsten exklusive Wirtschaftszonen von 200 Seemeilen Tiefe auszurufen, in denen sie wirtschaftlich das Sagen haben. Kein Wunder also, dass jeder aus dem Wasser ragende größere Felsen und erst recht jede Inselgruppe auf der man die nötige Infrastruktur ansiedeln könnte in rohstoff- oder fischreichen Seegebieten große Begehrlichkeiten gleich mehrerer Anrainer hervorruft.


Für die Spratly und Paracell-Inseln zeigt die folgende Karte die erhobenen Ansprüche:

South India Sea

Wie schnell ein solcher Inselstreit eskalieren kann, zeigte sich zuletzt noch etwas weiter nördlich, im ostchinesischen Meer: China, Japan und Taiwan beanspruchen die Senkaku- bzw. Diaoyu(tai)-Inseln. Als die japanische Regierung 2012 den langjährigen Status Quo ändern und drei in Privatbesitz befindliche Inseln erwerben wollte, rief dies scharfe Proteste in China hervor. Küstenwachschiffe und Fischerboote aus Japan und China lieferten sich wenig später erste Wasserschlachten mit Feuerwehrschläuchen um die Felsen im Meer oder rammten sich gegenseitig. China hat jüngst den Luftraum über den Inseln zu einer Luftverteidigungszone (ADIZ) erklärt, die nur durchfliegen darf, wer sich bei den chinesischen Behörden zuvor angemeldet hat. Bomber der US - Air Force haben die chinesische Zone umgehend demonstrativ missachtet. Nationalisten in beiden Ländern spielten den Konflikt wiederholt innenpolitisch hoch, um ihn für ihre Zwecke zu nutzen. 

China beansprucht nicht nur die Spratly- oder die Diaoyou-Inseln, sondern den größten Teil des südchinesischen und des ostchinesischen Meeres. Andere Staaten, einschließlich der maritimen Supermacht USA an der pazifischen Gegenküste, fürchten deshalb prophylaktisch schon einmal um die Freiheit der so wichtigen Seewege durch das südchinesische Meer und warnen seit Jahren immer wieder vor der maritimen Aufrüstung der Volksrepublik. Mit Singapur, Hongkong und Shanghai liegen nicht nur die drei größten Häfen der Welt in der Region, sondern auch die fünf nächstgrößten Häfen sind in China und Südkorea zu finden. Mit jedem militärischen Konflikt können deshalb Auswirkungen auf den Welthandel drohen, denn rund 40% aller Welthandelsgüter passieren die Region. Mit China und Japan wären zudem gleich zwei der größten Handelsmächte der Welt potentiell in einen solchen Konflikt verwickelt.

Viele der kleinere Länder sehen die USA deshalb gerne in der Rolle einer Garantie- und Schutzmacht für ihre Rechte und Interessen. Schon dann, wenn China auch nur seine Rolle also Regionalmacht wahrzunehmen vorgibt. Washington hat diese Einladung angenommen und verlagert den Schwerpunkt seiner militärischen und sicherheitspolitischen Aktivitäten und Fähigkeiten seit einigen Jahren verstärkt in den asiatischen Raum. Barack Obama, der U.S.Präsident, und sein Verteidigungsminister Chuck Hagel, haben kürzlich angekündigt, künftig rund 60% der Kriegsschiffe und der Kampfflugzeuge der USA für Einsätze im asiatisch-pazifischen Raum bereitzustellen. Vorgeschobene Stützpunkte werden ausgebaut, erweiterte Stationierungsrechte mit Anrainern wie den Philippinen oder Australien vereinbart. Die Doktrinentwicklung der US-Teilstreitkräfte verschiebt sich von der Diskussion über die Anforderungen einer Air-Land-Battle-Doktrin früherer Jahrzehnte zu einer Debatte über die Notwendigkeiten für eine Air-Sea-Battle-Doktrin. Nicht das Zusammenwirken von Luft- und Landstreitkräften, sondern jenes der Luft- und Seestreitkräfte steht dabei im Fokus.

Die militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit regionalen Bündnispartnern der USA wird Schritt für Schritt ausgebaut. Auch Singapur gehört zu diesen Partnern. Es dürfte seine Entscheidung, möglichst leistungsfähige U-Boote in Deutschland zu bestellen, auch getroffen haben, um in dieser Zusammenarbeit möglichst relevante eigene militärische Fähigkeiten anbieten zu können, die es berechtigen, mitreden zu wollen. Die U-Boote der Klasse 218SG werden auf jeden Fall hervorragende Aufklärungsfähigkeiten besitzen, um große Seeräume um die Straße von Malaga oder im südchinesischen Meer zu überwachen. Ihre Seeausdauer dürfte auch lange Operationen in weit entfernten Seegebieten erlauben und damit aus Sicht der USA ein willkommenes Angebot darstellen. Klein, aber oho, so mag man sich in Singapur das Konzept für die Zukunft gedacht haben.


Ein Tor zu Märkten

Hafenstädte sind Tore zur Welt und zu Märkten. Singapur ist ein wichtiges Tor zum wachsenden asiatisch-pazifischen U-Boot-Markt. Der Auftrag aus Singapur ist für TKMS und HDW deshalb ein Glücksfall und ein wichtiger Zwischenschritt. Der Stadtstaat ist zahlungskräftig. Beide Boote und möglicherweise noch ein drittes werden in Kiel gebaut. Sie lasten dort Kapazitäten bis über das Jahr 2022 aus. Das kommt der Werft ebenso entgegen wie die Tatsache, dass sie gleich zwei U-Boote als Typschiff ihrer größeren Boote am Heimatstandort bauen und ausführlich testen kann. So können potentielle Kinderkrankheiten gut entdeckt und ohne hohe Zusatzkosten ausgemerzt werden. Je mehr moderne, komplexe und in der Praxis noch nicht oder nur wenig erprobte Technik zum Einsatz kommt, desto wichtiger kann das werden.

Derzeit hat HDW noch gut gefüllte Auftragsbücher. Drei Dolphin-U-Boote mit Brennstoffzelle für Israel, zwei Brennstoffzellenboote der Klasse 212 A für die deutsche Marine, zwei Diesel-Boote der Klasse 209 für Ägypten, zwei Umbauten der Klasse 206A für Kolumbien und jetzt auch noch die beiden Superboote für Singapur. Das sichert der Kieler Werft lange eine gute Auslastung. Hinzu kommen auch noch Materialpakete für sechs türkische Boote der Klasse 214 und sechs weitere für südkoreanische Lizenzbauten des selben Typs. Etwa neun Milliarden Euro sind diese Geschäfte wert. Beschäftigung sichern sie den Kielern bis weit in das nächste Jahrzehnt. Und das, obwohl drei der Kieler Neubauten noch in diesem Jahr ausgeliefert werden sollen. Die deutschen Boote und eines der Israel-U-Boote sollen bald in Dienst gestellt werden.


Aktuelle U-Boot-Aufträge bei HDW

Jahr

Empfänger

Volumen

Typ

Indienststellung

2005/06

Israel

0,9 Mrd. €

2x Dolphin AIP

2014-2015

2006

Deutschland

0,9 Mrd. €

2x 212A

2014

2008

Italien

0,2 Mrd. €

2x 212A (Pakete)

2015-2016

2009

Südkorea

2,0 Mrd. €*

6x 214 (Pakete)

bis 2018/20

2009/10

Türkei

2,2 Mrd. €

6x 214 (Pakete)

bis 2022/24

2011/12

Israel

0,4 Mrd. €

1x Dolphin AIP

bis 2017/18

2012

Ägypten

0,7 Mrd. €

2x209

ca. 2016**

2012

Kolumbien

??

2x206A – Mod.

ça. 2015/16

2013

Singapur

1,6 Mrd. €

2x218SG

ab 2022

* geschätzter Wert in Analogie zur Türkei
** Dieses öffentlich genannte Auslieferungsdatum dürfte zeitlich kaum einzuhalten sein.


TKMS plant jedoch langfristiger und hat die Marktentwicklung genau beobachtet. Dabei dürfte den Kielern aufgefallen sein, dass sie im Segment preiswerter, einfacher U-Boote mit günstiger, staatlich unterstützter Finanzierung im asiatisch-pazifischen Raum künftig mit mehreren Konkurrenten rechnen müssen und selber kaum noch wettbewerbsfähige Angebote machen können.

Vor etlichen Jahren waren sie bereits der französischen Staatswerft DCNS in Malaysia unterlegen. Dort kaufte man zwei Boote des neuen Typs Scorpene. Indonesien, das drei neue U-Boote bestellen und davon zumindest eines im eigenen Land bauen wollte, entschied sich, diese Boote bei Daewoo in Südkorea zu ordern. Daewoo baut seit Jahrzehnten U-Boote der HDW-Klasse 209 in Lizenz und hat dabei stets auf einem Technologietransfer bestanden. Indonesien hat man eine eigene Weiterentwicklung der HDW-Klasse 209/1400 zu Konditionen angeboten, mit denen ein von HDW unterstützter Lizenzbau ähnlicher Boote in der Türkei nicht mithalten konnte. Mittlerweile treten auch die Wuhan-Werften aus China inzwischen als U-Boot-Exporteur an Kunden mit Zahlungsproblemen auf: Zwei preislich sehr günstige Boote haben sie jüngst an Bangladesch verkauft. Mit Pakistan stehen sie in Verhandlungen, nachdem ein Vertrag mit HDW über drei Boote der Klasse 214 aus finanziellen und politischen Gründen nicht zustande gekommen war. Kein Wunder, denn warum sollte die Industrialisierung in Ländern wie China oder Südkorea auf Dauer vor hochkomplexen militärisch-industriellen Produkten wie U-Booten haltmachen? Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund.

Bei TKMS scheint man daraus den Schluss gezogen zu haben, dass der für die deutsche Industrie zugängliche Markt im Pazifik vorläufig eher im Bereich technologisch anspruchsvoller und großer U-Boote liegt. TKMS Kiel, also HDW, ist heute ein reiner Rüstungesbetrieb, der offenbar ähnlich agiert wie deutsche Werften in der Vergangenheit auf dem zivilen Markt agiert haben: Sie konzentrierten sich auf den hochwertigen Spezialschiffbau mit seinen größeren Gewinnmargen. Attraktive Möglichkeiten dazu könnten sich bieten.

Mit dem Projekt SEA1000 will Australien bis zu 12 U-Boote mit einer Verdrängung von bis zu 4.500 Tonnen bauen und sucht dafür einen ausländischen Partner, der den U-Boot-Entwurf liefert. Dieses Vorhaben, das über 20 Mrd. € wert sein könnte, ist höchst attraktiv und wahrscheinlich ebenso lukrativ wie prestigeträchtig. TKMS beteiligt sich an diesem Wettbewerb wahrscheinlich sowohl mit einem großen HDW-Entwurf als auch mit einem kleineren seiner schwedischen Tochter Kockums. Als Konkurrenten wollen DCNS aus Frankreich und Navantia aus Spanien auftreten. Hinzu kommen könnten noch Kawasaki und Mitsubishi Heavy Industries aus Japan, das sein striktes Rüstungsexportverbot für Kooperationsprojekte lockern will und viel Erfahrung mit dem Bau von U-Booten mit einer Verdrängung von 2-3.000 Tonnen mitbringt. Tokio wurde bereits seitens der australischen Regierung kontaktiert, ob eine Zusammenarbeit denkbar sei.

In dieser Wettbewerbssituation ist der Auftrag aus Singapur fast schon Gold wert. HDW kann argumentieren, dass der geplante Lizenzbau in Australien auf ein bereits laufendes, recht ähnliches Projekt aufsetzen wird, bei dem potentielle technische Probleme rechtzeitig entdeckt und ausgemerzt werden können. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den Konkurrenten. Ähnliches gilt für den leistungsstärkeren Brennstoffzellenantrieb, den Methanolreformer und so manche andere Komponente auch. Selbst für das komplexe Führungs- und Waffeneinsatzsystem, das Atlas Elektronik aus Bremen gemeinsam mit Singapore Technologies Electronics (STE) entwickeln soll, gilt dasselbe. Das technologische Risiko für den Endkunden sinkt.

Schließlich ist absehbar, dass Singapur und Australien nicht die einzigen Länder sein werden, die in der Region auf große, hochseegängige U-Boote setzen werden. Auch Indien denkt an die Anschaffung größerer U-Boote mit einer Verdrängung von mehr als 3.000 Tonnen. Die Entscheidung zugunsten einer Ausschreibung für das indische „Projekt 75I“ wurde zwar bereits mehrfach vertagt, die Anforderungen und der Zeitplan sind damit aber zugleich näher an potentielle Verfügbarkeit der neuen größeren HDW-U-Boote heran gerutscht. Das indische Vorhaben ist für die deutsche Werft auch deshalb besonders interessant, weil zunächst erneut zwei Boote in Deutschland gebaut werden würden, bevor vier zusätzliche als Lizenzbauten bei staatlichen Werften in Indien folgen. Mit der Ausschreibung wird jetzt 2014 gerechnet. Das Projektvolumen ist mit bis zu 15 Mrd. US-Dollar mehr als ausreichend, um auch deutlich größere Boote als die Klasse 214 anbieten zu können.

Im Geheimen mag man bei HDW sogar noch auf ein weiteres großes Projekt hoffen. Südkorea plant, gegen Ende dieses Jahrzehntes mit dem Bau von 9 U-Booten mit 3.000 – 3.500 Tonnen Wasserverdrängung zu beginnen. Das sogenannte im KSS-3 Programm. Das Design dafür soll erstmals vollständig aus Südkorea kommen, der Bau autonom in Südkorea erfolgen. Noch ist allerdings ungewiss, ob sich dieses Vorhaben ohne Partner aus dem Ausland realisieren lässt. Die Design-Vorschläge der HDW-Klasse 216 greifen viele Forderungen auf, die die Marine Südkoreas an diese künftigen U-Boote gestellt hat, so zum Beispiel einen leistungsfähigeren AIP-Antrieb und die Integration von Flugkörpern, mit denen Landziele angegriffen werden können. Schon möglich also, dass HDW hofft, bei Komplikationen in diesem südkoreanischen Programm doch noch einmal mit Materialpaketen zum Zuge zu kommen.

Im Inland scheint dagegen klar, dass TKMS seine Fertigungskapazitäten fähig aber nicht zu groß dimensionieren will. Wie bereits in der Vergangenheit sollen sie gemischt durch den Bau fertiger U-Boote und die Herstellung von Materialpaketen für Lizenzbauten auslastet werden. Beides wird vorrangig weiter exportiert. Mit Bauaufträgen der Deutschen Marine ist vorerst, wenn nicht auf Jahrzehnte, nicht zu rechnen. Der Export muss also künftig den Großteil des Geschäftes und der technologischen Weiterentwicklung tragen – zusammen mit gelegentlichen erfolgversprechenden Forschungsvorhaben. Das war schon in der Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil der Erfolgsstrategie, mit der die Kieler Werft Marktführer wurde. Wie zum Beleg dieser These hat TKMS trotz guter Auftragslage seine Fertigungskapazitäten bei den Nordseewerken in Emden aufgegeben und sie inzwischen in Kiel konzentriert.


Nachtrag und Korrektur vom 18.3.2014:

Am 13.3.2014 verlautete die Bundesregierung in Bundestagsdrucksache 18/799, dass die Hermesabsicherung für die beiden Singapur-U-Boote der Klasse 218SG sich nicht – wie ursprünglich im Juni 2013 gegenüber dem Haushaltsausschuss berichtet – auf insgesamt 1,7 Mrd. € belaufe, sondern mit gut 1,2 Mrd. € für die beiden Boote und einige Zusatzleistungen deutlich geringer ausgefallen sei. Damit erübrigen sich wahrscheinlich die im vorstehenden  Artikel  angestellten Überlegungen, dass es sich bei der Klasse 218SG aufgrund des hohen Preises um ein deutlich größeres Boot als bei der Klasse 214 handeln müsse. Ein gut ausgestattetes U-Boot der Klasse 214 kann aufgrund der bis dahin zu erwartenden Preissteigerungen und Zusatzkosten für modernere Technikeinbauten durchaus einen Preis von etwa 500-550 Mio. € haben.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS