BITS Report 95.1
Oktober 1995

Deutsche Landminen -

Eine Bestandsaufnahme

Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister

 

          5.1.  Die Minenhersteller
Die Dynamit Nobel AG, Troisdorf
Diehl GmbH & Co
Die Industriewerke-Karlsruhe-Augsburg AG - IWKA
Problemfall Mauser-Werke
Die Rheinmetall-Industrie GmbH
Die Daimler-Benz Aerospace AG

          5.2.  Nichts geht ohne sie - die Zünderhersteller für Minen

          5.3.  Die System- und Managmentfirmen
RTG Raketen Technik Gesellschaft mbH, Unterhaching
MLRS-EPG Europäische Produktionsgesellschaft
           5.4.   Landminenhersteller oder nicht?
           5.5.  Und wer sonst noch dabei ist - weitere Zulieferer
           5.6.  Zukunftsperspektiven der deutschen Minenindustrie

 

5.1. Die Minenhersteller

Fünf Firmen und deren Töchter oder Beteiligungsgesellschaften können für den Zeitraum seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland als Minenproduzenten im engeren Sinne identifiziert werden. Sie haben auch den Großteil der Minenentwicklungsarbeiten getätigt:

  • die Dynamit Nobel AG mit Hauptsitz in Troisdorf
  • die Diehl GmbH & Co mit Hauptsitz in Nürnberg/Röthenbach
  • die Rheinmetall Industrie GmbH mit Hauptsitz in Düsseldorf
  • die Industriewerke Karlsruhe, heute IWKA, mit Hauptsitz in Karlsruhe
  • und die zur Daimler Benz Aerospace (vormals DASA) gehörende Firma MBB, Messerschmidt-Bölkow-Blohm.

Hinzu kommen wahrscheinlich die Mauser-Werke, Oberndorf, die aber zu jeder Zeit Tochterunternehmen einer der genannten Firmen waren.

Die gesamte Minenausstattung der Bundeswehr von 1956 bis zur Gegenwart entstammt, soweit aus deutscher Entwicklung oder Produktion, diesen fünf Firmen. Es lohnt deshalb, diese Firmen und ihren Anteil an der Minenproduktion ein wenig genauer zu betrachten.

 

Die Dynamit Nobel AG, Troisdorf

Die Dynamit Nobel AG macht ihrem traditionsgeladenen Namen noch immer alle Ehre. Sie ist weiterhin Deutschlands größter Sprengstoff- und Munitionsproduzent und zugleich ein weltweit operierender Konzern mit Filialen und Beteiligungen in vielen Ländern. Während in der deutschen Aktiengesellschaft im vergangenen Jahr 5.424 Mitarbeiter für die Firma arbeiteten, beschäftigte der Konzern weltweit 10.673 Mitarbeiter. Diese erwirtschafteten 1993 einen Konzernumsatz von weltweit 2,5 Mrd. DM und einen Inlandsumsatz der Aktiengesellschaft von 1,2 Mrd. DM.

Dies geschieht in verschiedenen Produktbereichen. Die Dynamit Nobel-AG betätigt sich in den Bereichen Wehrtechnik, Munition und Sprengstoffe, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse sowie im Maschinen- und Anlagenbau.

Zu den wehrtechnischen Produkten aus dem Hause Nobel gehören vor allem Sprengstoffe, Übungsmunition, Munition, Raketen für Mehrfachraketenwerfer und Landminen. Die Firma tritt gelegentlich, so bei Minenverlegetechnik, auch als Systemfirma in Erscheinung. Nach Firmenangaben hat der Bereich Wehrtechnik lediglich einen Anteil von 16 % am Konzernumsatz (Dynamit Nobel, 1994).

Die Dynamit Nobel AG gehört - seit dem Auseinanderbrechen des Flickkonzerns - kontinuierlich mit Mehrheit oder vollständig der Metallgesellschaft AG, Frankfurt. Auch als diese 1993/94 in eine schwere Krise geriet, gehörte Dynamit Nobel zu jenen Teilen der Metallgesellschaft, die "nicht zur Disposition" standen (Frankfurter Rundschau, 21.1.1994). Eine zeitweilige Beteiligung der Deutschen Bank und der Dresdner Bank von zusammen knapp 30% des Aktienkapitals wird derzeit an die Metallgesellschaft zurückveräußert (Frankfurter Rundschau, 6.7.1995).

Die Konzernaktivitäten der Dynamit Nobel AG im Landminenbereich hatten in den späten fünfziger und sechziger Jahren ihren Schwerpunkt in Liebenau, Niedersachsen. Später, das Liebenauer Werk wurde von Dynamit Nobel zunächst teilweise, dann ganz an den holländischen Munitionshersteller Eurometaal (an dem Dynamit Nobel zu einem Drittel beteiligt ist) abgetreten und schließlich ganz aufgegeben, wurde die Entwicklung und Fertigung von Minen bis zum nächsten großen Minenauftrag, der AT-2-Mine, in das Stammwerk nach Troisdorf bzw. in das Werk Burbach-Würgendorf (an der Betreibergesellschaft EURODYN hält Dynamit Nobel 70%) verlagert.

Minenproduktion bei Dynamit Nobel

"Dynamit Nobel - Bei Minen die erste Adresse", lautete der Werbeslogan der Troisdorfer Firma in der Zeitschrift "Wehrtechnik" im Juni 1992. Und in der Tat - mit Minen aus der Produktion und Entwicklung dieser Firma ist die Bundeswehr seit ihrer Frühzeit ausgestattet. Allein Dynamit Nobel hat der Bundeswehr nach konservativer Schätzung mehr als 3,2 Mio. Minen geliefert und war an einer Vielzahl von Minenprojekten der Bundeswehr beteiligt:

  • Von 1958 bis 1962 wurden bei der Dynamit Nobel-Firma "Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse/Verwertchemie" in Liebenau in Lizenz die Panzerabwehrmine DM-11 produziert (s.u.). Mindestens 2 Mio. Minen dürften beschafft worden sein.

  • Die Panzerabwehrmine AT-2 "Medusa" wird von Dynamit Nobel entwickelt und in rund 1,3 Mio. Exemplaren für die Minenverlegesysteme LARS, Skorpion, und MARS bei Dynamit Nobel gefertigt, mehr als 1,2 Mio. davon für die Bundeswehr. Minenfertigung und Integration in die ebenfalls von Dynamit Nobel entwickelten speziellen Minenverteileinheiten bzw. Minenmagazine finden in den Werken Troisdorf und Würgendorf statt.

  • Dynamit Nobel entwickelt aus der AT-2 eine Familie von fünf verschiedenen fernverlegbaren Minen, die "Dynamine Family". Die Anti-Personenmine AP-2, die Antimaterialmine, die Signalmine und die Flachwassermine aus dieser Familie werden jedoch nicht in Serie produziert.

  • Dynamit Nobel ist deutscher Partner, als die Bundeswehr in den achtziger Jahren die schwedische Panzerabwehrmine FFV 028SN beschafft; diese Mine wird auch von Dynamit Nobel vermarktet. Ein deutscher Fertigungsanteil von 35% an diesem Auftrag ist in der Diskussion; ob und wie er realisiert wurde, ist nicht bekannt (Wehrdienst, 978/1985). Dynamit Nobel bewirbt sich zusammen mit der schwedischen, zum Celsius Industrier AB gehörenden Rüstungsfirma FFV/Bofors und Rheinmetall um die geplante Kampfwertsteigerung dieser Mine, bei der es zunächst u.a. um die Nachrüstung eines noch wirksameren Zünders (inkl. Freund-Feind-Unterscheidung) und in einem zweiten Schritt um die Einführung einer Fernbedienbarkeit geht. In diesem Zusammenhang meldet Dynamit Nobel ein Patent (Wehrtechnik, Heft 1, 1994, S.56; Gerdes, 1995, S.25; Deutsches Patentamt, 1990).

  • Mit dem Projekt "Tarantel" beteiligt sich Dynamit Nobel an den konzeptionellen Vorüberlegungen für die Beschaffung einer fernverlegbaren Flächenverteidigungsmine, die die Bundeswehr beschaffen will; nach Firmenangaben wurde das Vorhaben aber kürzlich eingestellt (Dynamit Nobel, 1995).

  • An der Entwicklung der Panzerabwehrrichtmine 2 (PARM-2/ARGES) ist Dynamit Nobel zusammen mit dem deutschen Zünder- und Sensorenspezialisten Honeywell- Regeltechnik, dem als Hauptauftragnehmer fungierenden französischen Heeresausstatter GIAT und der britischen Rüstungsschmiede Hunting Engineering beteiligt (Wehrtechnik, Heft 1, 1994, S.56). Die Entwicklung ist bereits weit fortgeschritten.

  • Dynamit Nobel gehört auch zu einem französisch-deutsch-kanadischen Konsortium unter Führung der französischen Firma Thomson, das sich um den Auftrag zur Entwicklung einer ADW (Area Denial Waffe), einer Flächenverteidigungswaffe, bewirbt (International Defense Review, Heft 8, 1994, S.20).

  • Dynamit Nobel ist Hauptauftragnehmer der Panzerfaust 3, die im Rahmen eines Vertrages aus dem Jahre 1989 bei EURODYN in Würgendorf samt Munition und Übungspatronen gefertigt wird. Mit dem Sensoren-Paket SIRA von Honeywell kann die Panzerfaust 3 als Panzerabwehrrichtmine eingesetzt werden (Wehrdienst 1179/1989 und 1181/1989).

Die hohe Bedeutung der Minentechnik für den Konzern kommt nicht nur in der Vielzahl von Projekten zum Ausdruck, sondern auch in der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Zum einen finanziert der Konzern einen Teil seiner Minenentwicklungen selbst. Und zum anderen stellen die gemeldeten Patente aus dem Bereich Landminen 50% aller Patente des Bereiches Wehr- und Industrietechnik dar, die die Firma meldet (Dynamit Nobel, 1994).

Im Bereich der Minenverlegetechnik wurde Dynamit Nobel im Zusammenhang mit der Entwicklung der AT-1 und AT-2 Minen zusätzlich tätig. Die Firma

  • gehörte zu den Gründern des Ingenieurbüros Sommerkorn, in dem seit Ende 1956 an der Entwicklung von LARS gearbeitet wurde (o.Verf., 1981, S.58),

  • war an der Entwicklung der Minenraketen LARS AT-1 beteiligt,

  • Dynamit Nobel entwickelte den Gefechtskopf "Pandora" für die erste fernverlegbare Panzerabwehrmine der Bundeswehr, die AT-1. Das Vorhaben war zunächst in Liebenau angesiedelt,

  • war Generalunternehmer für die Entwicklung und Beschaffung des Minenwerfers Skorpion,

  • war führend an der Definition und Entwicklung für die LARS AT-2-Rakete beteiligt (Wehrdienst 20.5.1974); für diese Rakete produziert Dynamit Nobel die Minen, die Minenverteileinheit und den Raketenmotor einschließlich Brennkammer (o.Verf. 1983a, S.79),

  • entwickelte die AT-2 Mine für MARS und übernahm wesentliche Unteraufträge für die Produktion der Minenrakete MARS AT-2, so die Produktion der Minen, der Minenausstoßeinheit und die Endablieferung der Minenraketen.

Ein Dynamit Nobel-Unternehmen - Die Verwertchemie Liebenau

Bereits 1957 nahm Dynamit Nobel die Arbeit in Liebenau wieder auf. Das von der Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse Liebenau betriebene Werk dient rein militärischer Produktion. Die Initiative dazu ging im wesentlichen "auf die Herren der alten Verwertchemie"(s.u.) zurück. Zu Beginn der sechziger Jahre war das Dynamit Nobel Werk in Liebenau bereits wieder die größte "Pulverfabrik" Deutschlands (o.Verf. 1977, S.65-66); danach allerdings "kam es zu einem drastischen Rückgang der Produktion" (Perdelwitz, 1984; S.181). Dieser Rückgang, unter anderem verursacht durch das Auslaufen des Großauftrages für die Panzermine DM-11, führte zu einem drastischen Arbeitsplatzabbau: Von 2.500 Mitarbeitern 1962 in Liebenau waren nach Firmenangaben 1974 noch 500 verblieben (Wehrdienst 118/1967 und 492/1974). 1962 besaß die "Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Verwertung chemischer Erzeugnisse, Liebnau" ein Stammkapital von 12,5 Mio. DM, das 1966 auf 18 Mio. DM erhöht wurde. An der GmbH hält Dynamit Nobel durchgängig eine Mehrheitsbeteiligung (Dynamit Nobel, 1975; Wehrdienst 118/1967). In Liebenau führt Dynamit Nobel zunächst auch die Arbeiten an den Minenraketen für LARS durch. Vermutlich im Jahre 1977 und im Zusammenhang mit der Vergabe der Fertigung für die Minenrakete LARS-AT-1 an Diehl stellt Dynamit Nobel die eigene Produktion in Liebenau ein und verlagert die dortigen Aufgaben in andere Werke (Wehrdienst 594/1977). Das Werk in Liebenau wurde zunächst teilweise, später ganz von der holländischen Firma Eurometaal genutzt, an der Dynamit Nobel schon damals eine Beteiligung von 33 % hält (Wehrdienst 566/1977) und die selber in Holland zumindest als Anbieter von Landminen auftritt (Bertens, 1995, S.16), u.a. für die Produktion von Artilleriegranaten.

1988 wird zwischen der GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse und Dynamit Nobel ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. 1990 wird die Gesellschaft, deren Sitz bereits nach Troisdorf verlegt ist, mit der Dynamit Nobel AG verschmolzen, so der Handelsregisterauszug. Eurometaal schließt seine Pforten in Liebenau Anfang 1995.

Die Verwertchemie - Ein Blick zurück

Traditionsreich ist vor allem auch die Arbeitsteilung zwischen Staat und Rüstungsfirma, nach der in Liebenau Munitionsherstellung betrieben wird. Grund und Boden sind Staatseigentum und werden von der Industrieverwaltungsgesellschaft, IVG, für den Bund gehalten; das Firmengelände wird der Firma zur Bewirtschaftung gegen einen Obulus zur Verfügung gestellt. Dies entspricht der Struktur während des Dritten Reiches. Die IVG ist nach dem ZweitenWeltkrieg als Nachfolgegesellschaft der Verwertungsgesellschaft der Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie entstanden. Die Verwertchemie bestand bereits zu Zeiten des Dritten Reiches.

Als die Wehrmacht nach der Machtübernahme Hitlers und in Vorbereitung des zweiten Weltkrieges größere Produktionskapazitäten für Munition errichten wollte als das damalige zur IG-Farben gehörige Sprengstoffkartell Dynamit AG/WASAG in eigenem unternehmerischem Risiko aufzubauen bereit war, gründeten die Dynamit AG und WASAG 1934 zunächst gemeinsam die Deutsche Sprengchemie GmbH, die dann im Auftrag und mit Geld der reichseigenen Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie mbH, neue Sprengstoff- und Munitionswerke auf staatlichem Grund und Boden errichtete und nach Fertigstellung gegen einen Obulus an den Staat betrieb (Fischer, 1966, S.106). Später wurde die Deutsche Sprengchemie eine alleinige Tochter der WASAG, die Dynamit AG verfügte mit der Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse mbH, kurz Verwertchemie, über eine eigene Tochter mit gleicher Aufgabenstellung. Diese betrieb über 30 solcher Werke, darunter Einrichtungen in Liebenau, Empelde und in Stadtallendorf. Der Kriegsbetrieb in diesen Werken wurde nach Angaben eines Dynamit Nobel Vorstandsmitgliedes "in der Spitze mit 100.000 Menschen" ausfrechterhalten (o.Verf., 1977 S.65), darunter zehntausende Kriegsgefangene, Häftlinge, KZ-Insassen, also Zwangsarbeiter und Zwangaarbeiterinnen, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mußten. Das Werk Liebenau, die Anlage ‘Karl’, wurde 1939 in Betrieb genommen und war eine der größten Munitionsanlagen des Dritten Reiches. In den siebziger Jahren lehnte Dynamit Nobel die Zahlung von Entschädigungen an diese Arbeiter ab (vgl. Klewitz, 1986).

 

Diehl GmbH & Co

Das Familienunternehmen Diehl mit Hauptsitz in Nürnberg/Röthenbach gehört zu den Großen und Stillen im Rüstungsgeschäft. Das 1902 gegründete Unternehmen wurde zunächst als Kunstgießerei gegründet, wurde aber bald ein Rüstungsbetrieb. 1980 bezeichnete die FAZ Diehl als "Deutschlands diskretesten Milliardenkonzern" (FAZ, 2.8.1980). Seit vielen Jahren ist die Firma Diehl eines der größten Rüstungsunternehmen in Familienhand.

Die Diehl-Gruppe hatte 1993 14.076 Beschäftigte, die einen Umsatz von etwas mehr als 3 Mrd. DM erwirtschafteten. Zu den Unternehmen dieser Gruppe gehören viele wehrtechnische Unternehmen. Die Comet GmbH Pyrotechnik-Apparatebau in Bremerhaven gehört seit 1979 zu Diehl und stellt u.a. Minenräumsysteme her, mit der Junghans Feinwerktechnik verfügt Diehl über eine firmeneigenen Zünderhersteller, mit der Bodenseewerk Gerätetechnik über eine Firma die Raketen und Zielsuchköpfe herstellt, mit der Flensburger Fahrzeugbau über einen militärischen Wartungsbetrieb. Von 1979 bis 1995 gehören auch Mauser-Werke, Oberndorf, als Hersteller von Pistolen, Gewehren und Kanonen zu Diehl. Mit den Mauser-Werken übernahm Diehl zudem die Munitions- und Minenentwicklung der Industriewerke Karlsruhe Augsburg. Die eigenen Zweigwerke erweitern die Produktpalette.

Die Diehl-Gruppe produziert unter anderem Ketten für gepanzerte Fahrzeuge, konventionelle Munition, pyrotechnische Produkte, Submunitionen, Minen und Handgranaten, Lenkraketensysteme und Simulatoren.

Über eine Vielzahl von Beteiligungen kann Diehl wie Dynamit Nobel bei seinen Rüstungsprodukten auf umfangreiche konzerninterne Zulieferungen rechnen und somit eine große Fertigungstiefe in der eigenen Firmengruppe erreichen. Rüstungstechnisch engagierte Auslandsbeteiligungen ergänzen die Fähigkeiten und erlauben die Tätigkeit auch auf dem internationalen Markt. Die eigentliche Munitionsherstellung findet in den firmeneigenen Werken Mariahütte und Röthenbach sowie in Schramberg statt. Das Sprengstofflaborierwerk Mariahütte war gegen Ende der achtziger Jahre eines der modernsten in Europa. Von großer Bedeutung war im Hinblick auf die Fertigung von Landminenverlegesystemen auch jene Allianz, die Diehl mit MBB, heute DASA, in der Raketentechnik GmbH einging, um besser mit Dynamit Nobel konkurrieren zu können. An der Europäischen Produktionsgesellschaft für den Raketenwerfer MARS ist die Diehl mit 60% beteiligt. Auf beide Systemfirmen wird gesondert eingegangen.

 

Die Minenproduktion bei Diehl

Auch Diehl ist ein Minenproduzent der frühen Stunde. Mehr als 3,2 Mio. Minen wurden von Diehl an die Bundeswehr ausgeliefert. Zu den Minenprojekten der Firma Diehl gehören

  • die Lizenzherstellung Schützenabwehrmine DM-11 im Werk Mariahütte im Saarland,

  • die Produktion und Entwicklung der Panzerabwehrmine AT-1 für die LARS-Rakete in den Werken Röthenbach (Integration) und Mariahütte,
  • die Produktion der Panzerabwehrmine DM-21, die wahrscheinlich in Mariahütte stattfand,

  • in Zusammenarbeit mit Plessey (GB) und TRT (F) entwickelte auch Diehl einen Vorschlag für das Vorhaben ARGES/PARM-2; dieser war nicht erfolgreich (Guest, 1989, S.70),

  • die Entwicklung der Flächenverteidigungsmine PAM mit Suchzündersubmunition und Gefechtskopfvorschlag PAMAT,

  • die Entwicklung des Minenkampfsystem-Vorschlages DAVID

  • und ein Konzeptvorschlag für das von der Bundeswehr wieder aufgegebene Minenkampfsystem 2000.

Wahrscheinlich ist, daß Diehl - über die Mauser-Werke - auch an der eingestellten Entwicklung der Anti-Personenmine DM-41 / Weiterentwicklung DM-31 AP beteiligt war. Der Verkauf von Mauser an Diehl 1979 umfaßte auch die Entwicklungsabteilung Munition der IWKA, die 1970 zu Mauser verlegt worden war. Damit befand sich das technologische Know-How für die Mine DM-31 AP nunmehr in den Händen von Diehl.

An Minenverlegesystemen ist Diehl in der Form von vielen Zulieferungen beteiligt.

  • Diehl erhielt den Auftrag die Minenrakete LARS-AT-1 zu produzieren

  • Bei der MW-1 z.B. fertigt Diehl Metallteile und realisiert die Endmontage und Auslieferung der MW-1 mit dem Munitionsmix MUSA, MUSPA, MIFF (Wehrdienst 1071/1987).

  • Diehl integriert die AT-2 Raketen in die Werfergestelle für den MARS-Werfer, ist in geringem Umfang auch an der AT-2 Rakete beteiligt (Golla, 1990, S.10).

Im Unterschied zur Dynamit Nobel AG hat die Firma Diehl selten Minen produziert, die sie selbst zuvor entwickelt hatte. Die Schützenmine DM-11 ist eine Entwicklung der schwedischen Firma LIAB, die heute zu dem schwedischen Rüstungskonzern Celsius Industrier AB gehört. Die Panzerabwehrmine DM-21 wurde von den Mauser-Werken entwickelt, als diese noch im Besitz der Industriewerke Karlsruhe waren. Kurz vor Beginn der Beschaffung dieser Minen durch die Bundeswehr übernahm Diehl die Mauser-Werke und damit die Munitionsentwicklung der IWKA (s.u.). Dynamit Nobel war lange Zeit für Diehl der wichtigste Zulieferer.

Offensichtlich ist der Bereich der Minen-Entwicklung bei Diehl deutlich schwächer ausgeprägt als bei Dynamit Nobel. Lediglich die Panzerabwehrmine AT-1 wurde von Diehl auch entwickelt, bevor die Firma den Produktionsauftrag bekam. Etliche Projekte, an denen die Firma z.T. bis in die jüngste Zeit beteiligt war, wurden letztlich eingestellt, ohne in Produktion zu gehen. Mit dem Verkauf der Mehrheit an den Mauser-Werken, in die 1970 die Munitionsentwicklung der Industriewerke Karlsruhe integriert worden war, an den Konkurrenten Rheinmetall kann die Nebenwirkung verbunden sein, daß die Diehl-Gruppe im Bereich der Minenentwicklung weiter zurückfällt.

 

Die Industriewerke Karlsruhe-Augsburg AG - IWKA

Auch die IWKA ist ein Rüstungsbetrieb mit sehr langer Tradition. Sie haben ihren Sitz in Karlsruhe. Der Konzern ist heute in den Bereichen Verpackungsmaschinen, Stahlverarbeitung, Schweiß- und Schneideanlagen sowie in der Meßtechnik und weiteren Feldern des Maschinenbaus aktiv. Mit 8.087 Mitarbeitern wurde 1993 ein Umsatz von 1,69 Mrd. DM erzielt. Die Aktien der IWKA befinden sich im Streubesitz.

Die wehrtechnischen Kapazitäten der Industriewerke Karlsruhe sind heute in der Augsburger KUKA Wehrtechnik GmbH, einer 100%igen Tochter, zusammengefaßt. Diese Firma liefert Munition, Kleinwaffen und agiert in der Bereitstellung von Waffenintegrations- und Wartungsleistungen für die Bundeswehr.

Als Produzent oder Lieferant von Landminen tritt die IWKA heute nicht mehr in Erscheinung. Als solcher hat sie aber in der Vergangenheit eine nicht unwesentliche Rolle gespielt.

 

Die Minen der Industriewerke Karlsruhe

Von den Industriewerken Karlsruhe, so hieß die Firma bis zur Übernahme der Firma Keller & Knappich, Augsburg (KUKA) im Jahre 1970, stammen die ersten Minen der Bundeswehr, die aus bundesdeutscher Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder produziert wurden. Die Munitionsentwicklung und vermutlich auch die Fertigung der IWK war zunächst in der Produktionsstätte Grötzingen bei Karlsruhe angesiedelt. Später, 1970, wurde die Munitionsentwicklung zu den bis 1979 ebenfalls zur IWKA gehörenden Mauser-Werken nach Schramberg-Sulgen bei Oberndorf verlegt (Schwarzwälder Bote, 1987). Der Standort Grötzingen wurde 1973 stillgelegt. Auf dem Gelände wurde später eine Wohnsiedlung gebaut; in den neunziger Jahren wurde dieses Gelände als dringend zu untersuchende Altlastenverdachtsfläche eingestuft (Rat der Stadt Karlsruhe, 1993).

Die Tätigkeiten der IWK in der Entwicklung und Produktion von Landminen:

  • Bereits 1958 beantragte die IWK die Patentierung eines Springminengehäuses. Die Entwicklung der Anti-Personenmine DM-31 wird von der IWK durchgeführt.

  • 1962 bis 1967 produziert die IWK die Schützenabwehrmine DM-31 für die Bundeswehr (Benecke; Schöner 1984). Etwa 1-1,5 Mio. Minen vom Typ DM-31 AP - so die Schätzung der Autoren - wurden an die Bundeswehr geliefert.

  • Die Entwicklung der Panzerabwehrmine DT-21, später als DM-21 von der Bundeswehr abgewandelt beschafft, wird in Verantwortung der IWKA bei den Mauser-Werken in durchgeführt.

  • Bis 1983, ein Jahr nach Ablauf der Beschaffung der DM-21 AT und 16 Jahre nach Ende der Beschaffung der Anti-Personenmine DM-31 durch die Bundeswehr, liefert die IWKA nach eigenen Angaben nicht näher spezifizierte Minengehäuse, wahrscheinlich für die Panzerabwehrmine DM-21 (Telefongespräch Otfried Nassauer mit IWKA am 29.9.1995; Lübecker Nachrichten 23.9.1995).

  • Noch bis über die Mitte der achtziger Jahre hinaus bietet die IWKA-Tochter KUKA Panzerabwehrminen international zum Kauf an. Von zumindest einem Exportgeschäft ist auszugehen, da der KUKA nach Angaben des Auswärtigen Amtes zu jenen Firmen gehörte, die eine Exportgenehmigung erhielten.

Ein Engagement der IWKA im Bereich der Minenverlegetechnik ist nicht bekannt. Bis 1979 gehörte aber auch die Firma Comet Pyrotechnik in Bremerhaven, ein Hersteller von Minenräumtechnik zur IWKA. Gegenwärtig sind die Industriewerke Karlsruhe Augsburg ziemlich sicher nicht mehr im Bereich der Landminentechnologie tätig.

 

Ein Blick zurück - Zur Geschichte der IWKA

Auch die IWKA hat ihren Ursprung in der Rüstungstechnik. Die Geschichte des Unternehmens reicht bis in das Kaiserreich zurück. Hervorgegangen ist die IWKA AG unter anderem aus der 1872 gegründeten Patronenhülsenfabrik Henri Ehrmann & Cie, die 1889 in Deutsche Metallpatronenfabrik und 1896 in Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken umbenannt wurde und als wichtiger Lieferant der Deutschen Reichswehr im ersten Weltkrieg Bekanntheit erlangte (Perdelwitz, 1984, S.185). Nach einem Zwischenspiel als Berlin Karlsruher Industrie-Werke AG ab 1922 schien 1936 die Zeit gekommen, wieder als Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG zu firmieren. Die Firma gehörte damals übrigens zum Imperium Günter Quandts, der zum fünfzigjährigen Bestehen der Firma an Hitler schrieb: "Es erfüllt uns mit Dankbarkeit und freudigem Stolz, daß die gesamte Gefolgschaft (...) ihre ganze Kraft daran setzte (...), die Tradition des Unternehmens wiederherzustellen. Daß diese Bemühungen zum Erfolge führten (...), verdanken wir aber allein der Initiative unseres Führers, der mit unbeugsamem Willen die Wiederertüchtigung und Wehrhaftmachung des deutschen Volkes durchführte" (zit. bei Perdelwitz, 1985, S.185). So blieb es bis zum Ende des ZweitenWeltkrieges. Die Firma verlegte ihren Hauptsitz von Berlin nach Karlsruhe und firmierte nach dem ZweitenWeltkrieg begrifflich wieder zivilisiert als Industriewerke Karlsruhe AG.

 

Problemfall Mauser-Werke

Mit ihrer wechselvollen Geschichte und ihrer nicht ganz klar abzugrenzenden Rolle in der Minenentwicklung und -produktion stellen die Mauser Werke, Oberndorf, ein Problem dar. Die Mauser-Werke Oberndorf entstammen dem Erbe der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken und gehören somit nach dem ZweitenWeltkrieg zunächst zu den Industriewerken Karlsruhe. 1979 werden sie an die Firma Diehl verkauft. Diese will 1995 60% der Aktien an Rheinmetall verkaufen.

Mauser, ein traditionsreicher Hersteller von Gewehren, Pistolen und Maschinenkanonen, wurde in der Öffentlichkeit bislang kaum mit der Entwicklung oder Produktion von Landminen in Verbindung gebracht. Auch im Rahmen dieser Studie kam die Firma erst sehr spät ins Blickfeld. Mehrere Hinweise machen aber weitere, künftige Nachforschungen erforderlich:

Der Unternehmensleiter Wehrtechnik der Industriewerke Karlsruhe, Helmut Eppe sagt in einem Interview aus dem Jahre 1977: "In Oberndorf entwickeln wir weiterhin Minen. Abgeschlossen ist die Entwicklung der Panzermine DT-21, die in diesem Jahr noch zur Ausschreibung kommen soll." (o.Verf., 1977, S.83). Helmut Eppe war lange Jahre leitend bei Mauser tätig; die Mauser-Werke sind nach Kenntnis der Autoren der einzige wehrtechnische Betrieb der IWK in Oberndorf gewesen. 1970 war der IWK-Entwicklungsabteilung Munition zu Mauser nach Schramberg-Sulgen bei Oberndorf verlegt worden (Schwarzwälder Bote, 1987).

Die Panzermine DT-21 wurde - nach Konstruktionsänderungen - ab 1980 als DM-21 von der Bundeswehr beschafft. Als Hersteller wird die Firma Diehl genannt, die die Mauser-Werke kurz vor Produktionsbeginn im Jahre 1979 übernommen hat.

Es kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, daß die Mauser-Werke der IWK auch an der Entwicklung der Anti-Personenmine DM-31 beteiligt waren und es ist kaum vorstellbar, daß deren Weiterentwicklung zur DM-41 ohne das bei Mauser befindliche Know-How zur DM-31 möglich war. Das amerikanische Verteidigungsministerium berichtet in seiner jüngst veröffentlichten Datenbank "Minefacts", daß die Mauser-Werke ein Springmine mit tödlicher Wirkung auf 30 Meter Entfernung entwickelt und hergestellt haben, die über ein 400 Meter langes Kabel elektrisch aus sicherer Deckung gezündet werden kann (US-Department of Defense, 1995, Datensatz "Remote-Controlled Antipersonel"). Die technischen Daten dieser Springmine ähneln, soweit dem Pentagon bekannt, verblüffend denen der DM-31. Die Ende der achtziger Jahre in Entwicklung befindliche Kampfwertsteigerung der DM-31 zur DM-41 sah im Kern vor, die vorhandene Mine DM-31 mit einem elektronischen Zünder nachzurüsten. Der Hauptauftragnehmer für dieses Vorhaben war Honeywell, zu den Unterauftragnehmern gehörte u.a. Diehl (Heckmann, 1990, S.47, Wehrdienst 1180/1988). Sinnvoll würde die Beteiligung von Diehl vor allem dann erscheinen, wenn die Technologie der DM-31 in der Tat über die Mauser-Werke in das Vorhaben eingebracht worden wäre.

Weitere Recherchen über die Rolle der Mauser-Werke sind damit sinnvoll. Zudem wird es zu beobachten sein, ob der Verkauf von Mauser an Rheinmetall zu einem erweiterten Engagement dieser Firma im Bereich Landminen führt.

 

Die Rheinmetall-Industrie GmbH

In der Rheinmetall-Industrie GmbH sind die Rüstungsaktivitäten der Rheinmetall-AG Berlin gebündelt, die mehrheitlich der Familie Röchling gehört. Der Konzern beschäftigte 1993 15.523 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 3,1 Mrd. DM in den Geschäftsbereichen Maschinenbau (Jagenberg AG), Automobiltechnik (Pierburg), Bürosysteme (Mauser-Waldeck AG) und Wehrtechnik.

Die Rheinmetall-Industrie GmbH bietet in der Wehrtechnik vor allem Rohrwaffen, Kettenfahrzeuge, Waffen- und Turmanlagen sowie Gefechts- und Übungsmunition an. Mit dem Kauf von 60% der Mauser-Werke, Oberndorf, im Jahre 1995 kann Rheinmetall seine Vormachtstellung im Bereich der Rohrwaffen vermutlich deutlich stärken. Dem Konzern gehören bereits mehrheitlich eine Reihe weiterer Unternehmen, die seine in Konkurrenz zu Diehl stehenden Bemühungen um den Aufbau eines Verbundes der Hersteller von Heeresrüstung abstützen. Dazu gehört die WNC-Nitrochemie, der Bundesrepublik einziger Hersteller von Treibladungspulver, die MaK-System Gesellschaft, Kiel (Minenräumpanzer Keiler, Leopard), die Nico-Pyrotechnik in Trittau bei Hamburg (u.a. Übungsminen), die Pyrotechnik Silberhütte, die TZN Beteiligungsgesellschaft, Düsseldorf und der niederländische Munitionshersteller De Kruithoorn.

Die Rüstungs- und Munitionsfertigung innerhalb der Rheinmetall Industrie-GmbH ist im Werk Unterlüß bei Celle konzentriert. 1991 wurde die Produktion aus Düsseldorf ganz nach Niedersachsen verlegt, wo Rheinmetall seit langem über eine Produktionsstätte verfügte. Die dortigen Bedingungen sind für Rheinmetall ideal: Zum einen verfügt das Unternehmen dort über einen eigenen Schießplatz von 50 Quadratkilometern Größe. Zum anderen ist Rheinmetall in Unterlüß auch zu 40,1% an einer einmaligen Einrichtung beteiligt - dem Technologie-Zentrum Nord, TZN. Weitere Anteile an diesem 1986 auf Betreiben von Rheinmetall und der damaligen niedersächsischen Wirtschaftsministerin Birgit Breuel eingerichteten Zentrum halten mit 24,9% die Braunschweig GmbH (eine Tochter der Norddeutschen Landesbank) und mit 35% der gemeinnützige TZN-Förderverein. Das Land Niedersachsen investierte 65 Mio. DM in das TZN und stellte erhebliche Mittel als Betriebskostenzuschuß über fünf Jahre bereit. Das TZN führt in wesentlichem Umfang wehrtechnische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Rheinmetall aus (Golibrzuch, 1992, S.11-13).

Minentechnik bei Rheinmetall

Die bekannt gewordenen Aktivitäten der Firma Rheinmetall im Minenbereich sind eher jüngerer Natur. Erst mit Überlegungen, eine Artilleriegranate mit Minensubmunition zu entwickeln und mit der Submunitionsfertigung für die Mehrzweckwaffe 1 des Tornado eröffnet sich Rheinmetall ab 1983 diesen Bereich der Munitionsfertigung. Die Rheinmetall-Aktivitäten im Bereich Landminen:

  • Rheinmetall fertigt zwei Submunitionen für die Mehrzweckwaffe 1, die Mine MUSPA in bis zu 90.000 Exemplaren und die Submunition bzw. Mine MUSA in ca. 17.000 Exemplaren,

  • Rheinmetall bewarb sich zusammen mit Matra in Frankreich und British Aerospace in Großbritannien mit dem Konzept APILAS um das Vorhaben ARGES/PARM-2. Die Bewerbung war allerdings nicht erfolgreich (Guest, 1989, S.70),

  • Rheinmetall entwickelte zusammen mit Royal Ordnance und Matra den Vorschlag "MAZAC" für eine künftige Flächenverteidigungsmine (Hammik, 1991).

Künftig wird der Rheinmetall Industrie GmbH für Landminensysteme voraussichtlich eine wachsende Rolle zukommen. Mit der zunehmenden Bedeutung von Submunitionen, die vielfach Minen sind, entwickeln sich die technologischen Trends in der Minentechnologie in eine Richtung, die besser mit den traditionellen Stärken des Unternehmens harmoniert. Die geplante Integration der MW-1 Submunitionen MUSA und MUSPA in den Abstandsflugkörper MAW-Apache kann für Rheinmetall bereits einen nächsten Auftrag in diesem Bereich bedeuten. Auch in den von der DASA für Schweden entwickelten Submunitionsdispenser DWS-39 passen diese Submunitionen.

 

Die Daimler-Benz Aerospace AG

Auch Deutschlands renommiertester Autohersteller ist in der Minenherstellung tätig. Durch den Erwerb von Messerschmidt-Bölkow-Blohm, heute Teil der Daimler Benz Aerospace, ist Daimler Benz selbst zum unstrittig größten Rüstungskonzern in Deutschland geworden. Die durch den Konzern angebotene Palette der Rüstungsgüter enthält alles, was modern und teuer ist. Von Kampfflugzeugen (Tornado und Jagdflugzeug 2000) über die Flugzeug-, Schiffs- und Panzerantriebe der MTU bis hin zu Panzerabwehrraketen und Minen haben DASA und Daimler-Benz-Konzern Rüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft im Angebot.

Die DASA beschäftigte 1994 weltweit 75.581 Mitarbeiter, davon waren im Bereich "Verteidigung und zivile Systeme" 9.970 tätig. Dieser Bereich klammert den militärischen Flugzeug- und Hubschrauberbau aus. Der Konzernumsatz betrug 1994 rund 17,4 Mrd. DM, davon fielen rund 3 Mrd. DM in dem Bereich Verteidigung und zivile Systeme (Wehrtechnik, Heft 6, 1995, S.43).

Die rüstungstechnische Produktion außerhalb der Luftfahrt ist Teil des Unternehmensbereiches "Verteidigung und zivile Systeme". In diesem Bereich werden u.a. Systeme zur Panzerabwehr, Luftverteidigung, Boden- und Seezielbekämpfung, Dispenser und Submunitionen, Lichtwellenleiter-Flugkörper (Polyphem) und Gefechtsköpfe hergestellt oder entwickelt (Die Grünen im Bayerischen Landtag, 1992, S.3-6). Zu diesem Bereich gehört auch das ehemalige MBB-Werk Schrobenhausen. Hier sind zur Zeit noch die Fertigung von Minen, Zündern und Gefechtsköpfen angesiedelt.

Landminentechnologie aus dem Hause Daimler

Daß MBB-Schrobenhausen als Minenproduzent für die Bundeswehr erst in den achtziger Jahren öffentlich in Erscheinung tritt, bedeutet nicht, daß die Firma auf diesem Feld nicht zuvor schon intensiv tätig war. Bereits am 3. Oktober 1962 wurde von MBB bei zwei Tests die Wirksamkeit sogenannter ‘Fernminen’ nachgewiesen. Dabei handelte es sich um ein sprenggeformtes Projektil, besser bekannt als projektilbildende Ladung, die von der Seite auf einen vorüberfahrenden Panzer abgeschossen wird (Held, 1986, S.249). 1968 wurden einer Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages u.a. Panzerabwehrminen und Fernminen vorgeführt (Wehrdienst 16.4.1968, Beilage).

Bei MBB-Schrobenhausen wurden die folgenden Minen entwickelt bzw. produziert:

  • MBB entwickelte und produzierte die MW-1 Minensubmunition MIFF. Rund 125.000 Minen dürften in Schrobenhausen hergestellt worden sein;

  • MBB entwickelte die Panzerabwehr-Richtmine 1, deren Beschaffung ursprünglich ab 1991 erfolgen sollte, bislang aber mehrfach verschoben wurde und nunmehr 1995/96 in einem Umfang von zunächst 25.000 Stück aufgenommen werden soll.

  • Auch für die Panzerabwehrrichtmine 2 bewarb sich die DASA; zusammen mit Aerospatiale wurde ein Konzept namens EMMA auf Basis der PARM-1 angeboten; dieses Konzept war nicht erfolgreich, wurde aber zu Ende entwickelt und kann von der Firma angeboten werden (Guest, 1989, S.70).

  • Mit dem Konzept ALMA legt MBB einen Vorschlag für einen Mehrfachstarter für Panzerabwehrrichtminen vor.(Held, 1986, S.250).

  • Mit der Streumine LASSO machte MBB schon früh in den achtziger Jahren einen Vorschlag für eine vielseitig verwendbare Flächenverteidigungsmine, eine Streumine der 3. Generation.

  • Auch MBB macht einen Systemvorschlag für das Minenkampfsystem des Jahres 2000: Dieses sollte aus den Panzerabwehrrichtminen 1 und 2, der neu zu entwickelnden mobilen Kugelmine RAMMER, der Streumine LASSO, der Hubschrauberabwehrmine HAM und einer zweiten Flächenverteidigungsmine namens RAVAM bestehen. Ein Großkonzern denkt und plant groß.

In der Minenverlegetechnik engagierte sich die DASA ebenfalls.

  • Im MBB-Werk Donauwörth werden die MW-1 Submunitionsdispenser gefertigt.

  • Die MBB-Werke Nabern, Donauwörth und Augsburg übernehmen eine Vielzahl von Produktions-Aufgaben für das MARS-System (Golla, 1990, S.10).

  • MBB und Dornier GmbH teilen sich die Aufgabe der technischen Integration der Abstandswaffe MAW-Apache in den Tornado. Dieser soll künftig mit den MW-1 Submunitionen ausgestattet werden.

  • MBB hat aus der MW-1 und für die schwedischen Luftwaffe entwickelten Dispenserwaffe DWS-24/39 eine ganze Familie von Submunitionswaffen abgeleitet, die mit den MW-1-Submunitionen, darunter der Minenmunition MIFF eingesetzt werden können. Diese Waffen werden von MBB auf dem Markt angeboten. Die schwedische Luftwaffe hat sich allerdings für Bofors-Submunitionen entschieden.

Eine Vielzahl weiterer Zulieferungen für Landminenverlegesysteme werden von anderen Betrieben aus der DASA wahrgenommen. Die DASA ist aufgrund der Vielzahl ihrer Firmen und Beteiligungen sowie aufgrund ihrer Größe in der Lage, sowohl eine hohe Fertigungstiefe innerhalb des Konzernes als auch jederzeit die Systemfähigkeit für Minen und Minenverlegesysteme zu offerieren.

Im Rahmen der Neustrukturierung des Rüstungsbereiches der DASA, zu der die Gründung von etlichen sogenannten Eurogesellschaften mit Partnern vor allem aus Frankreich gehört, wurde das Werk Schrobenhausen 1994 mitsamt der Minenproduktion in ein Joint Venture mit der französischen Firma Thomson CSF eingebracht. Die neue Firma wird unter dem Kürzel TDA, Thomson-CSF Deutsche Aerospace, geführt (TDA, 1995) und soll mit insgesamt rund 1.000 Beschäftigten 420 Mio. DM Umsatz erwirtschaften (FAZ, 7.4.1994, Handelsblatt 7.7.1994, Frankfurter Rundschau, 16.7.94).

 

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