Rüstungsexportbericht der Bundesregierung
Künftig noch weniger Transparenz?
von Otfried Nassauer
So manche Nachricht geht unter, wenn sie in der Hektik vor Weihnachten
eintrifft. Ende letzten Jahres galt das für gleich drei Nachrichten,
die alle ein Thema betrafen: Den Rüstungsexport und die Verpflichtung
der Bundesregierung, einmal im Jahr gegenüber dem Bundestag über
ihre Rüstungsexportpolitik Rechenschaft abzulegen.
Die erste Nachricht war eine positive. Am 8. Dezember machte die Europäische
Union ihren Verhaltenskodex für Rüstungsexporte rechtlich verbindlich.
Der Kodex existiert seit 1998. Er war aber bislang nur ein politisches
Dokument. Ihn auch rechtsverbindlich zu machen - darüber wurde jahrelang
gestritten. Nun müssen endlich alle EU-Mitglieder die vor mehr als
zehn Jahren vereinbarten Regeln auch in ihren nationalen Vorschriften
umsetzen. Der Kodex legt politische Kriterien fest, die jeder EU-Staat
berücksichtigen muss, wenn er Rüstungsgüter exportieren
will. Er verpflichtet alle EU-Staaten auf ein Mindestmaß an Transparenz
gegenüber der Öffentlichkeit. Jeder Mitgliedsstaat muss jährlich
einen öffentlichen Bericht über seine Rüstungsexportpolitik
vorlegen.
Acht Tage später dann die zweite Nachricht: Am 16. Dezember machte
das Europäische Parlament den Weg frei für eine neue EU-Richtlinie,
die der – so wörtlich - „Vereinfachung der Bedingungen für die
innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern“ dienen
soll. Im Klartext: Der Rüstungsexport zwischen EU-Mitgliedern soll
einfacher werden. Diese Nachricht hat eine positive aber auch eine negative
Seite: Gegen eine Vereinfachung der Rüstungszusammenarbeit ist wenig
einzuwenden. Es werden immer mehr Waffensysteme gemeinsam hergestellt,
weil kein EU-Land alleine einen ausreichend großen Bedarf hat. Bedenklich
ist es allerdings, wenn die sinnvolle Erleichterung zugleich genutzt wird,
um das vereinbarte Mindestmaß an öffentlicher Transparenz bei
den Rüstungsexporten der EU-Staaten auszuhöhlen. Doch dazu später.
Am 17. Dezember folgte eine dritte Nachricht: Die Bundesregierung legte
ihren jährlichen Rüstungsexportbericht für das Jahr 2007
vor – so wie es im Verhaltenskodex der EU vorgesehen ist. Der Bericht
war überfällig und wurde zum wiederholten Male auf den allerletzten
Drücker vorgelegt - drei Tage vor der parlamentarischen Weihnachtspause
und einen Tag vor der seit fünf Jahren ersten größeren
Bundestagsdebatte über die deutsche Rüstungsexportpolitik. Dieses
Vorgehen der Regierung verärgert viele Abgeordnete zu Recht. Mehr
als 150 Seiten mit schwer interpretierbaren Informationen lässt sich
kein Parlamentarier gerne in letzter Minute auf den Tisch legen. Zumindest
dann nicht, wenn er seine Aufgabe als Kontrollinstanz des Regierungshandelns
ernstnimmt. Verwunderung verursachte auch die Presseerklärung des
Wirtschaftsministeriums zu diesem Bericht. Der Wert der Rüstungsexportgenehmigungen
und der Kriegswaffenexporte sei deutlich zurückgegangen, hieß
es dort. Schnell stellte sich heraus, dass dies wohl nur die halbe Wahrheit
war. Mit 8,8 Milliarden Euro hatte die Bundesregierung 2007 deutlich mehr
Rüstungsausfuhren genehmigt als in den Jahren zuvor. Die Pressemitteilung
bezog sich lediglich auf Bereiche, bei denen es einen Rückgang gegeben
hatte.
Eine genauere Betrachtung des Berichtes ließ gewichtige Probleme
erkennen: Das federführende Wirtschaftsministerium legt den Bericht
offenbar in erster Linie vor, weil es durch den Verhaltenskodex der Europäischen
Union und den Deutschen Bundestag dazu verpflichtet ist. Die Art der Berichterstattung
lässt dagegen deutlich erkennen, dass möglichst wenig Informationen
preisgegeben werden sollen. Die Aufgabe, ein Mindestmaß an öffentlicher
Transparenz herzustellen, wird klar verfehlt - absichtlich. Das zeigt
sich an vielen Stellen:
Der Bericht listet vorgeblich die tatsächlichen Kriegswaffenexporte
Deutschlands und deren Wert auf. Doch die Angaben sind kaum als realistisch
zu bezeichnen. Ein Beispiel: Für 2007 meldet die Bundesregierung
den Export von 427 gebrauchten Kampfpanzern der Typen Leopard 1 und 2.
Es geht vor allem um modernere Leopard 2. Der Wert dieser Exportgeschäfte
wird allerdings nicht angegeben. Zu finden ist lediglich der summarische
Wert aller gebrauchten Waffen, die die Bundeswehr 2007 exportierte, also
nicht nur der Panzer: Er betrug 33,8 Millionen Euro. Für die Panzer
kann also nur ein symbolischer Kaufpreis in die Statistik eingeflossen
sein. Die Aussagekraft symbolischer Zahlen ist faktisch gering.
Für Rüstungsgüter, die nicht auf der Kriegswaffenliste
stehen, enthält der Rüstungsexportbericht nur Angaben über
die erteilten Exportgenehmigungen und deren Wert, nicht aber über
die realen Ausfuhren. Das betrifft den größten Teil der Exporte.
Diese Angaben sind aber wenig aussagekräftig. Genehmigungen haben
eine Laufzeit, die mehrere Kalenderjahre umfassen kann. Sie können
verlängert werden. Und vor allem: Erteilte Genehmigungen werden nicht
immer in Anspruch genommen. Sie führen also nicht notwendigerweise
zu Exporten. Die Auskünfte über die erteilten Genehmigungen
unterschiedlichen Typs werden darüber hinaus absichtlich so unpräzise
erteilt, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Exportgeschäfte
möglich sind. Das schütze die Geschäftsgeheimnisse der
Firmen, argumentiert die Bundesregierung.
Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ist deshalb von geringer
Aussagekraft. Er ist in etlichen Bereichen schlechter als die Berichte
anderer Staaten in Europa. Das kritisieren Nichtregierungsorganisationen
wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung – GKKE – seit Jahren.
Auch die EU und die Vereinten Nationen bemängeln, der deutsche Bericht
sei unzureichend, weil er keine Auskunft über die wirklich erfolgten
Rüstungsexporte Deutschlands gebe. Die Bundesregierung weist diese
Kritik zurück. Sie verweist darauf, dass die Daten für eine
Berichterstattung über die tatsächliche Ausfuhr von Rüstungsgütern,
die nicht auf der Kriegswaffenliste stehen, in Deutschland nicht gesondert
erhoben werden. Die Regierung zeigt aber auch kein Interesse, diese Daten
künftig zu erheben.
Eine deutliche Ablehnung parlamentarischer Kontrollmöglichkeiten
und vor allem der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit kommt
auch in der neuen EU-Richtlinie zur Vereinfachung des Rüstungsexports
innerhalb der EU zum Tragen. Sie sieht vor, dass im innereuropäischen
Rüstungshandel künftig verstärkt sogenannte Allgemeingenehmigungen
zum Einsatz kommen sollen. Jedes EU-Mitglied kann aus der Militärgüterliste
der EU die Rüstungsgüter auswählen, die künftig ohne
besondere Genehmigung in andere EU-Staaten exportiert werden dürfen,
weil der Export mit einer Allgemeingenehmigung vorab erlaubt wurde. Diese
muss im nationalen Amtsblatt veröffentlicht werden. Sobald das geschehen
ist, können die Streitkräfte und alle zertifizierten Unternehmen
liefern. Der Export muss anschließend nur noch gemeldet werden.
Der bürokratische Aufwand wird erheblich geringer.
Doch das neue Verfahren hat auch Nebenwirkungen. Der deutsche Rüstungsexportbericht
wird weiter an Aussagekraft verlieren. Der Umfang der deutschen Rüstungsexporte
muss statistisch umso kleiner werden, je mehr Exporte über Allgemeingenehmigungen
abgewickelt werden. Da für solche Exporte keine Genehmigungen mehr
erteilt werden müssen, werden sie vom deutschen Rüstungsexportbericht
künftig nicht mehr erfasst. Denn dieser berichtet ja nur über
die erteilten Genehmigungen. Dass die Firmen ihre erfolgten Exporte weiterhin
melden müssen, ändert daran nichts. Denn über die tatsächlich
erfolgten Rüstungsexporte führt die Bundesregierung ja keine
eigene und umfassende Statistik. Mithin, deutsche Rüstungsexporte
in die EU werden künftig nur dann in der Statistik auftauchen, wenn
es sich eindeutig um Kriegswaffen handelt oder für das exportierte
Gut noch keine Allgemeingenehmigung erteilt wurde.
Gegen mangelnde Bereitschaft zur Transparenz kann nur eines helfen: Die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages müssen den Auftrag zur Berichterstattung
über Rüstungsexporte neu formulieren. Sie müssen darauf
drängen, dass die berechtigte Kritik der EU endlich aufgenommen wird.
Über die tatsächliche Ausfuhr von Rüstungsgütern muss
genauso berichtet werden wie über den Export von Kriegswaffen selbst.
Das muss für alle Ausfuhren gelten, auch für jene, die in andere
EU-Staaten gehen.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für
Transatlantische Sicherheit - BITS
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