Machtkampf im Iran
Kompromiss über Atomprogramm nicht mehr möglich?
von Alexander Lurz
Der IAEO-Report markiert wohl den Beginn einer neuen Runde in dem lang-jährigen
Konflikt. In knapp drei Wochen treffen sich die Staats- und Regierungschefs
der sogenannten G 20 in Pittsburgh. Dort steht auch das Thema Iran auf
der Agenda. Und Ende des Monats findet ebenso die UN-Vollversammlung in
New York statt. Dann läuft die Frist aus, die dem Iran gesetzt wurde,
um auf ein Verhandlungsangebot zu reagieren, das der EU-Außenbeauftragte
Javier Solana im April in Teheran unterbreitet hatte. Sollte die iranische
Regierung sie verstreichen lassen oder bis dahin keine substanziellen
Zugeständnisse machen, droht eine neue Sanktionsrunde. Sie könnte
bereits am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossen
werden. Bundeskanzlerin Merkel gab sich kürzlich während des
Besuches des israelischen Regierungschefs in Berlin jedenfalls entschlossen:
O-Ton Merkel
„Die Offerten an den Iran, auch die Aufforderung, zu Gesprächen
bereit zu sein, liegen auf dem Tisch. Wenn hierauf keine positive Antwort
erfolgt, dann werden wir auch über stärkere Maßnahmen,
sprich Sanktionen im Energie-bereich und auch in anderen wichtigen,
sensiblen Bereichen, Finanzmarktbereichen, nachdenken. Und nicht nur
nachdenken, sondern auch darüber in der internationalen Gemeinschaft
sprechen, wie wir das umsetzen.“
Sollte sich die von Merkel skizzierte Linie durchsetzen, könnte
dies das Ende des Dialogansatzes mit dem Iran markieren, der im Frühjahr
noch von der Regierung in Washington initiiert wurde.
Als Barack Obama im Januar das Amt des US-Präsidenten antrat, erbte
er von der Vorgängerregierung unter George Bush eine Iran-Politik,
die in der Sackgasse steckte. Bush hatte eine äußerst harte
Linie verfolgt. Mit Hilfe von Sanktionen und der Androhung von Militärschlägen
sollten die Machthaber in Teheran zu einem Politikwechsel gezwungen werden.
Direkte Gespräche mit dem Iran lehnte die Regierung Bush ab. Das
erschwerte die Lösung des Atomkonflikts zusätzlich. Eine besonders
hohe Hürde für eine Verständigung stellte jedoch eine UN-Resolution
dar, die die Bush-Regierung damals gemeinsam mit ihren westlichen Partnerländern
durchsetzte. Diese Resolution untersagt dem Iran entgegen den Bestimmungen
des Nichtverbreitungsvertrags vorerst die Anreicherung von Uran.
Aber nicht nur das Erbe der Bush-Regierung macht es Obama schwer, den
Streit um das Atomprogramm zu entschärfen. Innen- wie außenpolitisch
ist der Spielraum des US-Präsidenten begrenzt. Die USA unterhalten
seit dreißig Jahren keine diplomatischen Beziehungen mit dem Iran.
In dieser Zeit ist das Misstrauen zwischen den beiden Staaten stetig gewachsen.
Grenzen werden der neuen Administration inzwischen auch durch die europäischen
Partner gesetzt. Diese hatten sich in den vergangenen Jahren der kompromisslosen
Linie Bushs schrittweise angenähert. Und nach Obamas Amtsantritt
haben sie ihre Position nicht mehr substanziell verändert. Ein Kurswechsel
in der Iran-Politik muss jedoch die Unterstützung der Europäer
finden und mit ihnen koordiniert werden.
Außerdem muss der neue Präsident innenpolitisch Rücksicht
auf seine eigene Partei nehmen. Bei den Demokraten gibt es Strömungen,
die einen ähnlich konfrontativen Kurs befürworten wie unter
George Bush. So gelten beispiels-weise US-Außenministerin Hillary
Clinton wie auch der im Februar zum Sondergesandten für die Region
Persischer Golf und Südwestasien ernannte Dennis Ross als Verfechter
eines härteren Vorgehens.
Dabei hatte sich unmittelbar nach dem Präsidentenwechsel in Washington
eine moderate Linie durchgesetzt. Mit einer Reihe von größeren
und kleineren Schritten ging die Obama-Administration in die diplomatische
Offensive: Obama gestand dem Iran das Recht auf die zivile Nutzung der
Nuklearenergie zu. Iran wurde zu einer internationalen Afghanistan-Konferenz
in Den Haag eingeladen, amerikanischen Diplomaten der Kontakt mit iranischen
Kollegen erlaubt. Im Zentrum der Initiative stand eine Video-Grußbotschaft
Obamas an das iranische Volk und seine Führer anlässlich des
iranischen Neujahrsfestes Nowruz im März. Obama zeigte sich kompromissbereit:
O-Ton Obama (overvoice)
„Meine Administration legt sich nun auf eine Diplomatie fest, die alle
Themen zwischen unseren Ländern anspricht und konstruktive Beziehungen
zwischen den USA, Iran und der internationalen Gemeinschaft anstrebt.
Dieser Prozess wird nicht durch Drohungen vorangetrieben. Wir suchen
stattdessen einen Dialog, der aufrichtig ist und der auf gegenseitigem
Respekt basiert.“
Mit dieser Erklärung ging Obama in dreifacher Hinsicht auf den Iran
zu. Erstens erklärte er sich damit bereit, direkt mit Teheran zu
verhandeln. Zweitens griff Obama die iranische Forderung auf, Gespräche
nicht nur isoliert über das Nuklearprogramm zu führen, sondern
auch über eine Reihe anderer Themen zu sprechen. Und drittens reichte
er auch rhetorisch die Hand, indem er den auf Prestige bedachten Machthabern
in Teheran gegenseitigen Respekt zusagte.
Der Versuch, den Stillstand im Konflikt um das Nuklearprogramm aktiv
zu ü-berwinden, fand jedoch Ende Mai in einem Brief Obamas an den
iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khamenei seinen Abschluss.
Über den Inhalt des Briefes ist bislang nichts Konkretes bekannt
geworden. Die Antwort aus Teheran soll nach Informationen der NEW YORK
TIMES jedoch enttäuschend ausgefallen sein.
Es ist unklar, warum die amerikanische Initiative bislang ohne das gewünschte
Echo blieb. Da sowohl der Brief Obamas als auch das Solana-Angebot nicht
öffentlich wurden, ist nicht bekannt, ob und welche Zugeständnisse
in der sensiblen Frage der Uran-Anreicherung gemacht wurden. Darüber
hinaus dürfte eine Erklärung Hillary Clintons vor dem Auswärtigen
Ausschuss des Repräsentantenhauses im April Zweifel bei der Führung
in Teheran an der Aufrichtigkeit der Washingtoner Charme-Offensive gesät
haben. Clinton hatte damals dem Iran mit neuen und harten Sanktionen gedroht.
Diese Äußerung wurde im Iran äußerst negativ aufgenommen.
Sie erweckte den Eindruck, dass die kooperativen Töne Washingtons
vor allem dazu dienen sollten, einen Hebel für weitere Sanktionen
zu schaffen.
Ungünstig war zudem das Umfeld der US-Initiative. Die politische
Lage im Iran wird in diesem Jahr vor allem durch die Innenpolitik bestimmt.
Der außenpolitische Entscheidungsprozess wurde zunächst durch
den Kampf um das Präsidentenamt gelähmt. Nach der mutmaßlich
gefälschten Wiederwahl von Amtsinhaber Ahmadineschad und den Protesten
im Iran ist dieser Prozess inzwischen völlig zum Stillstand gekommen.
Die verschiedenen Fraktionen innerhalb der Regimes kämpfen vor und
hinter den Kulissen um die Macht. Vor diesem Hintergrund sind außenpolitische
Grundsatzentscheidungen kaum zu erwarten, wie auch Hillary Clinton in
einem Interview mit der BBC einräumte:
O-Ton Clinton (overvoice)
„Die gegenwärtigen inneren Debatten im Iran machen es für
das Land schwie-rig, wenn nicht gar unmöglich, einen diplomatischen
Ansatz zu betreiben, nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber
den 5+1. Dadurch wurde vieles zurückgestellt.“
Washington hielt bis Ende Juni an dem eingeschlagenen moderaten Kurs
fest. Um einer Verhandlungslösung keine Steine in den Weg zu legen,
hielt man sich zunächst sogar zurück bei der Verurteilung des
gewaltsamen Vorgehens des iranischen Regimes gegen die Opposition. Doch
diese Phase des Abwartens ist jetzt offenbar vorbei. Die Verfechter einer
härteren Linie gewinnen an Gewicht. Der Ruf nach Sanktionen wird
nicht nur wieder lauter, im Repräsentantenhaus werden inzwischen
auch die ersten Schritte hierfür auf den Weg gebracht.
Die sogenannten EU-3, Deutschland, Frankreich und Großbritannien,
müssten von einem härteren Vorgehen nicht überzeugt werden.
Wie Kanzlerin Merkel erklärten auch der französische Präsident
Sarkozy und der britische Premierminister Brown bereits ihre Bereitschaft
für eine neue Sanktionsrunde.
Dass die Strategie von Zuckerbrot und Peitsche, die schon die Bush-Regierung
verfolgte, dieses Mal besser funktioniert als in der Vergangenheit, bleibt
allerdings zweifelhaft. Besser wäre es wohl, sich die Zeit für
eine Atempause zu nehmen, um den Ausgang des Machtkampfes abzuwarten.
Denn erst dann ist erkennbar, welche Position Teheran im Konflikt um das
Atomprogramm wirklich vertritt.
ist Mitarbeiter des BITS.
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