Berliner Informationszentrum fuer Transatlantische Sicherheit (BITS) & Sunshine Project
Pressemitteilung
16. April 2004

Pentagon-Berater empfehlen Entwicklung neuer chemischer Waffen


Das Defense Science Board, eines der einflussreichsten Beratergremien des Pentagons, empfiehlt die Entwicklung von betaeubenden Gasen als strategische militaerische Waffe gegen die die Fuehrer von "Schurkenstaaten" und Terroristen. Die sogenannten "calmatives" - Betaeubungsmittel oder andere psychoaktive Drogen - können sowohl fuer den gezielten Angriff auf Einzelpersonen als auch fuer den Einsatz gegen Menschenmengen genutzt werden. Je nach Dosierung koennen sie auch eine toedliche Wirkung haben, wie im Herbst 2002 der Einsatz beim Moskauer Theater-Geiseldrama zeigte.

In einem juengst veroeffentlichten Bericht zu den "Kuenftigen Strategischen Offensivkraeften" der USA, der eine Vielzahl kuenftiger Technologien fuer nicht- nukleare Angriffsoperationen diskutiert, machen die Pentagon-Berater den Vorschlag: "Calmatives might be considered to deal with otherwise difficult situations in which neutralizing individuals could enable ultimate mission success." Der Bericht befuerwortet mit grosser Deutlichlichkeit, dass "das Ziel eines Angriffes auf die Führungen von Schurkenstaaten oder Terroristen die Tötung der Führungspersonen" sowie die "Enthauptung der Regime" sei.

Die Chemiewaffenkonvention (CWC) von 1993 verbietet jedoch jegliche Art von chemischen Waffen, ob nun toedliches Nervengas oder Betaeubungsmittel. "Wenn die US-Regierung den Einsatz solcher Chemikalien zur Bekaempfung von Fuehrungen wirklich in Betracht ziehen sollte, wird das eine mehr als kontroverse Angelegenheit." sagt Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums fuer Transatlantische Sicherheit (BITS), einer unabhaengigen sicherheitspolitischen Forschungseinrichtung. "Die Auswirkungen auf die Chemiewaffenkonvention waeren katastrophal, wenn das Ganze nicht sogar zum Alptraum fuer die ganze Nichtverbreitungspolitik wuerde."

Alle chemischen Waffen - ob toedlich oder nicht-toedlich - sind durch die Chemiewaffenkonvention aus dem Jahre 1993 voelkerrechtlich verboten. Das Defense Science Board ist sich des Problems bewusst und spricht davon, dass die "voelkerrechtlichen Implikationen signifikant" waeren, wenn die USA neue chemische Waffen fuer strategische Einsatzszenarien entwickeln. Die Berater empfehlen trotzdem, dass das fuer die Erforschung nichttoedlicher Waffen zuständige Joint Non-Lethal Weapons Directorate (JNNLWD) "seinen taktischen und operativen Focus erweitern" und "strategische Anwendungsmoeglichkeiten und rechtliche Implikationen" erwägen solle.

Im Kontext seiner offenen Befuerwortung von Angriffen auf gegnerische Fuehrungspersoenlichkeiten legt der Bericht dem Pentagon eher nahe, ueber eine Aushoehlung und Schwaechung der CWC nachzudenken. "Die Regierung in Washington wird praktisch aufgefordert, einen weiteren Ruestungskontrollvertrag anzugreifen, nur weil bei den Militaers das Interesse an chemischen Waffen wieder neu erwacht ist", meint Jan van Aken, Sprecher des Sunshine-Projektes in Deutschland.

 


Weitere Informationen zum Bericht des Defense Science Boards zu den "Future Strategic Strike Forces sind bei Otfried Nassauer, Tel: 0 30 4468580, Fax: 030 4410221, e-mail: otfried.nassauer@bits.de oder unter www.bits.de erhältlich.
Der Bericht kann im Internet unter http://www.acq.osd.mil/dsb/fssf.pdf oder unter http://www.bits.de/NRANEU/docs/fssf.pdf heruntergeladen werden.
Weitere Informationen ueber die U.S. Programme zur Entwicklung "nicht-toedlicher" Chemiewaffen finden Sie auf der Homepage des Sunshine-Projektes www.sunshine-project.de oder bei Dr. Jan van Aken unter 0163/431 88 00.