Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Israel Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz Diesen Report können Sie im PDF-Format herunterladen
3.2. Exporte von kompletten Waffensystemen nach Israel in den 90er Jahren Zwischen 1955 und 1990 wurden vereinzelt Marinesysteme geliefert, zu denen auch die U-Boote der GAL Klasse gehörten, die zwischen 1973-77 nach deutschen Plänen und mit deutschen Ingenieuren von Vickers Shipyards (Großbritannien) für Israel produziert wurden. [49] Nach Auswertung der Rechercheergebnisse für die letzten 12 Jahre kann festgehalten werden, dass, ähnlich wie in den Jahrzehnten zuvor, deutsche Exporte kompletter Waffensysteme nach Israel eher eine Ausnahme darstellen. [50] In diesem Zeitraum wurden vermutlich nur vier Verträge für die Auslieferung von kompletten Waffensystemen abgeschlossen und erfüllt: Die Auslieferung einer Patriot Flugabwehrbatterie, bestehend aus acht Werferfahrzeugen, sowie von acht ABC-Spürpanzern des Typs Fuchs 1991, die Auslieferung von drei dieselangetriebenen U-Booten des Typs Dolphin zwischen 1998 und 2000 sowie erneut der Export von zwei Patriot Flugabwehrbatterien 2002/2003. Im Jahr 2002 wurden auch 17 leichte Trainer-Flugzeuge Grob 120A für die israelische Luftwaffe geliefert. Allerdings bleibt unklar, ob diese Flugzeuge überhaupt als Kriegswaffen oder als sonstige Rüstungsgüter klassifiziert werden müssen. [51] Über ein weiteres Exportvorhaben, die Überlassung von einer unbekannten Zahl von Fuchs Transportpanzern und/oder Fuchs ABC-Spürpanzern, soll noch entschieden werden. [52] Beschränkt man sich auf die Exporte der oben genannten Kriegswaffen, lassen sich einige Gemeinsamkeiten identifizieren. An der Umsetzung aller Vorhaben war die Bundesregierung nicht nur durch die politische Entscheidung beteiligt. Die Kriegswaffen wurden entweder direkt aus Bundeswehrbeständen geliefert oder die Regierung war als Vertragspartei verantwortlich für die Bereitstellung des Waffensystems durch die deutsche Rüstungsindustrie und hat den Großteil der Kosten übernommen. Die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung durch die Bundesregierung erfolgte immer parallel zur politischen Diskussion über die Gefährdung Israels durch den Irak. In diesem Kontext wurde die Erteilung der Exportgenehmigungen von der Bundesregierung als notwendigen Beitrag zur Sicherheit Israels dargestellt. Gleichzeitig wurde vor allem der defensive Charakter der exportierten Waffensysteme betont (ABC-Spürpanzer Fuchs und die Patriot), bzw. im Falle des U-Bootgeschäfts, die Tatsache, dass seegestützte Waffensysteme bislang in den Konflikten Israels mit der palästinensischen Bevölkerung keine Rolle gespielt hatten. Indirekt hat die Bundesregierung damit sehr wohl die Problematik von Rüstungsexporten nach Israel gemäß KWKG, AWG und den politischen Richtlinien erkannt und versucht, zusätzliche Argumentationslinien einzuführen, die den Export erlauben. Aus diesem Grund ist die ausstehende Entscheidung des Bundessicherheitsrates zur Lieferung der Fuchs-Panzer besonders interessant. Hier geht es eindeutig um Waffensysteme, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in den gegenwärtigen "innenpolitischen" Konflikten von der israelischen Armee eingesetzt werden. 3.2.1. Das Dolphin-Projekt Das herausragende Exportgeschäft in den 90er Jahren war die Auslieferung von drei U-Booten des Typs Dolphin. Wie die bisherigen Ergebnisse deutlich gemacht haben, stellen Großvorhaben dieser Art eher die Ausnahme in der deutsch-israelischen Rüstungskooperation dar. Da die Umsetzung solcher Großvorhaben aufgrund ihrer militärischen und ökonomischen Relevanz in der Regel wesentliche Merkmale der Rüstungskooperation aufweist, wird dieses Rüstungsexportgeschäft hier genauer untersucht. Bereits Anfang der 80er Jahre definierte die israelische Marine ihre Anforderungen für fünf dieselgetriebene U-Boote mit einer Verdrängung von 1.500 Tonnen. Sie sollten die drei GAL U-Boote (Type 540) ersetzen. 1986 erhielt das Ingenieurskontor Lübeck / IKL den Auftrag zur Entwicklung. Das Bauprogramm verzögerte sich jedoch aufgrund fehlendender Finanzmittel. Israel wollte Mittel aus dem Foreign Military Assistance Programm der USA dafür verwenden. [53] Anfänglich weigerten sich die USA, da ihre Militärkredite ausschließlich den Erwerb amerikanischer Rüstungsprodukte erlauben. Die USA willigten schließlich 1989 ein und stellten 600 Mio. $ bereit, unter der Bedingung, dass die amerikanische Werft Litton Ingalls als Generalunternehmer bestimmt würde. Auch diese Lösung hatte nur ein Jahr Bestand, da sich Israel aufgrund veränderter militärischer Prioritätensetzungen weigerte, die vereinbarte Anzahlung zu leisten. Israel entschied sich stattdessen, die amerikanischen Gelder anderweitig auszugeben. [54] Das Exportvorhaben wurde "gerettet" als sich die Bundesregierung im Rahmen der "Golfkriegshilfe" und angesichts des Bekanntwerdens vergangener deutscher Rüstungsexporte an den Irak bereit erklärte, die Kosten für den Bau von zwei U-Booten (etwa 880 Mio.. DM) zu übernehmen. Am 30. Januar 1991 erteilte Bundeslanzler Kohl die Zusage für die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von 1,2 Mrd. DM, das entsprechende Abkommen wurde im Juni 1991 unterzeichnet. [55] Ein Jahr später begannen Verhandlungen über den Bau eines dritten U-Bootes. Erst nachdem die Bundesregierung 1994 erneut eine finanzielle Beteiligung in Höhe von 220 Mio. DM zusicherte, konnte das entsprechende Zusatzabkommen am 9. Februar 1995 unterzeichnet werden. [56] Die Produktion der drei U-Boote begann 1994 und endete mit der Auslieferung des letzten U-Bootes im Jahr 2000. Es war vom finanziellen Volumen her das größte Exportgeschäft mit Israel. Auch wenn es keine 100% verläßlichen Kostenkalkulationen gibt, gilt als gesichert, dass die Bundesregierung wenigstens 1,1 Mrd. DM für die Produktion der Dolphin gezahlt hat. Hinzu kommen noch die unspezifizierten Zahlungen Israels für das dritte U-Boot und zusätzliche Ausgaben für das Feuerleitsystem und die Bewaffnung. Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung führen insgesamt 1,28 Mrd. DM als Auslieferungswert an. [57] 3.2.2. Beispielhaftigkeit des Geschäfts
Dieses Exportgeschäft ist aus mehreren Gründen exemplarisch für die Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Israel. Es zeigt, dass der Export von Waffensystemen nach Israel oft nur zustande kommt, wenn der Exporteur (hier Deutschland, oft aber auch die USA) für die Kosten ganz oder weitgehend aufkommt. Mit wenigstens 1,1 Mrd. DM trug der deutsche Steuerzahler etwa 85% der Gesamtkosten des Vorhabens direkt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde der israelische Kostenanteil dadurch gedeckt, dass die Bundesrepublik ihrerseits Rüstungsgüterkäufe in Israel tätigte und so Israel den Einsatz von Devisen ersparte. [58] Die Finanzierungsfrage war auch bei der Entscheidung für die Torpedobewaffnung ausschlaggebend. Ursprünglich plante Israel die Beschaffung von Sub Harpoon Raketen und Mk.48 Torpedos aus den USA im Rahmen des Foreign Military Assistance Programms. Da die US-Regierung ihrerseits aber dem Export der Mk.48 nicht zustimmte, wurde eine andere Lösung für die Beschaffung schwerer Torpedos gefunden. Der Torpedo DM 2A3 der deutschen Firma STN Atlas wird von der amerikanischen Firma Lockheed Martin Tactical Systems unter der Bezeichnung "Seahake" zum Export angeboten. Dieser Umweg ermöglicht die Finanzierung durch das US-Militärhilfeprogramm. Während die Exportgenehmigung der Bundesregierung für die Lieferung im Jahre 2000 erteilt wurde, ist zur Zeit unbekannt, ob das Vorhaben tatsächlich mit den geplanten 65 Mio. $ durch die USA finanziert wird und ob in Zukunft auch die neue Torpedo-Variante DM 2A4, die für das deutsche U-Boot vom Typ 212 entwickelt wurde, geliefert werden soll.[59]
Doch nicht nur für Israel bot die U-Boot-Kooperation Vorteile. Das Vorhaben war auch für die Bundesregierung wichtig, da sich aufgrund der Unterstützungsleistung für die Golfkriegsallianz und die Kosten der deutschen Einheit abzeichnete, dass der Produktionsbeginn einiger militärischer Großvorhaben für die Bundeswehr aus Kostengründen zeitlich nach hinten geschoben werden musste. Die Dolphin-Produktion bot der Bundesregierung und den beteiligten Firmen die Möglichkeit, bis zu einem späteren Beginn des Vorhabens U-Boot U-212 die Produktionskapazitäten grundauszulasten und zugleich bereits einige technische Komponenten für das geplante U-212 zu testen. Neben den ausführenden Bauwerften, Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) und Thyssen Nordseewerke, waren eine Vielzahl von deutschen Rüstungsfirmen als Zulieferer beteiligt, darunter STN Atlas Elektronik, Siemens, und MTU. Ferner läßt sich am Beispiel der Dolphin U-Boote auch aufzeigen, dass solche Großgeschäfte nicht immer eine Einbahnstraße darstellen. Aufgrund der Wünsche der israelische Ingenieure entstand ein eigener U-Boottyp. Israelische Firmen waren an allen Planungs- und Produktionsschritten beteiligt. Israelische Firmen wie Elisra, Elbit und Israeli Military Industries lieferten Komponenten. Die israelische Marine hat die Boote nach der Auslieferung in Israel weiter ausgerüstet und umgebaut. HDW wurde schließlich zum einzigen westlichen Anbieter von U-Booten mit Torpedorohren zweier Kaliber (533mm und 650mm). Außerdem finden sich etliche dieser Komponenten - angepasst an die Bedürfnisse der deutschen Marine auch in den U-Booten vom Typ 212 wieder, wie z.B. das EloKa-System Timnex 2 der Firma Elbit Systems. [60]
Mit jedem Rüstungsexportgeschäft ist auch ein gewisser Technologietransfer verbunden. Da Israel in den achtziger Jahren die Entwicklung finanzierte, liegen die Designrechte an dem U-Boot Typ Dolphin teilweise in Israel. [61] Israel kann also nicht nur der Bundesrepublik in Israel gebaute U-Boot-Komponenten anbieten, sondern auch anderen Staaten. Zudem könnte es versuchen, aus dem Besitz der Design- und Fertigungsunterlagen Kapital zu schlagen. Ein Beispiel ist die Zusage der USA an Taiwan, die Beschaffung von acht Diesel-U-Booten für die taiwanesische Marine zu ermöglichen. Da die US-Werftenindustrie selbst nicht über das erforderliche Know-how verfügt, muß es anderweitig erworben werden. Taiwan will vorrangig deutsche U-Boottypen haben, die Bundesregierung aber aus Rücksicht auf China nicht nach Taiwan liefern. Israel hat sich wiederholt als Alternative angeboten und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf diesem Wege letztlich deutsche Rüstungsgüter und Technologien nach Taiwan gelangen. [62]
Warum war Israel an U-Booten aus deutscher Produktion interessiert? Das deutsche Design der bisher genutzten GAL-U-Boote Israels hatte dessen Bedürfnisse offensichtlich erfüllt. Anforderungen an einen Nachfolgetyp waren u.a. eine kleine Besatzung (35 Mann), die Fähigkeit zu küstennahen Operationen, eine Reichweite, die den gesamten Mittelmeerraum abdecken kann (4500 km) und eine möglichst geringe Verdrängung um 1.700 Tonnen. [63] Hinzu kam der Wunsch nach einer vielseitigen Einsetzbarkeit und Bewaffnung (Torpedos, Minen, Spezialkräfte, Anti-Schiffsraketen, See-Landraketen, Aufklärungsmittel). All diese Wünsche ließen sich mit den neuen U-Booten erfüllen. Doch Anfang der neunziger Jahre wurde eine weitere, proliferationsrelevante, israelische Forderung bzw. Fähigkeit integriert: Die U-Boote wurden mit zwei unterschiedlichen Torpedorohren gebaut: Sechs Rohre mit dem Standarddurchmesser von 533mm, vier mit dem in der Sowjetunion für schwere Torpedos und Langstreckenflugkörper genutzten Durchmesser von 650mm. Dieses Konstruktionsdetail wirft harte Fragen auf: Die 533mm Rohre reichen aus, um konventionelle Torpedos und Flugkörper abzuschießen, Seeminen zu verlegen und Sonderkommandos abzusetzen. Sie erfüllen damit alle öffentlich bekannten Anforderungen Israels an die Bewaffnung der U-Boote. Mit den 650mm Rohren dagegen könnte Israel von den U-Booten Flugkörper größerer Reichweite verschießen bestückt mit nuklearen Sprengköpfen.[64] Damit würde Israel über eine nur sehr schwer verwundbare, seegestützte atomare Abschreckungsfähigkeit verfügen eine Fähigkeit, die in Israel seit geraumer Zeit gefordert wird und die in der arabisch-islamischen Welt allergrößte Besorgnis hervorrufen muß. [65] Vor Sri Lanka sollen bereits entsprechende Flugkörper-Tests durchgeführt worden sein. [66] Angesprochen darauf antwortete Eli Marum, Operationschef der israelischen Marine, mit einer Gegenfrage: "Sie wissen wer unsere Nachbarn sind. Glauben Sie, dass wir Langstreckenraketen testen sollten?" [67] Die nuklearfähigen Flugkörper zum Abschuss aus diesen Rohren könnte Israel sowohl weitgehend eigenständig als auch mit diskreter Hilfe anderer Staaten entwickelt haben. Ihre Einrüstung könnte Teil der Umrüstarbeiten sein, die Israel an allen aus Deutschland gelieferten Dolphin-U-Booten vornimmt. Der Bundesrepublik käme damit die politische Verantwortung dafür zu, Israel mit der Waffenplattform für seine Nuklearwaffen Abschreckung beliefert zu haben, die Israels nuklearstrategische Optionen beträchtlich erweitert, deutlich besser absichert und schützt sowie für weitere Jahrzehnte erhaltbar macht. [68] Dass Israel die aus Deutschland gelieferten Dolphin-U-Boote als Nuklearwaffenträger einsetzen will oder bereits einsetzt, gilt in militärischen und geheimdienstlichen Kreisen als offenes Geheimnis. Darüber hinaus scheint Israel während der neuerlichen Irak-Krise 2002/2003 sondiert zu haben, ob und unter welchen Bedingungen zwei weitere Dolphin U-Boote geliefert werden könnten. 3.3. Export von Komponenten nach Israel Die Auswertung der Rüstungsexportberichte der Bundesregierung zeigt, dass in den letzten zwei Berichtsjahren der Anteil an Exportgenehmigungen für Rüstungskomponenten hoch war und viele Posten der Ausfuhrliste abdeckte. Die für manche, aber nicht für alle Jahre verfügbaren Angaben zum Export von Dual use-Gütern an Israel verdeutlichen, dass es noch weitere Wege gibt, Exporte zu tätigen ohne explizit im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung aufzutauchen. Auch wenn keine ganz aktuellen Daten für Dual use-Exporte verfügbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass weiterhin auch solche Exporte stattfinden. Diese Geschäfte decken ein breites rüstungstechnologisches Spektrum ab. Sie sind wesentlich schwieriger zu verfolgen und quantitativ wie qualitativ zu bewerten. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Komponentenexporte nach Israel über Exportgenehmigungen für andere Staaten läuft. Deutsche Dual use-Güter können z.B. in Komponenten oder ganze Waffensysteme eingebaut werden, oder die Komponenten werden zu Waffensystemen endmontiert und dann aus Drittstaaten nach Israel exportiert. Ein aktuelles Beispiel für den Komponentenexport nach Israel sind die MTU-Motoren für den neuen Kampfpanzer Merkava 4. Für die erst im April 2002 vorgestellte neueste Version, den Merkava 4, werden 400 MTU-Dieselmotoren des Typs MTU 883 V-12 mit dem zugehörigen Getriebe der Firma Renk zu einem Auftragswert von 265 Mio. $ (etwa 650.000 $ / Stück) beschafft. [69] Die Motoren werden über das amerikanische Unternehmen General Dynamics Land Systems geliefert, das eine Lizenz für den Bau dieser Motoren hat. [70] Unter der Bezeichnung GD 883 wird der MTU-Dieselmotor auch in die Exportversion der M1A2 Abrams montiert. Bereits in das Vorläufermodell, den Merkava 3 Panzer, dessen Produktion 1989 begann, wurden auf jeden Fall zwei deutsche Komponenten eingebaut: das Automatikgetriebe RK 304 der Renk AG und das Stabilisierungssystem für den Gefechtsturm Geadrive der Firma Extel Systems Wedel (ehemals Teil der AEG). [71] Die Zusammenarbeit im Bereich der Panzertechnik hat Tradition. Israelische Rüstungsunternehmen sollen in den 70er und 80er Jahren wesentliche technische Neuentwicklungen aus Deutschland übernommen haben, betrachten diese aber teilweise als Eigenentwicklungen. Dazu gehören die reaktive Panzerung des Ingenieursbüro Deisenroth, wie auch die 120mm Glattrohrkanone von Rheinmetall und das Stabilisierungssystem für den Gefechtsturm von Extel, welches erstmalig das gezielte Schießen des Panzers bei voller Fahrt ermöglichte. Eine Erklärung für den erheblichen Anteil von Komponenten am Exportgeschäft ist, dass sich Deutschland und Israel - wie auch andere Staaten - immer häufiger für eine Leistungssteigerung und Verbesserung ihrer Waffensysteme durch Integration moderner (ziviler) Komponenten und Technologien (z.B. Elektronik und Informationstechnologien) entscheiden. Dagegen wird der Export von kompletten Waffensystemen nach Israel auch in Zukunft eine Ausnahme bleiben. Es kann bezweifelt werden, dass es überhaupt ein israelisches Interesse an deutschen Komplettsystemen gibt, wenn diese nicht von der Bundesregierung bezahlt werden. Drei Faktoren spielen dabei eine Rolle:
3.4. Proliferation durch Zulieferung und Reexport Vor allem die verstärkte direkte industrielle Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten läßt einen Anstieg des deutschen Komponentenexportes erwarten und erhöht zugleich die Wahrscheinlichkeit von Reexporten durch Israel. Beide Seiten haben entdeckt, dass ihre kombinierten technologischen Möglichkeiten gute Marktchancen besitzen. Damit begeben sich Bundesregierung wie Rüstungsindustrie auf eine Gratwanderung mit erhebliche Risiko. Ihnen ist klar, dass Israel durchaus ein schwieriger Partner sein wird. Israel reexportiert aus Deutschland erhaltene Komponenten auch in Staaten, in die direkte Lieferungen aus Deutschland kaum möglich sein würden und nimmt es dabei mit den erforderlichen Reexportregelungen nicht allzu genau. [73] Gemäß den für Deutschland gültigen gesetzlichen Vorgaben muß jeder Reexport deutscher Komponenten vorher zustimmend zur Kenntnis genommen werden. In der Praxis bleibt es dem reexportierenden Staat überlassen, einen geplanten Reexport anzumelden. Die deutsche Seite muß dann abwägen, ob eine Verweigerung des Reexports oder eine rigide Überprüfungspraxis des Endverbleibs das bilaterale Verhältnis belasten bzw. durchführbar sein würde. [74] Doch selbst wenn es "nur" um die direkte Zulieferung deutscher Rüstungsgüter für ein Vorhaben in einem Drittstaat geht, stellt sich das gleiche Problem. Die Empfängerstaaten israelischer Rüstungsexporte liegen oft in Spannungs- und Kriegsgebieten und die Wahrung der Menschenrechte ist dort auch nicht in jedem Fall garantiert. Die VR China, Sri Lanka, Indien und die Türkei gehören beispielsweise zum engeren Kundenkreis Israels allesamt Staaten, in die deutsche Rüstungsgüter nicht ohne weiteres direkt geliefert werden können. Im Falle der VR China existiert beispielsweise weiterhin ein Embargo. Die bekannten deutschen Zulieferungen für israelische Rüstungsexporte finden sich im Marinebereich, der selbst im Blick auf Spannungsgebiete der Politik oft als unproblematisch gilt: "Was schwimmt, geht". Dies beruht auf der Einschätzung, dass der Export von Marinewaffensystemen und deren Komponenten weniger problematisch sei, weil diese bei innerstaatlichen Konflikten kaum eine Rolle spielen. In den 90er Jahren profitierte MTU, der führende Hersteller von Dieselmotoren für Panzer und Marineschiffe, in erheblichem Umfang von dieser Einschätzung. Ein Großteil der Boote der israelischen Marine wurden mit Dieselmotoren aus Deutschland ausgerüstet, so in den 90er Jahren die Korvetten der Saar 4.5 und Saar 5 Klassen. Im Rahmen der Flottenmodernisierung wurden ältere Modelle (mit deutschen Motoren) exportiert. Inzwischen ist Israel dazu übergegangen, Marineschiffe mit MTU-Motoren für den Export zu produzieren. Die folgende Tabelle zeigt, dass auf diesem Wege seit 1990 nicht nur 26 MTU Dieselmotoren, genehmigungspflichtig gemäß der AWG Ausfuhrliste A, für die israelische Marine geliefert wurden, sondern wenigstens weitere 32 Motoren in Schiffe eingebaut worden sind, die Israel exportierte bzw. deren Lizenzbau in Drittstaaten vertraglich von Israel vereinbart worden war. Zusätzlich wird MTU auch an der Lieferung von Ersatzteilen über Israel profitieren.
Tabelle 6: (Re)Export von MTU Dieselmotoren über Israel und Folgegeschäfte [75]
Ein anderes aktuelles Beispiel für eine geplante Zulieferung deutscher Rüstungsgüter für ein israelisches Exportvorhaben ist die Modernisierung türkischer M60 Panzer durch die israelische Rüstungsfirma Israel Military Industries / TAAS aus Romat Hasharon. Im September 2002 wurde der Vertrag mit der türkischen Regierung unterschrieben. In den nächsten sechs Jahren sollen zunächst 170 M60 für etwa 700 Mio.$ modernisiert werden. Die türkische Armee hatte während der Verhandlungen immer wieder betont, dass im Rahmen der Modernisierung auch deutsche MTU Dieselmotoren und ein Getriebe der Renk AG eingebaut werden sollen. [76] Solche Vorbedingungen für das Zustandekommen eines israelischen Exportgeschäfts stellen die deutsch-israelische Rüstungskooperation immer wieder auf die Probe weil ein Direktexport aus Deutschland als politisch problematisch und kontrovers gilt. Die rotgrüne Bundesregierung ist sich auf der einen Seite sehr wohl der Widersprüche zwischen den Kriterien der politischen Richtlinien zum Rüstungsexport zur Situation in der Türkei bewusst und hat vorläufig Exportgenehmigungen für Kampfpanzer und Haubitzen in die Türkei ausgeschlossen. Die politischen Richtlinien sind aber nicht nur auf den Export von Rüstungsgütern gemäß der Kriegswaffenliste Teil B anzuwenden, sondern auch auf die Ausfuhr von Komponenten, die unter die Ausfuhrliste Abschnitt A fallen. Doch wird hier in der Regel das geschäftliche Interesse als höher eingestuft, wie auch im Fall der MTU-Dieselmotoren für den modernisierten M60. [77] Eine Verweigerung der Ausfuhrgenehmigung könnte das gesamte israelische Vorhaben zum Scheitern verurteilen. Umgekehrt könnte Israel sich damit revanchieren, seinerseits in Zukunft bestimmte Komponenten, auf die Deutschland angewiesen ist, nicht zu liefern. 4. Israelische Rüstungsexporte nach Deutschland Auch wenn es in dieser Studie vorrangig um die deutschen Interessen und Exporte nach Israel geht, ist es sinnvoll, auch auf die israelische Seite einzugehen, die schließlich die bilateralen Beziehungen genauso durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Allerdings muß dabei immer berücksichtigt werden, dass gesicherte (statistische) Informationen über die israelische Rüstungspolitik und Rüstungsindustrie nicht verfügbar sind. 4.1. Israelischer Rüstungsexport Seit 1997 beträgt der israelische Verteidigungsetat zwischen 8 und 9% des Bruttoinlandsproduktes. In absoluten Zahlen pendelt er um die 9 Mrd.$ - im Jahr 2002 waren 9,8 Mrd. $ vorgesehen. [78] Der Etat reicht nicht aus, gleichzeitig den Unterhalt und die Modernisierung der Armee zu gewährleisten, die eigene Rüstungsindustrie mit ausreichenden Aufträgen zu versorgen und die finanziellen Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Palästinensern zu finanzieren. Dies hat zwei Konsequenzen: Israel fällt es immer schwerer, den Import von modernen Rüstungsgütern aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Zugleich ist die israelische Rüstungsindustrie zunehmend auf Exportmärkte angewiesen, um weiter hochwertige Rüstungsgüter zu produzieren. Laut der israelischen Exportagentur des Verteidigungsministerium (SIBAT) müssen wenigstens 70% der nationalen Rüstungsproduktion (oder 2,5 Mrd. $) exportiert werden, um den Fortbestand der Industrie zu sichern. [79] Die wichtigste Rolle beim Export spielen die staatlichen Rüstungsunternehmen. Dazu gehören Israel Aircraft Industries (IAI), Israel Military Industries (IMI / TASS) und Rafael Armament Development Authority. Private Rüstungsunternehmen wie Elbit Systems konnten erst in den letzten Jahren ihren Marktanteil ausbauen. [80] Nur mit Hilfe der USA war es überhaupt möglich, dass Israel die modernste Armee und Rüstungsindustrie im Nahen und Mittleren Osten aufbauen und erhalten konnte. [81] Seit 1973 hat Israel etwa 83 Mrd. $ an direkter Finanzierungshilfe aus den USA erhalten, mit einem stetig wachsenden Anteil an Militärhilfe. Gegenwärtig kann Israel im Rahmen der Foreign Military Assistance (FMA) pro Jahr 2 bis 3 Mrd. $ amerikanischer Gelder für den Erwerb vorwiegend amerikanischer Waffensysteme ausgeben. Im November 2002 hat Premierminister Sharon Verhandlungen über eine zusätzliche einmalige Zuweisung von 4 Mrd. $ aufgenommen. Von den US-Geldern profitierte auch die israelische Rüstungsindustrie. Zum einen konnte ein Teil der FMA-Mittel für israelische Waffensysteme ausgegeben werden. Zum anderen konnte die Rüstungsindustrie amerikanische Technologien in Lizenz verändern und reexportieren. [82] Die zweite Stütze ist der Export. In den letzten zehn Jahren gehörte Israel immer zu den zehn größten Rüstungsexporteuren gemessen an den abgeschlossenen Exportverträgen. Gerade in den letzten drei Jahren konnte eine erhebliche Steigerung beobachtet werden: der Wert stieg von 2,5 Mrd. $ auf 4 Mrd. $ [83]. Damit wurde Israel hinter den USA und Rußland im Jahr 2003 zum drittgrößten Rüstungsexporteur. Als größte Absatzmärkte gelten die USA, danach folgen Staaten wie die VR China (20% der Rüstungsexporte im Jahr 1999), Indien und die Türkei. [84] Nach offiziellen Angaben spielt Europa bislang keine allzu große Rolle als Absatzmarkt für die israelische Rüstungsindustrie (12%), doch in Zukunft werden dort bessere Absatzchancen gesehen. [85] 4.2. Brückenkopf Deutschland Deutschland ist für Israel gesamtwirtschaftlich der wichtigste europäische Handelspartner. [86] Dies gilt ebenso für das Rüstungsgeschäft, auch wenn der Umfang israelischer Rüstungsexporte nach Deutschland nur geschätzt werden kann (siehe auch Anhang C). Mit ihrem technologischen Know-how waren und sind die israelischen Rüstungsfirmen ein wichtiger Partner für die deutschen Unternehmen. Gemessen am Finanzvolumen war die Entwicklung und Lieferung der Technologie für den Stör- und Täuschsender CERBERUS der bislang größte israelische Rüstungsexport eines Systems nach Deutschland. Im Verlauf des seit 1972 laufenden Projektes wurden vier Varianten entwickelt, deren letzte unter dem Namen Tornado Self-Protection Jammer ab 1998 beschafft wurde. Insgesamt wurden etwa 1,1 Mrd. DM an das israelische Rüstungsunternehmen Elta gezahlt. [87] Auf deutscher Seite übernahm der AEG-Konzern (später Teil der Deutschen Aerospace AG von DaimlerChrysler) die Anpassung und den Einbau in Tornado-Flugzuge. Nach Angaben der Bundesregierung wurden außerdem zwischen 1977 und 1991 verschiedene Munitionstypen im Gesamtwert von etwa 1,3 Mrd. DM aus Israel bezogen. [88] Das Rüstungsunternehmen Tadiran hat Mitte der 90er Jahre wenigstens 750 Funkgeräte an die Bundeswehr geliefert. [89] Doch klassische Rüstungsexporte aus Israel werden wohl auch in Zukunft die Ausnahme bleiben. Die israelische Rüstungsindustrie muß sich neue Absatzmärkte erschließen, um weiterhin für die eigene Regierung finanzierbare Waffensysteme produzieren zu können. Deutschland könnte aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit aus israelischer Sicht die Funktion eines "Brückenkopfes" auf dem europäischen Markt zukommen. Für die deutsche Rüstungsindustrie könnten folgende Aspekte attraktiv sein: Sie tritt als "Vermarkter" israelischer Technik auf und verbreitert ihre Angebotspalette, kann durch den Einbau deutscher Komponenten verdienen und Einblicke in die israelische Technik gewinnen. Seit Mitte der 90er Jahre ist eine Zunahme von deutsch-israelischen Joint Venture zu beobachten, entweder mit dem Ziel, israelische Rüstungsgüter an die Bundeswehr zu verkaufen oder durch Beteiligung deutscher Rüstungsfirmen die Absatzchancen in anderen europäischen Staaten zu erhöhen. Der israelische Rüstungsindustrie verfügt gerade in den Technologiebereichen Aufklärung und Drohnen (unbemannte Flugkörper) über attraktive Produkte, die für die europäischen Streitkräfte, u.a. die Bundeswehr, eine wichtige Rolle bei der Modernisierung spielen könnten. Eines der ersten "modernen" Joint Venture wurde 1995 zwischen der Zeiss Eltro Optronik AG (heute Zeiss Optronik GmbH) und der israelischen Rüstungsagentur Rafael vereinbart. Gemeinsam wurde ein Zielbeleuchtungsbehälter (Litening Pod) von Rafael zur Ausrüstung der deutschen Tornado-IDS Flugzeuge angeboten. Der Litening Pod dient dazu, Bodenziele zu identifizieren, zu erfassen und Präzisionsbomben (GBU-24 bzw. GBU-33) dorthin zu lenken. Das Joint Venture gewann den Auftrag, und bis 2002 sollten 20 Litening Pods für die Luftwaffe (für etwa 89 Mio. DM) ausgeliefert werden. [90] Doch die Kooperationsvereinbarung zwischen Zeiss und Rafael ist viel umfassender angelegt. Zeiss wurde an der Integration des Laser-Zielbeleuchters mit 50% beteiligt und baute eine Produktionslinie in Deutschland auf. Zeiss erhielt auch die Zuständigkeit für den Verkauf in Europa. Beide Unternehmen gingen 1995 von einem potentiellen Auftragsvolumen von 350 Mio. DM aus. Im Gegenzug soll Zeiss wichtige Teile und Module wie das Forward Looking Infrared Telescope Radar (FLIR) an Rafael zum Einbau in die Litening Pods auch der israelischen Luftwaffe geliefert haben. [91] Zeiss und Rafael begannen, Varianten des Systems für den Export zu entwickeln, wie z.B. den Aufklärungsbehälter Recce-Lite. Zeiss liefert dafür die Sensoren für die Tag- und Nachteinsätze. Inzwischen verhandelt Zeiss mit einer Reihe von europäischen Staaten über die Modalitäten der Lieferung von Litening Pods und Recce-Lite Systemen, darunter u.a. Griechenland, Norwegen und Spanien. Zeiss erhielt im Jahr 2000 auch vom Rüstungskonzern BAe Systems/Saab AB den Auftrag für den Einbau des Litening Pods in die Exportversion der JAS-39 Gripen Kampfflugzeuge. [92] Ein zweites Joint Venture wurde 1996 zwischen Israel Military Industries und Rheinmetall De Tec vereinbart. Es ging um die Entwicklung und Produktion von 155mm Cargo-Munition sowie dazu passenden Bomblets mit Selbstzerstörungsfunktion. Ursprünglich wollten sich beide an einer deutschen wie auch britischen Ausschreibung beteiligen. Bislang gilt aber nur als gesichert, dass Rheinmetall die israelischen M85 Bomblets als DM 1383 in die Cargo-Munition DM 662 integriert und an die Bundeswehr verkauft hat. In Großbritannien hat dagegen allen Anschein nach am Ende IMI alleine ihre M396 Cargo-Munition an die Armee geliefert. [93] Das 1998 von Rafael, STN Atlas, Rheinmetall und Diehl gegründete Eurospike Konsortium ist ausschließlich auf die Vermarktung der israelischen Panzerabwehrraketen-Baureihe NT (Typenbezeichnung Gil/Short Range, Spike/Long Range und Spike/Extended Range) außerhalb Deutschlands gerichtet. Die Rüstungsagentur Rafael hatte erkannt, dass es ohne europäische Partner kaum gelingen würde, Regierungen zur Beschaffung der NT-Systeme zu bewegen. Die Strategie von Rafael scheint aufzugehen. Innerhalb von vier Jahren wurden über Eurospike bereits Verträge zur Lieferung verschiedener Typen von Panzerabwehrraketen nach Finnland und den Niederlanden abgeschlossen. [94] In der qualitativen Dimension scheint sich in den letzten Jahren die Waage zugunsten israelischer Exporte nach Deutschland geneigt zu haben. Der israelischen Rüstungsindustrie ist es gelungen häufig mit Hilfestellungen aus dem Ausland leistungsfähige Produkte im Bereich der elektronischen Kampfführung, der Aufklärung, der Avionik, der Optronik und der Datenverarbeitung zu entwickeln und diese günstig anzubieten. Die israelische Rüstungsunternehmen haben sich dabei auf High-tech Komponenten konzentriert, die mit vielen Waffensystemen kompatibel sind.
<- vorherige Seite / Nach oben / Nächste Seite ->
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||