Streitkräfte und Strategien - NDR info
20. April 2013


Keine neue Qualität der Kriegsführung?
Der Streit um bewaffnete Drohnen

von Otfried Nassauer

Die Nachricht war gut versteckt, zeigte aber trotzdem Wirkung: In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken teilte die Bundesregierung am 21. Januar erstmals offiziell mit, dass sie die Beschaffung bewaffneter Drohnen plant. Zur Auswahl stehe die Entwicklung einer europäischen Kampfdrohne, der Kauf  israelischer Modelle oder die Beschaffung der umstrittenen US-Kampfdrohne Reaper.

Die Linke beantragte sofort eine Aktuelle Stunde des Bundestages und Verteidigungsminister de Maizière nutzte diese, um sich zu erklären:

O-Ton de Maizière
„Ich halte den Einsatz von [bewaffneten] Drohnen ethisch und unter Einhaltung unserer bestehenden rechtlichen Regelungen für in Ordnung und ich halte die Beschaffung von Drohnen für sicherheitspolitisch, für bündnispolitisch und für technologisch – auch für die Bundeswehr - für sinnvoll.“

Einige der Argumente des Verteidigungsministers waren nachvollziehbar. Drohnen können viel länger an ihrem Einsatzort bleiben als bemannte Flugzeuge. Sie erlauben eine genauere und bessere Beobachtung potenzieller Ziele. Sie bekämpfen diese meist mit kleineren Waffen als Kampflugzeuge. Ungewollte Schäden können so besser begrenzt werden als bei Kampffliegern. Gänzlich ausschließen kann man sie jedoch nicht – auch nicht durch den in Zukunft zu erwartenden technischen Fortschritt. Hinzu kommt: Drohnen sind deutlich billiger als Flugzeuge. Und weil sie vom Boden aus gesteuert werden, können sie ohne Risiko für die Menschen an Bord eingesetzt werden.

Andere Argumente des Ministers sind dagegen höchst fragwürdig. Dazu gehören vor allem seine völkerrechtlichen und ethischen Argumente. De Maizière geht davon aus, dass die Bundeswehr bewaffnete Drohnen – anders als die USA - nur im Einklang mit dem Völkerrecht und mit der nationalen Rechtslage einsetzen würde. Rechtlich zweifelhafte und unrechtmäßige Einsätze deutscher Kampfdrohnen seien deshalb nicht zu erwarten. Ihm gehe es darum, dass die Drohnen Bundeswehrsoldaten am Boden schützen. Patrouillen in gefährlicher Umgebung sollen Rückendeckung aus der Luft erhalten, wenn sie in Kämpfe verwickelt werden könnten. Man könnte geneigt sein, impulsiv zuzustimmen. Doch ein simples Beispiel macht deutlich, dass die ganze Sache komplizierter ist.

Jede Armee schützt vorrangig ihre wertvollsten Kräfte, zum Beispiel Spezialkräfte. In Afghanistan sind deutsche Spezialkräfte wiederholt eingesetzt worden, um Taliban- oder Al-Qaida-Führer festzusetzen. Was läge also näher, als gerade solche Einsätze durch bewaffnete Drohnen zu schützen und zu unterstützen. Doch sobald sich bei dieser Mission die Gefahr eines Gefechtes abzeichnet und wenn die abgefeuerte Rakete der Drohne die Zielperson tötet, was unterscheidet dann diesen Einsatz noch grundsätzlich von einer amerikanischen Drohnenmission zur gezielten extralegalen Tötung von sogenannten „Hochwertzielen“?

Das ist keineswegs ein konstruiertes Beispiel, sondern ein eher typischer Fall, der auch für Thomas de Maizière vorstellbar ist. Noch einmal der Minister:

O-Ton de Maizière
„Bei Spezialeinsätzen von Spezialkräften kann eine Aktion aus der Luft von Drohnen überwacht werden und wenn es eine gefährliche Situation gibt, kann sehr präzise sofort aus der Luft eine Rakete so abgefeuert werden, dass unsere Soldaten geschützt werden.“

Hinzu kommt ein zweites Problem: Der tödliche Einsatz bewaffneter Drohnen kann am besten dann für rechtmäßig erklärt werden, wenn er in einem bewaffneten Konflikt stattfindet und eindeutig der Ausschaltung feindlicher Kämpfer dient. Wer den Einsatz bewaffneter Drohnen rechtfertigen will, findet also einen Anreiz vor, den Konflikt rechtlich als bewaffneten Konflikt einzustufen. Das zeigt sich beispielsweise, wenn die US-Regierung gezielte Tötungen mit bewaffneten Drohnen rechtfertigt. Sie argumentiert, der „Krieg gegen den Terror“ sei ein bewaffneter Konflikt, bei den Getöteten handle es sich um feindliche Kämpfer. Deren Tötung sei zulässig. Dem stimmen aber bei weitem nicht alle Völkerrechtler zu. Denn der „Krieg gegen den Terror“ findet nicht zwischen Staaten statt, sondern zwischen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren. Die nicht-staatlichen Kämpfer haben aber keinen Kombattanten-Status. Gezielt dürfen sie nur angegriffen werden, wenn sie aktiv an Kampfhandlungen beteiligt sind oder dauerhaft eine kämpfende Funktion in bewaffneten Gruppen ausüben. Die Frage, wer in einem solchen Konflikt mit bewaffneten Drohnen angegriffen werden darf und wann, ist also viel komplizierter als man vermuten würde.

Ein weiteres Beispiel zeigt schließlich, dass auch die Frage, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt und wann nicht, keineswegs nur mit Hilfe des             Gewaltniveaus beantwortet wird. Wieder kommt der konkrete Fall aus den USA: Als der Libyeneinsatz 2011 die Dauer von sechs Wochen überschritt, musste die US-Regierung entscheiden, ob sie dem Senat den amerikanischen Militäreinsatz zur Genehmigung vorlegen sollte. Sie entschied sich dagegen. Die Begründung ist interessant: Der Senat müsse nicht gefragt werden, da nur Drohnen, nicht aber amerikanische Soldaten am Boden zum Einsatz kämen. Es handle sich also nicht um einen Krieg.

Der Einsatz bewaffneter Drohnen macht also nicht nur die Frage kompliziert, welche Personen wann legitime Ziele sein können sondern auch die Frage, wann ein Konflikt als bewaffneter Konflikt einzustufen ist. Volkstümlich formuliert: „Wann ist ein Krieg auch rechtlich ein Krieg und wer entscheidet das?
De Maizières Argumentation zielt darauf, Fragen solcher Art zu umgehen und die Beschaffung und den künftigen Einsatz solcher Kampfmittel zu rechtfertigen. Diese Funktion hat auch das Argument, der Bundestag müsse selbstverständlich jedem Einsatz bewaffneter Drohnen per Mandat zustimmen. Schon deshalb werde es keine rechtlich zweifelhaften Drohneneinsätze durch die Bundeswehr geben.

Gleich zwei Gegenargumente lassen das mehr als fragwürdig erscheinen. Zum einen können die Bundestagsabgeordneten den Einsatz der Bundeswehr im Ausland nur in Gänze ablehnen oder akzeptieren – so wie von der Bundesregierung vorgeschlagen. Auf den operativen Einsatz bewaffneter Drohnen haben sie keinerlei Einfluss, auch nicht auf deren Einsatzregeln. Zum anderen ist eine demokratische Beschlussfassung keine Garantie für völkerrechtliche Rechtmäßigkeit. Sowohl der sogenannte Fraktionszwang als auch öffentlicher Druck können Abgeordnete an einer unbeeinflussten Stimmabgabe hindern. Der Kosovo-Krieg 1999 hat gezeigt, dass auch der Bundestag mit zweifelhaften humanitären, menschenrechtsorientierten Argumenten zur Mandatierung eines völkerrechtlich fragwürdigen Militäreinsatzes bewegt werden konnte. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass sich ähnliches in Zukunft wiederholt. Unter Berufung auf das humanitär und menschenrechtlich begründete Konzept der Schutzverantwortung für die Zivilbevölkerung in einem anderen Land halten auch deutsche Politiker inzwischen militärische Interventionen für durchaus legitim. Der Rückgriff auf dieses völkerrechtlich bislang nicht anerkannte Konstrukt wird erheblich leichter, wenn das Leben eigner Soldaten dabei nicht zwingend gefährdet werden muss – weil eben unbemannte Waffensysteme eingesetzt werden können.

Gäbe es eine Alternative zur Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr? Natürlich und gerade aus deutscher Sicht. Als einsamer Rufer in der Wüste hat der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich in der Bundestagsdebatte im Januar daran erinnert:

O-Ton Mützenich
„Deutschland hat immer für Rüstungskontrolle und Abrüstung ein Gesicht gehabt und hat es sozusagen eingebracht in die internationale Diskussion. Warum wäre es denn so abwegig von Deutschland mit Partnern darüber zu diskutieren, wenn es so viele Kritikpunkte, wenn es so viel Zurückhaltung gibt, ob wir dann sagen: Wir wollen keine unbemannten Flugobjekte bewaffnen, weil sie möglicherweise in einer Grauzone sind? Das wäre doch eine wichtige rüstungskontrollpolitische Debatte.“

In der Tat: In dieser Tradition stünde es Deutschland gut zu Gesicht, eine rüstungskontrollpolitische Initiative zu starten, die beides vermeiden könnte: Den drohenden weltweiten Rüstungswettlauf bei dieser neuen Waffenkategorie und mehr noch, die schweren Probleme für das geltende Völkerrecht, die sich aus dem Einsatz dieser Waffen ergeben.

Deutschland könnte eine internationale Konvention vorschlagen, die bewaffnete Drohnen grundsätzlich verbietet. Noch wäre das erfolgversprechend. Derzeit produzieren und nutzen nur zwei Länder bewaffnete Drohnen in nennenswertem Umfang – die USA und Israel. Bald könnten andere hinzukommen – nicht nur China, auch Deutschland und Frankreich. Es gibt derzeit zudem nur wenige weitere Länder, die solche Drohnen importiert haben: Großbritannien und Italien haben jeweils eine kleine Zahl bewaffneter Drohnen gekauft. Allerdings gibt es immer mehr andere Länder, die planen, solche Drohnen anzuschaffen.

Noch wäre es möglich, ein internationales Verbot solcher Waffen mehrheits- oder sogar konsensfähig zu machen. Die Debatten über ein Verbot von Landminen und ein Verbot von Streumunition haben ja sogar gezeigt, dass solche internationalen Verbotskonventionen auch dann möglich sind, wenn nicht alle Staaten der Erde von Anbeginn mitmachen. In wenigen Jahren dürfte diese Chance allerdings vertan sein. Sobald ein substanzieller Rüstungswettlauf bei bewaffneten Drohnen begonnen hat, dürfte der Widerstand gegen deren Verbot sehr viel heftiger werden. Die Bundesrepublik hat also derzeit die Wahl: Will sie durch den Kauf dieser Waffensysteme dazu beitragen, diesen Rüstungswettlauf zu initiieren oder will sie ihn präventiv verhindern, indem sie die Initiative für eine Verbotskonvention ergreift? Bislang sieht es so aus, als wolle sie lieber zu einem Rüstungswettlauf beitragen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS