Streitkräfte und Strategien - NDR info
05. September 2009


Machtkampf im Iran
Kompromiss über Atomprogramm nicht mehr möglich?

von Alexander Lurz

Der IAEO-Report markiert wohl den Beginn einer neuen Runde in dem lang-jährigen Konflikt. In knapp drei Wochen treffen sich die Staats- und Regierungschefs der sogenannten G 20 in Pittsburgh. Dort steht auch das Thema Iran auf der Agenda. Und Ende des Monats findet ebenso die UN-Vollversammlung in New York statt. Dann läuft die Frist aus, die dem Iran gesetzt wurde, um auf ein Verhandlungsangebot zu reagieren, das der EU-Außenbeauftragte Javier Solana im April in Teheran unterbreitet hatte. Sollte die iranische Regierung sie verstreichen lassen oder bis dahin keine substanziellen Zugeständnisse machen, droht eine neue Sanktionsrunde. Sie könnte bereits am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossen werden. Bundeskanzlerin Merkel gab sich kürzlich während des Besuches des israelischen Regierungschefs in Berlin jedenfalls entschlossen:

O-Ton Merkel
„Die Offerten an den Iran, auch die Aufforderung, zu Gesprächen bereit zu sein, liegen auf dem Tisch. Wenn hierauf keine positive Antwort erfolgt, dann werden wir auch über stärkere Maßnahmen, sprich Sanktionen im Energie-bereich und auch in anderen wichtigen, sensiblen Bereichen, Finanzmarktbereichen, nachdenken. Und nicht nur nachdenken, sondern auch darüber in der internationalen Gemeinschaft sprechen, wie wir das umsetzen.“

Sollte sich die von Merkel skizzierte Linie durchsetzen, könnte dies das Ende des Dialogansatzes mit dem Iran markieren, der im Frühjahr noch von der Regierung in Washington initiiert wurde.

Als Barack Obama im Januar das Amt des US-Präsidenten antrat, erbte er von der Vorgängerregierung unter George Bush eine Iran-Politik, die in der Sackgasse steckte. Bush hatte eine äußerst harte Linie verfolgt. Mit Hilfe von Sanktionen und der Androhung von Militärschlägen sollten die Machthaber in Teheran zu einem Politikwechsel gezwungen werden. Direkte Gespräche mit dem Iran lehnte die Regierung Bush ab. Das erschwerte die Lösung des Atomkonflikts zusätzlich. Eine besonders hohe Hürde für eine Verständigung stellte jedoch eine UN-Resolution dar, die die Bush-Regierung damals gemeinsam mit ihren westlichen Partnerländern durchsetzte. Diese Resolution untersagt dem Iran entgegen den Bestimmungen des Nichtverbreitungsvertrags vorerst die Anreicherung von Uran.

Aber nicht nur das Erbe der Bush-Regierung macht es Obama schwer, den Streit um das Atomprogramm zu entschärfen. Innen- wie außenpolitisch ist der Spielraum des US-Präsidenten begrenzt. Die USA unterhalten seit dreißig Jahren keine diplomatischen Beziehungen mit dem Iran. In dieser Zeit ist das Misstrauen zwischen den beiden Staaten stetig gewachsen. Grenzen werden der neuen Administration inzwischen auch durch die europäischen Partner gesetzt. Diese hatten sich in den vergangenen Jahren der kompromisslosen Linie Bushs schrittweise angenähert. Und nach Obamas Amtsantritt haben sie ihre Position nicht mehr substanziell verändert. Ein Kurswechsel in der Iran-Politik muss jedoch die Unterstützung der Europäer finden und mit ihnen koordiniert werden.

Außerdem muss der neue Präsident innenpolitisch Rücksicht auf seine eigene Partei nehmen. Bei den Demokraten gibt es Strömungen, die einen ähnlich konfrontativen Kurs befürworten wie unter George Bush. So gelten beispiels-weise US-Außenministerin Hillary Clinton wie auch der im Februar zum Sondergesandten für die Region Persischer Golf und Südwestasien ernannte Dennis Ross als Verfechter eines härteren Vorgehens.

Dabei hatte sich unmittelbar nach dem Präsidentenwechsel in Washington eine moderate Linie durchgesetzt. Mit einer Reihe von größeren und kleineren Schritten ging die Obama-Administration in die diplomatische Offensive: Obama gestand dem Iran das Recht auf die zivile Nutzung der Nuklearenergie zu. Iran wurde zu einer internationalen Afghanistan-Konferenz in Den Haag eingeladen, amerikanischen Diplomaten der Kontakt mit iranischen Kollegen erlaubt. Im Zentrum der Initiative stand eine Video-Grußbotschaft Obamas an das iranische Volk und seine Führer anlässlich des iranischen Neujahrsfestes Nowruz im März. Obama zeigte sich kompromissbereit:

O-Ton Obama (overvoice)
„Meine Administration legt sich nun auf eine Diplomatie fest, die alle Themen zwischen unseren Ländern anspricht und konstruktive Beziehungen zwischen den USA, Iran und der internationalen Gemeinschaft anstrebt. Dieser Prozess wird nicht durch Drohungen vorangetrieben. Wir suchen stattdessen einen Dialog, der aufrichtig ist und der auf gegenseitigem Respekt basiert.“

Mit dieser Erklärung ging Obama in dreifacher Hinsicht auf den Iran zu. Erstens erklärte er sich damit bereit, direkt mit Teheran zu verhandeln. Zweitens griff Obama die iranische Forderung auf, Gespräche nicht nur isoliert über das Nuklearprogramm zu führen, sondern auch über eine Reihe anderer Themen zu sprechen. Und drittens reichte er auch rhetorisch die Hand, indem er den auf Prestige bedachten Machthabern in Teheran gegenseitigen Respekt zusagte.

Der Versuch, den Stillstand im Konflikt um das Nuklearprogramm aktiv zu ü-berwinden, fand jedoch Ende Mai in einem Brief Obamas an den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khamenei seinen Abschluss. Über den Inhalt des Briefes ist bislang nichts Konkretes bekannt geworden. Die Antwort aus Teheran soll nach Informationen der NEW YORK TIMES jedoch enttäuschend ausgefallen sein.

Es ist unklar, warum die amerikanische Initiative bislang ohne das gewünschte Echo blieb. Da sowohl der Brief Obamas als auch das Solana-Angebot nicht öffentlich wurden, ist nicht bekannt, ob und welche Zugeständnisse in der sensiblen Frage der Uran-Anreicherung gemacht wurden. Darüber hinaus dürfte eine Erklärung Hillary Clintons vor dem Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses im April Zweifel bei der Führung in Teheran an der Aufrichtigkeit der Washingtoner Charme-Offensive gesät haben. Clinton hatte damals dem Iran mit neuen und harten Sanktionen gedroht. Diese Äußerung wurde im Iran äußerst negativ aufgenommen. Sie erweckte den Eindruck, dass die kooperativen Töne Washingtons vor allem dazu dienen sollten, einen Hebel für weitere Sanktionen zu schaffen.

Ungünstig war zudem das Umfeld der US-Initiative. Die politische Lage im Iran wird in diesem Jahr vor allem durch die Innenpolitik bestimmt. Der außenpolitische Entscheidungsprozess wurde zunächst durch den Kampf um das Präsidentenamt gelähmt. Nach der mutmaßlich gefälschten Wiederwahl von Amtsinhaber Ahmadineschad und den Protesten im Iran ist dieser Prozess inzwischen völlig zum Stillstand gekommen. Die verschiedenen Fraktionen innerhalb der Regimes kämpfen vor und hinter den Kulissen um die Macht. Vor diesem Hintergrund sind außenpolitische Grundsatzentscheidungen kaum zu erwarten, wie auch Hillary Clinton in einem Interview mit der BBC einräumte:

O-Ton Clinton (overvoice)
„Die gegenwärtigen inneren Debatten im Iran machen es für das Land schwie-rig, wenn nicht gar unmöglich, einen diplomatischen Ansatz zu betreiben, nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber den 5+1. Dadurch wurde vieles zurückgestellt.“

Washington hielt bis Ende Juni an dem eingeschlagenen moderaten Kurs fest. Um einer Verhandlungslösung keine Steine in den Weg zu legen, hielt man sich zunächst sogar zurück bei der Verurteilung des gewaltsamen Vorgehens des iranischen Regimes gegen die Opposition. Doch diese Phase des Abwartens ist jetzt offenbar vorbei. Die Verfechter einer härteren Linie gewinnen an Gewicht. Der Ruf nach Sanktionen wird nicht nur wieder lauter, im Repräsentantenhaus werden inzwischen auch die ersten Schritte hierfür auf den Weg gebracht.

Die sogenannten EU-3, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, müssten von einem härteren Vorgehen nicht überzeugt werden. Wie Kanzlerin Merkel erklärten auch der französische Präsident Sarkozy und der britische Premierminister Brown bereits ihre Bereitschaft für eine neue Sanktionsrunde.

Dass die Strategie von Zuckerbrot und Peitsche, die schon die Bush-Regierung verfolgte, dieses Mal besser funktioniert als in der Vergangenheit, bleibt allerdings zweifelhaft. Besser wäre es wohl, sich die Zeit für eine Atempause zu nehmen, um den Ausgang des Machtkampfes abzuwarten. Denn erst dann ist erkennbar, welche Position Teheran im Konflikt um das Atomprogramm wirklich vertritt.


 

ist Mitarbeiter des BITS.