Streitkräfte und Strategien - NDR info
24. Januar 2009


Rüstungsexportbericht der Bundesregierung
Künftig noch weniger Transparenz?

von Otfried Nassauer

So manche Nachricht geht unter, wenn sie in der Hektik vor Weihnachten eintrifft. Ende letzten Jahres galt das für gleich drei Nachrichten, die alle ein Thema betrafen: Den Rüstungsexport und die Verpflichtung der Bundesregierung, einmal im Jahr gegenüber dem Bundestag über ihre Rüstungsexportpolitik Rechenschaft abzulegen.

Die erste Nachricht war eine positive. Am 8. Dezember machte die Europäische Union ihren Verhaltenskodex für Rüstungsexporte rechtlich verbindlich. Der Kodex existiert seit 1998. Er war aber bislang nur ein politisches Dokument. Ihn auch rechtsverbindlich zu machen - darüber wurde jahrelang gestritten. Nun müssen endlich alle EU-Mitglieder die vor mehr als zehn Jahren vereinbarten Regeln auch in ihren nationalen Vorschriften umsetzen. Der Kodex legt politische Kriterien fest, die jeder EU-Staat berücksichtigen muss, wenn er Rüstungsgüter exportieren will. Er verpflichtet alle EU-Staaten auf ein Mindestmaß an Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. Jeder Mitgliedsstaat muss jährlich einen öffentlichen Bericht über seine Rüstungsexportpolitik vorlegen.

Acht Tage später dann die zweite Nachricht: Am 16. Dezember machte das Europäische Parlament den Weg frei für eine neue EU-Richtlinie, die der – so wörtlich - „Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern“ dienen soll. Im Klartext: Der Rüstungsexport zwischen EU-Mitgliedern soll einfacher werden. Diese Nachricht hat eine positive aber auch eine negative Seite: Gegen eine Vereinfachung der Rüstungszusammenarbeit ist wenig einzuwenden. Es werden immer mehr Waffensysteme gemeinsam hergestellt, weil kein EU-Land alleine einen ausreichend großen Bedarf hat. Bedenklich ist es allerdings, wenn die sinnvolle Erleichterung zugleich genutzt wird, um das vereinbarte Mindestmaß an öffentlicher Transparenz bei den Rüstungsexporten der EU-Staaten auszuhöhlen. Doch dazu später.

Am 17. Dezember folgte eine dritte Nachricht: Die Bundesregierung legte ihren jährlichen Rüstungsexportbericht für das Jahr 2007 vor – so wie es im Verhaltenskodex der EU vorgesehen ist. Der Bericht war überfällig und wurde zum wiederholten Male auf den allerletzten Drücker vorgelegt - drei Tage vor der parlamentarischen Weihnachtspause und einen Tag vor der seit fünf Jahren ersten größeren Bundestagsdebatte über die deutsche Rüstungsexportpolitik. Dieses Vorgehen der Regierung verärgert viele Abgeordnete zu Recht. Mehr als 150 Seiten mit schwer interpretierbaren Informationen lässt sich kein Parlamentarier gerne in letzter Minute auf den Tisch legen. Zumindest dann nicht, wenn er seine Aufgabe als Kontrollinstanz des Regierungshandelns ernstnimmt. Verwunderung verursachte auch die Presseerklärung des Wirtschaftsministeriums zu diesem Bericht. Der Wert der Rüstungsexportgenehmigungen und der Kriegswaffenexporte sei deutlich zurückgegangen, hieß es dort. Schnell stellte sich heraus, dass dies wohl nur die halbe Wahrheit war. Mit 8,8 Milliarden Euro hatte die Bundesregierung 2007 deutlich mehr Rüstungsausfuhren genehmigt als in den Jahren zuvor. Die Pressemitteilung bezog sich lediglich auf Bereiche, bei denen es einen Rückgang gegeben hatte.

Eine genauere Betrachtung des Berichtes ließ gewichtige Probleme erkennen: Das federführende Wirtschaftsministerium legt den Bericht offenbar in erster Linie vor, weil es durch den Verhaltenskodex der Europäischen Union und den Deutschen Bundestag dazu verpflichtet ist. Die Art der Berichterstattung lässt dagegen deutlich erkennen, dass möglichst wenig Informationen preisgegeben werden sollen. Die Aufgabe, ein Mindestmaß an öffentlicher Transparenz herzustellen, wird klar verfehlt - absichtlich. Das zeigt sich an vielen Stellen:

Der Bericht listet vorgeblich die tatsächlichen Kriegswaffenexporte Deutschlands und deren Wert auf. Doch die Angaben sind kaum als realistisch zu bezeichnen. Ein Beispiel: Für 2007 meldet die Bundesregierung den Export von 427 gebrauchten Kampfpanzern der Typen Leopard 1 und 2. Es geht vor allem um modernere Leopard 2. Der Wert dieser Exportgeschäfte wird allerdings nicht angegeben. Zu finden ist lediglich der summarische Wert aller gebrauchten Waffen, die die Bundeswehr 2007 exportierte, also nicht nur der Panzer: Er betrug 33,8 Millionen Euro. Für die Panzer kann also nur ein symbolischer Kaufpreis in die Statistik eingeflossen sein. Die Aussagekraft symbolischer Zahlen ist faktisch gering.

Für Rüstungsgüter, die nicht auf der Kriegswaffenliste stehen, enthält der Rüstungsexportbericht nur Angaben über die erteilten Exportgenehmigungen und deren Wert, nicht aber über die realen Ausfuhren. Das betrifft den größten Teil der Exporte. Diese Angaben sind aber wenig aussagekräftig. Genehmigungen haben eine Laufzeit, die mehrere Kalenderjahre umfassen kann. Sie können verlängert werden. Und vor allem: Erteilte Genehmigungen werden nicht immer in Anspruch genommen. Sie führen also nicht notwendigerweise zu Exporten. Die Auskünfte über die erteilten Genehmigungen unterschiedlichen Typs werden darüber hinaus absichtlich so unpräzise erteilt, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Exportgeschäfte möglich sind. Das schütze die Geschäftsgeheimnisse der Firmen, argumentiert die Bundesregierung.

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ist deshalb von geringer Aussagekraft. Er ist in etlichen Bereichen schlechter als die Berichte anderer Staaten in Europa. Das kritisieren Nichtregierungsorganisationen wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung – GKKE – seit Jahren. Auch die EU und die Vereinten Nationen bemängeln, der deutsche Bericht sei unzureichend, weil er keine Auskunft über die wirklich erfolgten Rüstungsexporte Deutschlands gebe. Die Bundesregierung weist diese Kritik zurück. Sie verweist darauf, dass die Daten für eine Berichterstattung über die tatsächliche Ausfuhr von Rüstungsgütern, die nicht auf der Kriegswaffenliste stehen, in Deutschland nicht gesondert erhoben werden. Die Regierung zeigt aber auch kein Interesse, diese Daten künftig zu erheben.

Eine deutliche Ablehnung parlamentarischer Kontrollmöglichkeiten und vor allem der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit kommt auch in der neuen EU-Richtlinie zur Vereinfachung des Rüstungsexports innerhalb der EU zum Tragen. Sie sieht vor, dass im innereuropäischen Rüstungshandel künftig verstärkt sogenannte Allgemeingenehmigungen zum Einsatz kommen sollen. Jedes EU-Mitglied kann aus der Militärgüterliste der EU die Rüstungsgüter auswählen, die künftig ohne besondere Genehmigung in andere EU-Staaten exportiert werden dürfen, weil der Export mit einer Allgemeingenehmigung vorab erlaubt wurde. Diese muss im nationalen Amtsblatt veröffentlicht werden. Sobald das geschehen ist, können die Streitkräfte und alle zertifizierten Unternehmen liefern. Der Export muss anschließend nur noch gemeldet werden. Der bürokratische Aufwand wird erheblich geringer.

Doch das neue Verfahren hat auch Nebenwirkungen. Der deutsche Rüstungsexportbericht wird weiter an Aussagekraft verlieren. Der Umfang der deutschen Rüstungsexporte muss statistisch umso kleiner werden, je mehr Exporte über Allgemeingenehmigungen abgewickelt werden. Da für solche Exporte keine Genehmigungen mehr erteilt werden müssen, werden sie vom deutschen Rüstungsexportbericht künftig nicht mehr erfasst. Denn dieser berichtet ja nur über die erteilten Genehmigungen. Dass die Firmen ihre erfolgten Exporte weiterhin melden müssen, ändert daran nichts. Denn über die tatsächlich erfolgten Rüstungsexporte führt die Bundesregierung ja keine eigene und umfassende Statistik. Mithin, deutsche Rüstungsexporte in die EU werden künftig nur dann in der Statistik auftauchen, wenn es sich eindeutig um Kriegswaffen handelt oder für das exportierte Gut noch keine Allgemeingenehmigung erteilt wurde.

Gegen mangelnde Bereitschaft zur Transparenz kann nur eines helfen: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages müssen den Auftrag zur Berichterstattung über Rüstungsexporte neu formulieren. Sie müssen darauf drängen, dass die berechtigte Kritik der EU endlich aufgenommen wird. Über die tatsächliche Ausfuhr von Rüstungsgütern muss genauso berichtet werden wie über den Export von Kriegswaffen selbst. Das muss für alle Ausfuhren gelten, auch für jene, die in andere EU-Staaten gehen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS