Streitkräfte und Strategien - NDR info
 23. Septemmber 2017


Geschäft bereits weitgehend unter Dach und Fach? Weitere deutsche U-Boote für Israel

von Otfried Nassauer


Wird das noch was oder wird es in dieser Legislaturperiode doch nichts mehr? Diese Frage stellt sich derzeit mit Blick auf die geplante Bestellung von drei weiteren Dolphin-U-Booten für Israel. Es geht um einen Auftrag im Wert von mehr als 1,6 Milliarden Euro.
 
Israel will die neuen Boote nutzen, um in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts die ältesten seiner Dolphin-U-Boote abzulösen. Diese wurden 1999 und 2000 geliefert und erreichen dann langsam das Ende ihrer Lebensdauer. Hinzu kommt:  Die  Dolphin-U-Boote  der  ersten  Generation  waren  diesel-elektrisch angetriebene Boote, die noch keinen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb besaßen. Die israelische Marine beabsichtigt, künftig nur noch U-Boote mit diesem moderneren Antrieb zu nutzen. 

Deutschland sieht sich traditionell in der Verantwortung für Israels Sicherheit. Das gilt seit langem und unabhängig davon, ob die Regierungen in Berlin von der CDU oder der SPD geführt wurden. Angela Merkel, die Kanzlerin, führte vor einigen Jahren in einer Rede vor der Knesset aus:  

O-Ton Merkel 
„Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen  historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet.  Diese  historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“  

Ihr Vorgänger, Gerhard Schröder, äußerte sich ganz ähnlich:
 

O-Ton Schröder 
„Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.“

 
Israel erhält  seit  Jahrzehnten  U-Boote  deutscher Technik und  wird  bei deren Kauf in erheblichem Umfang aus dem deutschen Haushalt unterstützt. Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident,  betonte  in  einem  Reuters-Interview im November 2016, wie wichtig es aus seiner Sicht ist, dass Israel neue U-Boote beschafft.
     

O-Ton Netanjahu (overvoice)
„Israels Sicherheit erfordert den Kauf von U-Booten und die Erneuerung der U-Boot-Flotte. Das sind strategische Waffensysteme, die die Zukunft - und ich sage Ihnen - die nackte Existenz Israels für die kommenden Jahrzehnte sichern.“

 
Als  strategische  Waffensysteme  betrachtet  Israel  die  U-Boote  aus  mehreren Gründen: Sie eignen sich hervorragend zur verdeckten Aufklärung. Außerdem sind sie ein oft genutztes Transportmittel bei geheimen Auslandseinsätzen israelischer Spezialkommandos. Zudem kann Israel sie bei Bedarf als kaum auffindbare Abschussplattform für weitreichende  Flugkörper  mit  nuklearen Sprengköpfen einsetzen.
 
Die Möglichkeit, diese U-Boote im Rahmen nuklearer Abschreckung einzusetzen, hat wiederholt zu öffentlicher Kritik an den deutschen U-Boot-Geschäften mit Israel geführt, weitere Lieferungen aber nicht verhindert. 
 
Politisch ist das geplante neue U-Boot-Geschäft schon seit geraumer Zeit in Vorbereitung. Der Bundestag hat Ende vergangenen Jahres Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 540 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um ein Drittel der Kosten zu decken. Das zweite Drittel zahlt Israel und für das dritte will Deutschland militärische Waren und Dienstleistungen in Israel einkaufen - eine Devisen-Beschaffungshilfe, die Israel die Zahlung von Euro-Rechnungen erleichtert. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Deutschland und Israel ist ausgehandelt, aber noch nicht in Kraft. Der Bundessicherheitsrat hat die Baugenehmigung für die U-Boote vor der Sommerpause erteilt. Doch eines ist bis heute nicht passiert: Der Bauvertrag wurde noch nicht unterzeichnet - offenbar auch nicht während des Deutschland-Besuchs des israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin Anfang des Monats. 
 
Warum  aber gibt es noch keinen Vertrag? Der Hauptgrund sind Korruptionsermittlungen in Israel, der sogenannte Fall 3000. Der Handelsvertreter von ThyssenKrupp Marine Systems - kurz TKMS - in Israel, Michael  Ganor, soll mit Hilfe von regierungsnahen Freunden Geld verteilt und noch viel mehr versprochen haben, wenn TKMS Marineaufträge aus Israel bekommt. Dabei geht es um zwei Vorhaben: Zum einen um vier Korvetten, die derzeit in Kiel bei German Naval Yards im Unterauftrag von TKMS für rund 400 Millionen Euro gebaut werden und zum anderen eben die drei neuen Dolphin-U-Boote.
 
Ganor hat  erste  kleinere  Zahlungen eingestanden und  nach  Medienberichten ausgesagt, dass er David Shimron, dem persönlichen Rechtsanwalt und Verwandten von Regierungschef Netanjahu rund 9 Millionen Euro zugesagt habe, wenn  die  U-Boote bestellt  würden.  Ganor hat  sich den  staatlichen  Anklägern gegen Strafnachlass als Zeuge zur Verfügung gestellt. Seit er auspackt, wurden  mehr  als  ein  Dutzend  ehemaliger  und  aktiver  Funktionsträger  zur  Befragung in Haft genommen oder unter Hausarrest gestellt. Es geht um ehemals hohe Offiziere, frühere leitende Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats, politische Berater, Rechtsanwälte und enge Mitarbeiter aus dem Umfeld von zwei Regierungsmitgliedern: Das Umfeld von Ministerpräsident Netanjahu und das Umfeld des heutigen Infrastruktur- und Energieministers Yuval Steinitz. Beide gelten bislang nicht als Angeklagte, müssen sich aber zumindest fragen lassen, ob sie von den Vorgängen in ihrer unmittelbaren Nähe rein gar nichts mitbekommen haben. Die öffentliche Debatte in Israel konzentriert sich naturgemäß auf Ministerpräsident Netanjahu und das wesentlich teurere U-Boot-Geschäft.
 
Netanjahu bezeichnet die Ermittlungen als Hexenjagd und sagt, Geld und Bestechung hätten bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt. Der israelische Regierungschef:
     

O-Ton Netanjahu (overvoice)
„Israels Sicherheit zu stärken war die einzige Überlegung, die mich zum Kauf der U-Boote veranlasste und es ist die einzige Überlegung, die mich immer wieder anleitet. Das und nichts anderes.“

 
Auch TKMS betont, man habe die Vorgänge um das geplante U-Boot-Geschäft noch einmal gründlich prüfen lassen und keinerlei Anzeichen für einen Korruptionsverdacht gefunden.
 
Die Ermittlungen in Israel weisen jedoch in eine andere, etwas realitätsnähere Richtung.
 
Spielt bei Waffengeschäften Korruption eine Rolle, dann fließt gewöhnlich nur ein sehr kleiner Teil der Bestechungsgelder bereits vor der Vertragsunterzeichnung. Der Großteil des Geldes wird erst nach der Vertragsunterzeichnung als „Erfolgsprovision“ gezahlt - und zwar pro rata, also anteilig je nach Geldeingang des Kunden bei dem Unternehmen, das den Auftrag erhielt. Das Unternehmen verteilt das angebliche Provisionsgeld zudem nicht selbst an die endgültigen Empfänger, sondern überlässt diese  rechtlich heikle Aufgabe einem Vermittler im Ausland, zum Beispiel seinem Handelsvertreter. 
 
Die  erste,  größere  Rate  des Kaufpreises  bei U-Booten und  Schiffen  wird  gewöhnlich bei Vertragsunterzeichnung fällig, die letzte erst Jahre später, wenn das fertige Produkt durch den Kunden abgenommen worden ist. Mit Blick auf die geplanten U-Boote für Israel heißt das: Da noch kein Vertrag existiert, ist wohl auch noch kein Geld geflossen, aus dem „Erfolgsprovisionen“ gezahlt werden könnten. Sollten in Israel schon kleinere Bestechungssummen gezahlt worden sein, um den Prozess der U-Boot-Bestellung zu schmieren, dann kam das Geld dafür wohl aus anderen Töpfen. 
 
Deswegen durchleuchten die Ermittler in Israel derzeit vor allem Vorgänge, die mit dem Korvettenkauf  Israels bei TKMS zusammenhängen. Für dieses Geschäft ist bereits eine Anzahlung erfolgt. Es ist also schon Geld im Umlauf, aus dem kleinere Korruptionszahlungen getätigt werden könnten. Kunde und Auftragnehmer sind ja bei beiden Geschäften identisch. Die israelischen Ermittler hegen offenbar den Verdacht, dass Geld aus dem Korvettengeschäft genutzt worden sein könnte, um das viel größere und lukrativere U-Boot-Geschäft in krimineller Weise anzuschieben.
 
Wie dem auch sei: Wenn bei den TKMS-Geschäften mit Israel Bestechungsgelder im Spiel sind, dann werden diese anteilig auch aus deutschen Steuergeldern  bezahlt.  Denn  auch  die  Korvetten  werden  aus  dem  Bundeshaushalt bezuschusst – mit 115 Millionen Euro. 


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS